laut.de-Kritik

Die Beatles des Black Metal.

Review von

Ihr letztes Album "Sunbather" bestritten Deafheaven mit einem rosa Cover. Klarer Fall für so manch eingesessenen Schwarzheimer: Hipster Black Metal! Diesmal geht es zwar auf dem Cover etwas düsterer zu. Dafür sorgt jetzt ein Track für den Hipster-Faktor: "Baby Blue". Wisst ihr was? Hipster sind super!

Okay, dreimal das Unwort innerhalb eines Absatzes reicht für den Rest des Textes. Machen wir es kurz: Wer sich Deafheaven allein aufgrund von Äußerlichkeiten verweigert, verpasst auf ihrem dritten Album Einiges. An alle Corpsepaint-Jünger: "New Bermuda" lehrt stellenweise sogar eure Lieblingsbands das Fürchten.

Deafheaven können zwar unglaublich sanft, mindestens genauso oft prügeln sie aber in bester Teufelsmanier drauflos. Als Vorbild dienen dabei klar frühe Black Metal-Institutionen der 80er und 90er. In Kombination mit träumerischen Shoegaze-Einlagen entsteht totales Gefühlschaos. Im einen Moment möchte man sich vor Angst und Kälte zitternd in die Ecke verkriechen. Im nächsten genießt man tiefenentspannt die Wärme.

Allein was in den ersten beiden Songs passiert, katapultiert Deafheaven an die Spitze der Blackgaze-Bewegung. Kirchengeläut eröffnet, dann blastet Daniel Tracey auch schon los. Die Gitarre fungiert zunächst nur als Verlängerung des Glockenschlägels, bevor sie in aggressives Palm-Muting verfällt. Wenn George Clarke nach anderthalb Minuten zu keifen beginnt, herrscht bereits eine derart dichte Atmosphäre, dass man als Hörer alles andere um sich herum vergisst.

Einen völlig neuen Anstrich verleiht "Brought To The Water" eine nach etwa dreieinhalb Minuten einsetzende Melodie. Mitten aus dem Black Metal-Wald schält sich ein Dur-Lead. Das klingt zunächst etwas schief, ergibt im weiteren Verlauf aber schnell Sinn. Dabei wechselt die Gitarre immer wieder zurück nach Moll. Dieser Kniff führt schon bald geradewegs in einen ambient-shoegazigen Part im Stile Alcests. Lektion Übergänge: erfolgreich absolviert.

"Luna" geht im Anschluss noch deutlich roher zu Werke. Black Thrash-Riffing eröffnet den Reigen, große Teile des Songs überziehen erbarmungslose Highspeed-Attacken, immer wieder durchsetzt von Mini-Heile-Welt-Gitarrenfills. Als längstes Albumstück bietet "Luna" darüber hinaus natürlich noch mehr. Konträr zum vorhergehenden Gewitter zaubern Deafheaven plötzlich eine gar liebliche Clean-Delay-Melodie.

Der ganz große Wahnsinn ist dann erst einmal vorbei. Ganz ohne Aggression agiert "Baby Blue". Hier schwelgen die Musiker minutenlang in zweistimmigen, effektschwangeren Cleansounds. Die Show stiehlt ihnen Schlagzeuger Daniel Tracey, der darunter seine Finesse beweist. Geschwindigkeitsrausch bleibt diesmal außen vor, striktes Mid-Tempo ist angesagt. Der Groove dankt es, das Pentatonik-Wah-Solo ebenfalls.

Im Gegensatz zum Bisherigen wirkt "Come Back" geradezu gleichförmig. Zumindest die erste Hälfte geht im direkten Vergleich mit den Albumkollegen etwas unter. Dafür punktet der Schlussteil. Die Nachtmahre ziehen sich zurück, das harsche Gerüst öffnet die Tore zu wunderschöner Traumlandschaft. Bass und Gitarre spielen sich die Bälle zu, übernehmen abwechselnd die Führung. Gut gespielte Bottleneck-Einlagen muss man sowieso mögen.

Eigentlich ein schöner Closer, "Gifts For The Earth“ schließt jedoch nahtlos an und macht es mindestens genauso gut. Erst quält George Clarke seine Stimmbänder in Shining-Manier, während Schellenkranz und Akkordspiel (später auch mit Akustikgitarre) entspannen. Wenn am Ende zusätzlich Klavier einsetzt könnte das auch von Brian Wilson oder den Beatles stammen. Wie viele Black Metal-assoziierte Bands das wohl von sich behaupten können? Jedenfalls nicht besonders viele. Deshalb hört ihr euch "New Bermuda" am besten einfach einmal an.

Trackliste

  1. 1. Brought To The Water
  2. 2. Luna
  3. 3. Baby Blue
  4. 4. Come Back
  5. 5. Gifts For The Earth

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