laut.de-Kritik

Die teuflische Groove-Maschine wird menschlich.

Review von

Irgendwie hatte man schon damit gerechnet: De Staat sind auch nur Menschen. Groove atmende Gitarren und Keyboards schwingende Menschen, die zweieinhalb bärenstarke Alben vorgelegt haben, klar. Aber scheinbar sind sie auch nicht davor gefeit, wie so viele Bands vor ihnen einen gängigen Entwicklungsweg einzuschlagen: Mit einem Albumkracher auffallen, die spezielle Formel auf dem Nachfolger verdichten und die Produktion hochschrauben, um jetzt auf Album Nummer Vier, einfach "O" betitelt, wieder die Entschlackung von Produktion und überladenen Tracks zu suchen. An sich ja nichts Böses, wäre da nicht der Nachgeschmack, dass ein bisschen Verrücktheit auf der Strecke geblieben ist.

Auf den ersten Blick klingt alles wie erwartet: Bis auf zwei Titel bewegt sich "O" im Uptempo-Bereich, kratzige Gitarren sägen Stakkato-Riffs, groovende Rumpel-Drums drücken die Songs ordentlich nach vorn und oft fühlt man sich, als ob die Queens Of The Stone Age eine Discoparty schmeißen würden. Bestes Beispiel: Opener und erste Single "Peptalk", die all diese Zutaten vereint und darüberhinaus noch ein kleines Synthie-Lick spazieren trägt, das man bis zum Schluss nicht mehr aus der Birne bekommt. Sänger Torre Florim himself betreibt vorsorglich gleich von Beginn an in seiner Predigerstimme ordentliches Erwartungsmanagement:"That's right, don't you get your hopes up, this is it, just embraced we fucked up." Ähnlich düster geht's textlich auch weiter.

Aber ganz so schlimm stehen die Dinge natürlich nicht. "Make The Call, Leave It All" mit seinem Tür und Tor öffnenden Chorus und lässig abgehangenem Groove sowie der wilde Wüstenshuffler "Blues Is Dead" werden die De Staat-Tanzpartys landauf und landab befeuern, "Life Is A Game" zündet sowieso den Turbo in Richtung "Witch Doctor"-Nachfolger.

Doch bei aller Tanzwut lässt sich nicht verleugnen, dass die Songs etwas von dem sonst unverhohlenen Reiz vermissen lassen. Produziert und aufgenommen in Eigenregie warfen De Staat alle Schnörkel über Bord und fokussierten sich pro Lied auf eine Idee, meistens ein Gitarrenriff oder instrumentale Melodie. Insofern braucht es etwas Übung, diese im Vergleich abgespeckten De Staat-Nummern zu hören und nicht hinter jeder Ecke eine neue akustische Überraschung zu vermuten.

Songs wie das zuckende "Murder Death" oder "Baby" sehnen sich sichtlich nach mehr Futter, um die sonst soliden Nummern über die volle Distanz zu tragen. Ähnlich gibt sich der Ritalin-Zug "Round": Die hüpfenden Synthies fahren ungebremst von Anfang bis Ende durch, viel mehr bleibt leider nicht hängen. Als die Band dann pünktlich zur Plattenmitte mit "Time Will Get Us Too" ein sechseinhalbminütiges Stoner-Solo auflegt, das fast zu sehr ausufert, taucht es beinahe wieder auf, das dünne Eis unter den Füßen.

Doch dann schieben mich die ewiggleichen Super Mario-Keyboards in "Systematic Lover" und "Help Yourself" allerhöchstens an den Rand der Tanzfläche, die dann mit dem obligatorischen Rausschmeißer "She's With Me" endgültig geräumt wird. Ja, "O" groovt ordentlich. Aber mittlerweile ist man von De Staat mehr gewöhnt. Mehr Wahnsinn, mehr Spannung, mehr Mut, sich nicht mit jedem ersten Teufelstanz zufrieden zu geben. Ich glaube an euch, Jungs!

Trackliste

  1. 1. Peptalk
  2. 2. Make The Call, Leave It All
  3. 3. Get On Screen
  4. 4. Murder Death
  5. 5. Blues Is Dead
  6. 6. Baby
  7. 7. Time Will Get Us Too
  8. 8. Round
  9. 9. Life Is A Game (Ladadi Ladadada)
  10. 10. Systematic Lover
  11. 11. Help Yourself
  12. 12. She's With Me

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4 Kommentare

  • Vor 8 Jahren

    Mir gefällt das ein oder zwei Nuancen besser.

  • Vor 8 Jahren

    Das Teil geht schon gut nach vorne. Ein paar langsamere Tracks in der Mitte, aber sonst durchweg gute Songs mit geilem Stonerrock-Sound. Gute Produktion und tight as fuck eingespielt. 4/5

  • Vor 8 Jahren

    Treffende Rezension auch aus meiner sich nach dem ersten durchhören. I_con war eine ganze Nummer anders als machinery, aber trotzdem immer noch ein verdammt gutes Album. viel überladener als der Vorgänger was den wahnhaften Spielwitz ganz gut ausdrückte und noch eingängiger. O hingegen ist leider so stark reduziert dass zu oft nur ein fetter synthie lead einen song trägt, der aus der Feder von irgendeiner indie Band stammen könnte. Vielleicht muss ich aber auch noch ein paar mal reinhören um damit warm zu werden...

  • Vor 8 Jahren

    Nach mehrmaligem Hören bin ich vom Album hellauf begeistert. Es braucht ein bisschen um sich zu entwickeln, aber man sollte sich dabei auch nicht schon von Beginn weg vom für Bandverhältnisse untypischen, repetitiven Songwriting abschrecken lassen und sich nicht zu sehr auf Erwartungen stützen, wie es anscheinend dem Rezensenten passiert ist.