laut.de-Kritik
Welcome to Miami.
Review von Dani FrommMit dem Vorgänger hat es sich Denzel Curry selbst ziemlich schwer gemacht: Die Latte liegt nach "TA13OO" in schwindelnden Höhen. Ob sich das Niveau halten, die schiere Wortgewalt erneut aufbieten und ähnlich verwirrende Intensität ein zweites Mal heraufbeschwören lässt, erscheint äußerst fraglich.
Der Urheber weiß das entweder, oder es war schlicht und ergreifend notwendig, das Pendel nun zurück- und in eine ganz andere Richtung schwingen zu lassen. Statt wieder in die eigenen Abgründe hinabzusteigen, dabei in noch finsterere Tiefen vorzudringen und die Abstrusitäten, die sich dort finden, noch gnadenloser auszuleuchten, macht es sich Denzel Curry nun leicht. Fair enough.
Dieses neue Album verfolgt jedenfalls einen komplett anderen Ansatz. Der Dreh- und Angelpunkt liegt diesmal nicht im Kopf des Rappers, sondern da, wo er seine Wurzeln hat: in Carol City, Miami, in Florida. "Zuu" versammelt einen (besonders im Kontrast zu den mitternachtsschwarzen Ballons geradezu unverschämt farbenfrohen) Strauß Tracks, deren vordringliche Bestimmung darin besteht, die eigene Hood zu repräsentieren.
Ein ganz anderer Sport, den Denzel Curry allerdings ebenfalls hervorragend beherrscht. Die Referenzen beginnen beim Titel: "Zuu, that's what we call it", erklärt der Rapper im Interview mit XXL, bei dem Begriff handle es sich um einen Spitznamen, den die Einwohner von Carol City ihrer Stadt verpasst haben.
Dieser rote Faden zieht sich durch das komplette Album. Sämtliche Featuregäste stammen aus Miami. Ihre Geschichten spielen in Miami, entsprechend drehen sich die Texte um Miami. Der Sound, wenn auch größtenteils vom australischen Produzentengespann FnZ verantwortet, fängt das Lebensgefühl Miamis ein. "Zuu" atmet, es schreit Miami.
Das geht natürlich nicht ohne Arschwackel-Stripclup-Hymne. Das wiederum war bisher nicht unbedingt die Disziplin, in der sich Denzel Curry besonders profiliert hat. Offenbar kriegt er aber auch das hin. Mit ein wenig Hilfe, zumindest. Als Song, der ihm "beim Schreiben die meisten Schwierigketen bereitet" habe, bezeichnete er gegenüber The Fader "Shake 88". "Weil ich sowas noch nie gemacht hatte."
Hätte er vielleicht tun sollen, dann wäre in solchen Tracks vielleicht auch vorher schon öfter neben den gaffenden Kunden auch die Stripperin selbst zu Wort gekommen, die sich hier anhört, als sei sie, gesegnet mit einem Riesenego, geradewegs "Straight Outta Compton" entsprungen. Der verschlagene Vortrag von Sam Sneak fügt sich ebenfalls gut ins basslastig wummernde Bild.
Die Fokussierung auf die Heimatstadt geht natürlich trotzdem nicht ohne persönlichen Bezug vonstatten. Denzel Curry blickt in "Ricky", benannt nach seinem Vater, auf seine Kindheit zurück, gute Ratschläge der Eltern inklusive: "My daddy said 'Trust no man but your brothers / And never leave your day ones in the gutter' / My daddy said 'Treat young girls like your mother' / My mama said 'Trust no ho, use a rubber.'"
Im Grunde formulieren diese Zeilen das große Thema von "Zuu" damit bereits aus: Vergiss nicht, wo du herkommst, und überleg' dir gut, wem du vertraust. Freunde, Supporter, Frauen sind, das hat der Erfolg gezeigt, leicht zu kriegen, wenn es erst läuft. In "Automatic" klingt das so: "On the road to riches you gotta look out for the serpents / Watch 'em slither to the surface when they see your plan is workin'."
Wirklich zählt eben doch nur, wer schon hinter dir stand, als du noch Dreck fressen musstest. Deswegen hält Denzel Curry die Erinnerung an XXXTentacion in Ehren. Immer wieder gemahnt er außerdem an seinen Bruder, der 2014 starb, nachdem ihn Polizisten niedergetasert hatten. "Wish", in dem Denzels Flow auf die harsche Stimme seines Gastes Kiddo Marv trifft: eine einzige Hommage. Rick Ross zündet in "Birdz" gleich noch eine weitere Kerze für Nipsey Hussle an.
Rugah Rahj illustriert "Speedboat" nahezu perfekt: "Big money, big chains, big guns" entsprechen monströs aufwändigem Chorgesang. Das zwischen die dicken Bässe und die Trap-typischen Hi-Hats gefädelte Klavier bringt die melancholische Note ins Surfen auf der Erfolgswelle. Es ist eben doch nicht alles gut im Alles-Gut, der Schmerz über erlittene Verluste und (berechtigtes) Misstrauen sitzen tief.
Von der Zerrissenheit von "TA13OO" bleibt "Zuu" jedoch weit entfernt. Das Album wirkt komplett rund. Selbst eigentlich nutzlose Skits und Interludes stören den Ablauf nicht. Kaum jemals kommen mitgeschnittene Telefonate über den Status von Insiderwitzeleien hinaus, die (wenn überhaupt jemand) bestenfalls die unmittelbar Beteiligten lustig finden. Das vorliegende dagegen lässt sich durchaus als Demonstration der maulfaulen Sprechweise der Carol City-Locals deuten: Hat man erst einmal ihre Bedeutungsebenen erschlossen, lässt sich mit der Vokabel "yo" tatsächlich eine komplette Unterhaltung bestreiten. "Yoo" liefert den Beweis.
Ob "Blackland 66.6" wirklich in SpaceGhostPurrps Radioshow mitgeschnitten wurde oder nur so tut als ob, spielt überhaupt keine Rolle: Auch dieses Skit wirkt im Albumkontext nicht wie ein Fremdkörper, eher schon wie das absolut logische Vorgeplänkel, wie ein Intro zum selbst wieder mit Verweisen auf Filme, Serien und fiktive Figuren nur so gespickten "P.A.T."
Mit diesem durch und durch dreckigen, roughen Banger komplimentieren uns Denzel Curry und PlayThatBoiZay vor die Tür. Raus aus dem Album, raus aus ihrer Nachbarschaft, raus aus ihrem Leben. Bis zum nächsten Mal. Wie das dann wieder aussehen mag, wissen garantiert noch nicht einmal die Götter.
4 Kommentare mit einer Antwort
Ich bin beim Hören der Scheibe nicht so weit in die Tiefe gedrungen, wie in der Review.
Muss aber nach mehrmaligen hören sagen, dass ich etwas enttäuscht bin. Die ersten drei Tracks legen los wie die Feuerwehr. Nice Raps, überragende Hooks, gute Beats. Danach plätschert bei mir der Rest des Albums eher nur noch so durch. P.A.T. nervt mich sogar massiv, speziell der Dauersynth im Hintergrund.
3/5. Schade. Aber verständlich nach dem letzten Monster von Album.
Bin ebenfalls etwas enttäuscht nach seinem letzten Brett (für mich bestes Rapalbum 2018). Schade!
Also ich bin überhaupt nicht enttäuscht und finde es toll, dass er ein unverkrampftes Projekt mit knackiger Spieldauer, mehreren Bangern und rundum gelungenem Retro-Vibe und Florida-Flavour vorlegt. Ich mochte den Vorgänger auch, aber hier hatte ich sofort einen Zugang und finde, dass es kein Rückschritt oder Spaßprojekt ist, sondern auf seine Weise ebenso gut durchdacht, wenn man sich mal das Cover, die Videos, Features, Skits und die Themen der Songs anschaut. Denzel weiß einfach, was er tut. Höre das Teil bei der aktuellen Wetterlage sehr gerne. Die Review passt perfekt!
Kann mich dir nur anschließen. Taboo war ein großartiges Album, aber wie Curry hier was komplett anderes macht, ohne qualitativ schlechter abzuliefern ist schon bemerkenswert.
ziemlich nices album für zwischendurch. erinnert mich vom feel her an vince staples fm. die beats sind nice, denzel rappt gut und es gibt viele banger. es muss ja nicht immer konzeptionell sein. perfektes sommeralbum.