laut.de-Kritik
Adenauer rockt die Merkel-Ära.
Review von Artur SchulzZeitsprung zurück in die 50er: Da löst ein Virus namens Rock'n'Roll einen satten Urknall aus. In den Staaten rocken Elvis, Chuck und Jerry - in England Cliff Richard, Johnny Kidd & The Pirates. Und in Deutschland? Stille. Schweigen. Achim Reichel mit seinen Rattles kommt erst später. Ted Herold und Peter Kraus mag man irgendwie nicht richtig ernst nehmen. 60 Jahre später zeigen Dirk Darmstaedter & Bernd Begemann, dass es aus jener Zeit durchaus aufregende Songs zu entdecken gibt.
Hinter all dem Spaß verbergen sich jedoch Ernsthaftigkeit und Respekt im Umgang mit den alten Nummern. Das Konzept des Duos sieht keine launige Party-Platte vor, sondern echte Archäologenarbeit in längst vergessenen Kellern hiesiger Populärmusik. Im miefigen Adenauer-Nachkriegsdeutschland ist kein Platz für aufmüpfige Jungs vom Schlage eines King - so etwas hätte allein die genormte Plattenindustrie nicht zugelassen.
Manchem Künstler oder Texter gelingt es trotz der Repressionen immer wieder, den Rock'n'Roll und sein noch frisches Weltbild quasi als trojanisches Pferd in die Unterhaltungsmusik mit einzubringen. In "Bei Der Firma Rock'n'Roll" wiegen sich treudeutsche Diszplin, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zu amerikanischen Rhythmen. "Susi Sagt Es Gaby" lässt deutlich die damalige Sehnsucht nach dem Originalsound durchklingen. Als Song eine wahre Granate mit haarsträubend genialem Aufbau, finden in den Namensnennungen überwiegend eben nicht Grete oder Renate statt, sondern Pat und Jenny.
"Ich Bin Kein Schöner Mann" ist eine großartige, schon damals rockende Perle von Billy Sanders, deren Wirkung im Original aber noch immer einen stärkeren Eindruck hinterlässt. Als schaurig-schöne Highschool-Rock'n'-Roll-Ballade lässt "Straße Der Sehnsucht" den Tempotaschentücher-Verbrauch rasant ansteigen.
Das titelgebende "So Geht Das Jede Nacht" ist bei Bernd und Dirk hingegen in allerbesten R'n'R-Händen. Damaliger Interpret: Freddy Quinn! Fast schon punkig gerät dann der Klasse-Track "Espresso Rock". Neben wirbelnden, druckvollen Jive-Beats begeistern vor allem die Lyrics: "Komm mit mir in die Espresso Bar / wo ich mit dir gestern Abend war / die schwarze Vera schenkt uns ein / es braucht nicht Alkohol zu sein / denn wenn du mich beim Tanzen küsst / fühl' ich / dass dein Kuss allein berauschend ist."
Da schwingt der Zeitgeist gleich in doppelter Hinsicht mit ein: Während die Jugend sich nicht durch Alkohol verderben lassen darf, warten im Hintergrund schon die ersten fremdländisch-italienischen Cafés und Milchbars. Ein wunderbares Zeitdokument.
Der "Warenhaus Rock" fasziniert vor dem Hintergrund des Wirtschaftswunders durch seine Konsum-Naivität. Für die Ballade "Die Straße Der Vergessenen" hält Begemann eine interessante Interpretation des Text-Hintergrunds bereit: "Ich glaube, in diesem Song geht es um die Kriegsgefangenen in Russland, die Gefallenen, diejenigen, die nicht zurück kamen, um den großen, kollektiven Verlust."
Diese Sichtweise skizziert sehr treffend manch offensichtliche Intention des BRD-Rock'n'Roll: Deutsche Befindlichkeiten müssen sich (oft schmerzhaft) mit Dingen arrangieren, die noch immer fremd, aber dennoch begehrens- und lohnenswert erscheinen. "So Geht Das Jede Nacht" ist daher unterhaltsamer und gekonnt umgesetzter Geschichtsunterricht. Halbstark, Baby!
4 Kommentare
Nee, die können nicht gut sein. Die sind doch beim Bundesvision Song Contest auf dem letzten Platz gelandet.
Angenehm respektvolle Kritik. Ich dachte schon, ihr haut da jetzt voll drauf.
Unangenehm lasche Kritik. Ich hoffte schon, ihr haut da jetzt voll drauf.
Bernd B. fickt gerne aufm Klo... echt