laut.de-Kritik
Nach wie vor die Speerspitze des Göteborg-Sounds.
Review von Michael EdeleNach den letzten beiden Dark Tranquillity-Scheiben war ich der Meinung, dass die Band (wenn auch auf hohem Niveau) mehr oder minder stagniert und einfach nicht mehr das alte Feuer anzufachen weiß. Wie es scheint, muss ich diese Aussage nun nochmal überdenken, denn auf "Fiction" brennen sie gleich mehrere Leichtfeuer ab.
Das geht schon mit dem Opener "Nothing To No One" los, der mit einer brachialen Urgewalt über den Hörer hereinbricht. Anstatt wie viele ihrer Kollegen immer mehr mit massenkompatiblen Sounds und Optionen zu arbeiten, geben sich die Schweden sperrig und komplexer denn je. So schlägt "The Lesser Faith" - was komplexe Riffs und Arrangements angeht - weitgehend in die selbe Kerbe, allgemein geht man es aber eine Spur ruhiger an und setzt im Mittelteil auch schon mal auf rein akustische Phasen.
Mit sowas muss man dem groovenden "Terminus (Where Death Is Most Alive)" aber gar nicht erst kommen. Die Nummer peitscht mit einem enormen Drive nach vorne und hat von den Keyboards her auch leichte Parallelen zu Soilwork aufzubieten. Mit "Blind At Heart" drücken Dark Tranquillity anschließend wieder verstärkt aufs Gas und lassen nur zum Chorus hin ein paar tolle Melodien einfließen. Hier, bei "Empty Me" und in der schon ausgekoppelten Videosingle "Focus Shift" machen sie konsequent klar, dass sie nach wie vor zur Speerspitze des typischen Göteborg-Sounds gehören.
Weniger auf Geschwindigkeit, dafür deutlich mehr auf eine mächtig düstere Atmosphäre setzen sie hingegen beim Song "Icipher". Vor allem Keyboarder Martin glänzt hier mit ein paar einfachen, aber wirkungsvollen Tonfolgen. Wie weit "Inside The Particle Storm" von Star Trek beeinflusst wurde, vermag ich nicht zu beurteilen. Fakt ist aber, dass das langsame Stück fast schon was von der Brachialität von Disbelief aufweist. Nicht typisch für Mikael Stanne und Co., aber dennoch ein klasse Song.
Wer "Projector" genauso geschätzt hat wie ich, der dürfte sich über "Misery's Crown" besonders freuen, denn hier setzt Mikael zum ersten Mal seit langer Zeit wieder seine klare Singstimme ein. Als wäre das nicht schon Grund genug zur Freude, haben Dark Tranquillity auch wieder die Vorzüge einer weiblichen Gastsängerin entdeckt und greifen für "The Mundayne And The Magic" auf die Dienste der Theatre Of Tragedy-Lady Nell zurück.
"Fiction" ist der deutliche Beweis, dass man mit Dark Tranquillity auf jeden Fall noch rechnen muss und die Schweden weit davon entfernt sind, nur noch belangloses Zeug zu verzapfen.
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