laut.de-Kritik
Oft ähnlich, nie schlecht.
Review von Frieder HaagDie Veröffentlichung von "Yung Boomer" steht am Ende einiger einschneidender Veränderungen. Der Stuttgarter Rapper, Produzent und Multiinstrumentalist Dexter kündigt letztes Jahr seinen sicheren Job als Kinderarzt, um sich ganz der Musik hinzugeben. Im Zuge dessen verlässt er auch sein Label, um künftig die volle kreative Kontrolle zu haben - der finanzielle Aspekt war aber auch nicht irrelevant, wie er im Interview zur Veröffentlichung verrät.
"Yung Boomer" zeigt entsprechend der Entstehung eine klare Weiterentwicklung von "Haare Nice, Socken Fly" aus 2017 oder seinem gefeierten Kollaboalbum mit Fatoni, "Yo Picasso". Die Bässe drücken etwas mehr, die Samples knistern weniger, dank warmen Synthesizer und unaufgeregter Taktzahl kommt Dexy aber immer noch entspannt ums Eck, standesgemäß im VW Caddy. Die Quittierung seines Jobs für eine Zukunft in der Musik gibt ihm mehr als genug Grund zur Freude. Euphorisch rappt er auf "Nur Noch Was Ich Mag" über sein Leben ohne Pflichten und Wochenendschichten. Unterstützung kommt von LGoony, dessen effektgeschwängerte Stimme sich gut in den sprudelnden Beat einfügt.
Die Soundästhetik des Albums bewegt sich im Zeitgeist, dabei zeigt Perfektionist Dexter jedoch mit selbst eingespielten Piano-Passagen und einem Auge für kleine Details eine musikalische Vielfalt, die den Instrumentals eine gehörige Nachhaltigkeit gibt. Dabei stört der Rap hin und wieder sogar, stehen doch die jazzigen Melodien durchaus für sich.
Zeitgeistig sind auch die Newcomer Lugatti & 9ine aus Köln. Auf "Kombi Nicht Normal" rappen die drei gewohnt über THC und ihre Überlegenheit gegenüber den Wannabes der Szene. Gewisse Sympathien gibt es natürlich trotzdem: "Steh auf Symba und auf Lakmann" rappt Dexter und beschreibt damit den Spagat zwischen alt und neu, der sich durch das Album zieht.
Dabei distanziert sich der Musiker deutlich von einigen aktuellen Entwicklungen. "Diese Szene ist kaputt, dieser Hit ist für den Club / doch nicht mal er will in den Club", heißt es auf "Luft". Testo-Überschuss und die ziellose Abfeierei diverser Betäubungsmittel reizen den Musiker nicht, er findet sein Glück in liebevollen Soundspielereien und entspannten Familienabenden. Diese Einstellung, die gewiss auch als spießig bezeichnet werden kann, immunisiert jedoch gegen allzu große Peinlichkeit. Dexter macht niemandem etwas vor.
Der Ekel vor der Szene hindert den Musiknerd ebenfalls nicht, sich allwöchentlich in die Untiefen des Deutschrap zu begeben. "Freitag" erzählt eine Geschichte, die wohl vielen Hörer*innen aktueller Musik bekannt vorkommt: Einmal die Woche, oft schon Donnerstag Nacht, werfen Label, Underground-Artists und deren Cousins ihre Musik auf Spotify und Youtube. Wer sich durch alle Neuerscheinungen klickt, ist gut und gerne ein paar Stunden beschäftigt, trotzdem sehen sich Dexter und die Featuregäste Fatoni und Yrrre immer wieder im Strudel gefangen. "Deutscher Rap ist gar nicht mal so gut für die Gesundheit" konstatiert Fatoni treffend, nur ums sich noch ein bisschen in Featurelisten und Backgroundinfos zu verlieren.
Im direkten Vergleich muss sich Dexters Rap leider dem seines Gasts geschlagen geben. Der fesselt deutlich mehr, bei Dexter stellt sich in Anbetracht seines doch recht eintönigen Vortrags nicht nur hier schnell Ermüden ein. Trotz der überzeugenden Instrumentals setzt Dexter immer wieder auf das gleiche Songkonzept samt LGoony-trademark Hook. Für einzelne Songs funktioniert das, auf Albumlänge wiederholt es sich etwas zu oft.
Zum Abschluss des Albums überrascht der Stuttgarter jedoch nochmal und zeigt sich von einer persönlichen Seite, die bislang nicht in seiner Musik stattgefunden hat. "Apoplex" thematisiert einen Schlaganfall, der ihn ausgerechnet auf der Bühne mit Torky Tork erwischt. Nüchtern, fast distanziert erzählt er vom Schock und von plötzlicher Verwundbarkeit. Der Track fängt mit nervösem Piano und trockener Sichtweise die Atmosphäre ein und bildet einen starken Abschluss.
Was von "Yung Boomer" bleibt? Ein selbstbewusstes Album, auf dem sich ein frisch befreiter Musiknerd austobt. Dabei klingen die Titel oft ähnlich, aber nie schlecht.
10 Kommentare mit 4 Antworten
Bei Beats hat er ja ab und an mal ein gutes Händchen, das Rappen sollte er aber tunlichst lassen
Mag seinen Rap nicht.
Wahrlich nicht der beste Rapper, aber super entspanntes Album, geht schon gut rein. 3,5/5
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Diese dümmlichen Traphooks sind ja echt ultrawiderlich.
jeder track hört sich irgendwie gleich an, v.a. die hook. und die ganze zeit denkt man, dass yung hurn im hintergrund snippets von 'pony' einspielt.