laut.de-Kritik

Das spaßbringendste Debüt des Jahres. Bitte hypen Sie jetzt!

Review von

Was ist denn jetzt los? Hat der Hype in der London Underground den Anschlusszug Richtung Umsatzkapriolen verpasst? Äußerst merkwürdig jedenfalls, dass weder die Dauerrotation in Zane Lowes Kultsendung auf BBC Radio 1 noch Auftritte mit Juliette Lewis und Basement Jaxx sowie der Titel "Spannendster Act auf dem SXSW 2009" den Dammbruch auf Amazon.de, co.uk oder com auslösten.

Da verkauft eine schwarze Londonerin, ohne eine einzige Single veröffentlicht zu haben, reihenweise US-Venues aus, wird 2008 gar als Britin zu einem "Obama for America"-Konzert nach New York eingeladen – trotzdem vergisst zunächst sogar die Plattenfirma, uns zeitnah mit "Bone Of My Bones" zu versorgen. Seit Tagen sitze ich kopfschüttelnd vor dem Rechner und frage mich, wieso dieser auf Compact Disc implodierte Regenbogen einen Monat nach Verkaufsstart noch immer auf den hinteren Charträngen logiert.

So viele Stile bevölkern ihren Erstling, es gliche einem Akt von Artenschutz, Ebony Thomas, Schauspielerin, Kostümdesignerin, Songwriterin und selbstermächtigte Produzentin, unter die Käseglocke zu stecken. Von der 24-Jährigen in der Ablehnung kontemporären R&Bs sowie klassischer Lebensentwürfe als ein "höchst verwegenes Album" bezeichnet, referiert ihr polymorpher Sound zu gleichen Teilen auf Disco und Postpunk, auf Cowbells-Funk, aktuelle Dance Music und exaltierte Samba-Rhythmen.

Er integriert auch Miami Bass-Elemente, Indiegitarren, brodelnde Subbässe und vor allem anderem eine Stimme, die sich könnerhaft am Soul abarbeitet. Ebony Thomas, die schon aufgrund ihres blondierten Riesenafros eigentlich nicht übersehen werden kann, fasst ihr beeindruckendes Genre-Sammelsurium lakonisch als "punk approach to pop" zusammen.

Woher nun das Selbstbewusstsein rührt, sowohl das gesamte musikalische Konzept von der Idee bis zum Endprodukt als auch das farbenpralle Image als Dorothy im Reich des Zauberers von Oz selbst zu entwerfen, erklärt sie wie folgt: "Musik war ein Weg, den Fesseln der Gesellschaft zu entkommen, mich frei zu fühlen, anstatt die Beine übereinanderzuschlagen und zu lächeln."

Als Vorbilder benennt sie wegweisende Künstlerinnen wie Björk und Grace Jones. Insbesondere die Wave-Königin stand mit ihrer exaltierten weiblichen Stärke sicher ideologisch Pate für den vorliegenden Konfettiregen. Musikalisch vergleichbar grenzüberschreitend und doch innerhalb des Pop-Kosmos agierte zuletzt nur Santigold. Drum muss als einende Klammer für die Songs das Gefühl herhalten.

Ein Gespür für Aufbruchsstimmung, ein wilder Befreiungsschlag gegen jedwede Restriktion und eine wache Sicht auf Feminismus und politische Schieflagen (siehe die Referenz auf die fälschliche Erschießung von Jean Charles de Menezes in "Story of St.Ockwell") bilden die Input-Kanäle. Auf der Output-Seite gelingt diesem Ein-Frau-Go! Team, dieser Kelis für DFA1979-Freunde, das vielleicht autonomste und zugleich spaßbringendste Debüt des Jahres. Bitte hypen Sie jetzt.

Trackliste

  1. 1. W.A.R.R.I.O.R.
  2. 2. We Know All About U
  3. 3. Story Of St.Ockwell
  4. 4. The Muzik
  5. 5. In G.O.D. We Trust (Gold, Oil & Drugs)
  6. 6. Bone Of My Bones
  7. 7. Guess We'll Always Have NY
  8. 8. Im Ur Future X Wife
  9. 9. Smiles & Cyanide (feat. Ms Streamz)
  10. 10. When It Rains
  11. 11. Don't Fart On My Heart

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LAUT.DE-PORTRÄT Ebony Bones!

"Ich tendiere dazu, meine Musik gar nicht erst zu beschreiben. Weißt du, es ist so ein Mischmasch und Meltingpot aus unterschiedlichen Genres und Sounds.

3 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    laut.de sind ja lange nicht die einzigen, die gross mit der Hype-Kelle anrühren (scheinbar der gesamte Feuilleton, zahlreiche Musik-Blogs etc...), aber irgendwie will das nicht so recht. Mit Grund. Eigentlich müsste "bone of my bones" äusserst aufregend klingen und neuartig sein ... nur: "Bone Of My Bones" ist wie ein prächtig ausgestatteter Kostümfilm, bei dem Uwe Boll Regie führte. Könnte viel viel mehr sein als es ist. Das ist nur triviale Kacke.

  • Vor 14 Jahren

    Ach ich weiß auch nicht. Ich hab mir das Album interessehalber mal angehört (bzw. eher durchgeskipt) und der Funk(e) will einfach nicht überspringen. Ich glaube ich bin einfach zu altmodisch...

    (Santigol & Amanda Blank sagen mir übrigens auch nicht zu...)

  • Vor 14 Jahren

    schöner Lacher :))

    Mir gefällts, weil ich nicht durchgeskipt habe und die Songs sich für mich immer unerwartet entwickeln...aber nicht im Negativen. La Roux, Amanda Black, Santigold sind da im Vergleich weit weniger "treibend". Für mich ist Ebony T. die Gabber-Version der Vorgenannten, optisch wie musikalisch. Und den ganzen "Individualismus"-Hype der Damen darf man nicht allzu ernst nehmen...seit wann verkauft sich Spießertum ?