Porträt

laut.de-Biographie

Deso Dogg

"In meinen Augen hat jeder Mensch einen guten Geist sowie einen schlechten Geist in sich. Der gute Geist sagt: 'Sei anständig, mach deine Arbeit, lass dich nicht runterziehen.' Der schlechte Geist spricht vom Gegenteil: 'Scheiß auf Arbeit, geh rauben, geh klauen, mach Probleme, sei böse.'" (Deso Dogg gegenüber rap.de)

Doubletime: Backpfeifen auf Endlosschleife
Doubletime Backpfeifen auf Endlosschleife
Massiv bekommt Preis für soziales Engagement, und die Welt schmäht ihn als "Terrorrapper". Funk exhumiert Deso Dogg. Phrasen von Will Smith.
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Mehr als einmal glaubt Deso Dogg, im realen Leben Denis Mamadou Cuspert, dem schlechten Geist: Als er 2006 mit 31 Jahren sein Debüt-Album "Schwarzer Engel" veröffentlicht, saß er insgesamt bereits sieben Jahre hinter Gittern. Später hängt er den Rap gleich ganz an den Nagel, wandelt sich zum salafistischen Hassprediger und ruft Glaubensbrüder unter seinem neuen Namen Abou Maleeq, später auch Abu Talha al-Almani, zum vermeintlich heiligen Krieg gegen die Ungläubigen auf.

"Als dunkelhäutige Person habe ich schon in meiner Kindheit zu spüren bekommen, dass ich anders bin. Anders als die Deutschen, anders als hellhäutige Menschen in meiner Umgebung." Wer in Berlin-Kreuzberg als Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers zur Welt kommt, hat insbesondere dann wenig zu lachen, wenn der Vater in seine Heimat abgeschoben wird.

Der Stiefvater, ein US-Soldat, pflegt auch zu Hause einen ruppigen Umgangston. Zwar bringt er den vorgefundenen Sohn mit Musik in Kontakt - neben Al Green und Funkadelic läuft der harte Sound der N.W.A. - ansonsten haben die berufstätigen Eltern jedoch wenig Zeit für ihren Nachwuchs.

Die Langeweile treibt den Ältesten auf die Straße. Als Sprüher legt er sich den Namen Deso, kurz für Devil's Son, zu, dem er später noch ein "Dogg" anhängt. Hauptsächlich bewegt sich Deso Dogg aber im Dunstkreis verschiedener Gangs. Dieses Umfeld führt nahezu zwangsläufig in die Kriminalität: Den ersten Überfall begeht Deso mit süßen elf Jahren.

Rap liefert den Soundtrack zur zwielichtigen Existenz. Bereits Mitte der 80er will Deso erste Versuche am Mikrofon unternommen haben. Das Leben auf der Straße gräbt diesem Ansatz aber das Wasser ab. Wegen diverser Vergehen, darunter Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, landet Deso Dogg wieder und wieder im Gefängnis. Im Jugendknast beginnt er, zunächst auf Englisch, später auf Deutsch, ernsthaft zu rappen.

Auf Bewährung auf freiem Fuß, gründet er 2002 zusammen mit seinen Kumpels Charnell, Jasha und Riad die 030 Gangxta Clicc. Über eine Mixtape-Reihe, die 2004 unter dem Titel "Dreckstape" erscheint, kommt die Truppe allerdings nicht hinaus. Man trennt sich im Streit. Als 2005 das erste Album der Gangxta Clicc erscheint, ist Deso Dogg schon lange sauer von dannen gezogen.

Über eine Freundin trifft er auf einer Silvesterparty auf Montana Beatz. "Er hat mir erzählt, dass sie ein Label namens Streetlife gründen wollten", erinnert sich Deso Dogg im Interview mit generation-one.de. Die Tatsache, dass er wegen eines Regelverstoßes erneut einfahren muss, scheint kaum zu stören. "Er meinte, ich soll weiter an meinen Texten arbeiten ... Ich könne mich dann 'drinnen' darauf vorbereiten und wenn ich wieder raus komme, würden sie mich zu Streetlife nehmen."

"In meiner damaligen Situation wusste keiner, ob ich am nächsten Tag wieder im Knast bin oder tot in der Ecke liegen würde. Wenn ich was erreichen wollte, musste ich mein Leben ändern." Deso Dogg, der unterdessen Vater wurde, besinnt sich auf zweierlei: auf seine Musik und seinen Glauben. Zu Teenagerzeiten konvertierte er zum schiitischen Islam.

Montana Beatz und Dean Dawson schwingen sich zu Deso Doggs Produzenten auf. Sie geben ihrem Schützling die Möglichkeit, mit DMX auf Tour zu gehen. Für Deso Dogg eine gewaltige Chance: "Direkt nach 2Pac kommt in meinen Augen DMX!" Allein, es wird nichts draus: Deso erleidet einen Nervenzusammenbruch und verschwindet für einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik. Seinen Job im Rahmen der Tournee übernimmt D-Flame.

Ein Jahr später hat sich Deso Dogg wieder halbwegs im Griff. Nach einem Mixtape und etlichen Features, unter anderem auf Flers "Trendsetter", präsentiert er sein Debüt "Schwarzer Engel". Neben Montana legen Desue, Plattenpapzt und Woroc Hand an die Regler. Ein aufwändiges Video zu "Wer Hat Angst Vorm Schwarzen Mann" lehnt man bei MTV mit dem Kommentar "zu düster" ab.

"Ich fasse mein Leben in Worte", kommentiert Deso im Interview mit rap.de "Ein Teil davon ist die Straße, ein Teil sind meine Knastgeschichten, ein Teil ist meine Liebe für meine Kinder und meine Familie und ein Teil sind meine vielseitigen Gefühle." Nebenbei zieht er lustig über die Kollegenschaft von B-Tight bis Joachim Deutschland her.

Im Gegensatz zu vielen anderen, die Deso Dogg abfällig als Entertainer-Gangster bezeichnet, glorifiziert er das Verbrechertum nicht. Dazu sind ihm die Folgen zu vertraut: "Ich mache echten Gangsterrap. Das ist gut für die Hörer! Ich rede von meinen Taten. Aber ich erzähle auch, was danach kommt: Totalschaden, Kopf-Fickerei. Ich weiß, dass es draußen hart ist. Manchmal sieht man keine andere Möglichkeit, als Drogen zu verkaufen. Aber es gibt eine Lösung, es gibt immer eine Lösung für den Dreck da draußen. Wir müssen nur die Eier, den Verstand und das Herz dazu haben." (pushmagazin.de)

DMX räumt Deso eine zweite Chance ein: Bei dessen Tour 2006 ist er diesmal wirklich mit an Bord. Deso Dogg arbeitet lose mit Fler, Massiv und Kaisaschnitt zusammen. Der Kontakt zu Streetlife Entertainment entwickelt sich jedoch weniger gesund: Wegen vertraglicher und künstlerischer Meinungsverschiedenheiten trennen sich die Wege. Um Deso Dogg wird es still.

Mit seinem für Herbst 2007 versprochenen Doppelalbum "Alle Augen Auf Mich", bei dem neben seiner eigenen Crew Drama Fellaz Manuellsen, Killa Hakan und der Frankfurter Pionier Tone mitmischen sollen, droht Deso Dogg via MySpace mit seinem Rückzug aus dem Geschäft. Er habe zwischen 2002 und 2007 mehr Verluste als Gewinne eingefahren, sei persönlich und in geschäftlicher Hinsicht vom Business enttäuscht.

Deso Dogg - Alle Augen Auf Mich Aktuelles Album
Deso Dogg Alle Augen Auf Mich
Das sind die Blutbloccx - und ich will hier raus!

Der Termin verstreicht, von "Alle Augen Auf Mich" ist weit und breit nichts zu sehen. Statt den versprochenen Ausstieg durchzuziehen, rauft sich Deso Dogg mit seinem 030 Gangxta Clicc-Kumpel Jasha wieder zusammen. Gemeinsam veröffentlichen sie im Sommer 2008 das Kollabo-Album "Geeni'z", zu dem Woroc die Beats beisteuert.

Für seinen Alleingang wünscht sich Deso mindestens einen Major-Deal: "Ich habe lange daran gearbeitet", verrät er hiphop.de. "Ich will, dass es knallt."

"Alle Augen Auf Mich" erscheint schließlich, vom Doppel- zum normalen Album abgespeckt, im Spätherbst 2009 bei Twenty One Entertainment. Die Beats liefert zum Großteil Woroc, als Gäste mischen MC Bogy, Manuellsen und Westsaid mit.

Deso Dogg verspricht bereits auf dem Cover: "Echta Ganxta Rap". Der Zwiespalt zwischen der Härte der Straße und dem Wunsch, ebendieser zu entfliehen, bleibt zwischen Gebet und Polizistenmord stets spürbar.

Ende 2010 gibt Deso Dogg - wieder einmal - seinen Rückzug aus der Musikszene bekannt. Er hat ein neues Betätigungsfeld für sich entdeckt, hält unter dem Namen Abou Maleeq flammende Predigten und ruft seine Glaubensbrüder unverblümt zu den Waffen.

Eine aus seiner Sammlung zeigt er offen in einem seiner Hassvideos, was umgehend die Staatsanwaltschaft auf den Plan ruft. Eine Hausdurchsuchung fördert zudem auch Munition zutage. Cuspert wird im April 2011 zu einer Geldstrafe wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt.

Seine Hinwendung zu deutschsprachiger Nasheed-Musik - Gesang mit islamisch-religiösen Texten, den einige Gruppierungen zu Propaganda- und Kriegsliedern uminterpretieren - beschäftigt die Behörden kurz darauf erneut. Drei seiner Titel landen im März 2012 auf dem Index. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wieder, nun wegen Volksverhetzung.

Cuspert wird inzwischen als eine handfeste Bedrohung eingestuft. Seinen Umzug von Berlin nach Bonn werten Beobachter als Teil einer Konzentration salafistischer Szenemitglieder in Nordrhein-Westfalen. Anfang Mai kommt es dort zu Ausschreitungen zwischen Salafisten und Anhängern der rechtsgerichteten Gruppierung Pro NRW, in deren Verlauf zwei Polizisten durch Messerstiche verletzt werden.

Nachdem die Organisation Millatu Ibrahim, der Cuspert angehört, verboten wird, taucht dieser unter. Man vermutet ihn in einem Ausbildungscamp radikaler Islamisten in Ägypten. Dem ZDF lässt er Anfang September noch eine Video-Botschaft zukommen, in der er droht: "Ihr werdet nicht mehr in Sicherheit leben. Ihr setzt Millionen und Milliarden ein für den Krieg gegen den Islam. Und deshalb ist dieses Land hier, die Bundesrepublik Deutschland, ein Kriegsgebiet."

2014 schließt Cuspert sich dem IS an, im April kursieren Meldungen von seinem gewaltsamen Tod, die sich jedoch später als falsch erweisen. Am 16. Oktober 2015 wiederholt sich die Geschichte: Angeblich kommt der ehemalige Rapper bei einem Luftangriff der USA auf ein Fahrzeug bei Rakka im Osten von Syrien ums Leben. Doch auch diese Meldung stellt sich später als Ente heraus.

Denis Cuspert treibt weiter in den Reihen islamistischer Extremisten sein Unwesen. Zwischendurch soll er eine US-amerikanische Übersetzerin geehelicht haben, die eigentlich im Auftrag des FBI an Ermittlungen gegen ihn beteiligt war. Die Frau verließ ihren Gemahl allerdings wenige Wochen nach der Heirat und floh zurück in die Staaten, wo sie zwei Jahre hinter Gittern verbrachte.

Der ehemalige Rapper wird im Januar 2018 zum insgesamt fünften Mal für tot erklärt. Laut einer amerikanischen Organisation, die sich intensiv mit dschihadistischen Netzwerken beschäftigt, ist er in der syrischen Stadt Gharanidsch bei der Explosion einer Granate getötet worden.

Die abenteuerlichen Geschichten, die sich um Denis Cuspert ranken, schießen munter ins Kraut. Zweierlei können sie jedoch auch nicht überwuchern. Erstens: Jeder, der den Mann vor seinem Abschwirren in extremistische Verirrungen kannte, erinnert sich an ihn als eine getriebene, unsichere Seele, deren einziges Bestreben darin bestand, verzweifelt irgendwo dazu gehören zu wollen. Zweitens: Der Rapper Deso Dogg ist schon lange tot. Beides: ziemlich traurig.

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