laut.de-Biographie
Edith Piaf
Als Edith Piaf 1963 stirbt, ist Madonna gerade mal fünf Jahre alt. Die französische Sängerin schafft es bereits dreißig Jahre vor der US-Amerikanerin, auch ohne inszenierte Nacktbilder oder pseudolesbische Zungenküsse für ein skandalträchtiges Image zu sorgen. Wie ihre ungebrochene Popularität beweist, gelingt es ihr auch, sich in die Herzen der Menschen zu singen.
Ohne ihr Zutun sind schon ihre Geburt und Jugend reif für einen Groschenroman. Als Edith Giovanna Gassion am 19. Dezember 1915 in Paris auf die Welt kommt, der Legende nach unter einer Straßenlaterne, in Wirklichkeit aber doch in einem Krankenhaus, zieht ihr Vater in den Ersten Weltkrieg und überlässt sie der Obhut ihrer Mutter. Die sich jedoch nicht für den Säugling interessiert; während sie sich als Straßensängerin ihr Brot verdient, verwahrlost die kleine Edith in der Obhut der algerischen Großmutter.
Nach seiner Rückkehr nimmt ihr Vater seine Beschäftigung als Straßenakrobat und Schlangenmensch in einem Wanderzirkus wieder auf. Zuerst vertraut er Edith seiner Mutter an, die in der Normandie als Köchin in einem Bordell arbeitet. Als sie sieben ist, beginnt er jedoch, sie auf seine Darstellungen mitzunehmen und singen zu lassen.
Mit fünfzehn zieht Edith nach Paris. Mit einer Freundin singt sie auf Pariser Straßen, gemeinsam schaffen sie es, sich ein ärmliches Hotelzimmer zu leisten. Nach einer Affäre bekommt Edith mit siebzehn ein Kind, das im Alter von zwei Jahren an einer Hirnhautentzündung stirbt.
1935 erfolgt das Schicksalstreffen: Louis Leplée, Besitzer einer der bekanntesten Pariser Nachtclubs, hört sie an einer Straßenecke auf den Champs Elysées und ist so von ihr begeistert, dass er sie engagiert. Der zierlichen, 1,47 Meter kleinen Sängerin verpasst er den Spitznamen "Môme Piaf" (im lokalen Dialekt "kleiner Spatz") und ein Mythos ist geboren. Im Leplées "Gerny's" gerät sie mit ihrer kräftigen, sicheren und emotionsgeladenen Stimme zur Sensation des Jahres. Zu ihren Zuhörern gehören Schauspieler wie Maurice Chevalier und Fernandel.
Kein Erfolg ohne Skandal heißt jedoch der rote Faden in ihrem Leben, und so gerät sie ins Visier der Behörden, als ihr Gönner Leplée 1936 einem Mord zum Opfer fällt. Als unschuldig befunden, schlägt sie sich mit kleinen Auftritten durch, bis sie im Geschäftsmann Raymond Asso einen neuen Förderer und Liebhaber findet. Er ändert ihren Namen in Edith Piaf und bringt sie mit der Pianistin und Komponistin Marguerite Monnot zusammen, eine Verbindung, die bis zum Ende von Piafs Karriere andauert. Er schreibt auch ihren ersten Hit "Mon Legionnaire" und verschafft ihr Auftritte in den renommiertesten Konzertsälen von Paris.
Sie ist am ersten Höhepunkt ihrer Karriere. Während Asso zum Militär muss, schreibt Jean Cocteau ihr und ihrem neuen Lebenspartner, dem Schauspieler Paul Meurisse, 1939 den Einakter "Le Bel Indifférent" auf den Leib. Der Erfolg ist so groß, dass sie ein Jahr später gemeinsam im Kinofilm "Montmartre Sur Seine" auftreten.
Der zweite Weltkrieg kommt und somit die deutsche Besetzung Frankreichs. Zunächst tritt Piaf in den noch freien Gebieten auf, singt später aber wieder in Paris und auch für die Gestapo. Eine Tatsache, die ihre Karriere nicht gefährdet, zumal sie einem ihrer Liederschreiber, dem Juden Michael Emer, zur Flucht verhilft.
Sie fördert auch unbekannte Künstler. 1944 beschafft sie Yves Montand eine Rolle im Moulin Rouge, lässt ihren neuen Liebhaber Henri Contet einige Lieder für ihn schreiben und nimmt ihn in ihr Vorprogramm auf. Zwei Jahre später unterstützt sie die neunköpfige Gruppe Les Compagnons De La Chanson, die ebenfalls einem großen Erfolg entgegen schaut. Während der Zusammenarbeit schreibt Piaf "La Vie En Rose".
1947 ist sie in ganz Europa ein gefeierter Star und beschließt, auf dem US-amerikanischen Markt Fuß zu fassen. Ihr erster Auftritt im New Yorker Playhouse gerät zum Flop, dennoch gelingt es ihr, für eine Woche im wichtigsten Cabaret der Stadt, dem Versailles, aufzutreten. Aus der Woche werden fünf Monate, die sie nicht nur in den USA bekannt machen, sondern auch ihr Leben verändern. Zum einen schließt sie Freundschaft mit Marlene Dietrich, zum anderen trifft sie die große Liebe ihres Lebens, den Boxer Marcel Cerdan.
Cerdan, der aus Casablanca stammt, ist verheiratet und hat Kinder, dennoch entwickelt sich eine stürmische Liebesaffäre, während der sie eine Wohnung in Paris beziehen und Piaf ihn zu seinen Boxkämpfen begleitet. Das Glück findet nach zwei Jahren ein jähes Ende, als Cerdan auf dem Weg zu ihr nach New York mit dem Flugzeug abstürzt.
Sie widmet ihm "Hymne à L'Amour" und fällt trotz ständig wechselnden Liebhabern in eine tiefe Depression, die ihre Karriere jedoch nur weiter ankurbelt: Unablässig tourt sie durch Europa, tritt in den berühmtesten Konzertsälen auf und fördert nebenbei die Karriere des jungen Charles Aznavour.
1951 ist sie Opfer eines Autounfalls, den sie mit schweren Verletzungen überlebt. Zwar heilt sie weitgehend, trägt aber eine Morphinabhängigkeit davon, zu der sich bald Alkoholsucht gesellt. Die ersten fünfziger Jahre gelten dennoch als ihre musikalisch besten, obwohl sie gelegentlich auf der Bühne zusammenbricht und mehrmals Heilanstalten aufsuchen muss.
Auch ihre Affären setzten sich fort. 1952 heiratet sie mit Marlene Dietrich als Trauzeugin den Komponisten Jacques Pills, der für sie "Je T'ai Dans La Peau" mit Gilbert Becaud schreibt. Das Glück währt jedoch nur kurz. Nach vier Jahren lassen sich Piaf und der ebenfalls alkoholsüchtige Pills wieder scheiden.
Anschließend ist sie vor allem mit ihrer Konzerttätigkeit beschäftigt. Sie tritt in Mexiko und Havanna auf, 1956 ist sie die erste Varietésängerin, die ein Gastspiel in der New Yorker Carnegie Hall hat, 1958 tritt sie für drei Monaten am Stück im Pariser Olympia auf.
1959 überlebt sie einen zweiten schweren Autounfall. George Moustaki, der ebenfalls verwickelt ist, schreibt für sie das Lied "Milord". Obwohl stark angeschlagen, gibt sie weiterhin Konzerte und veröffentlicht ihr wohl berühmtestes Lied "Non Je Ne Regrette Rien", das deutliche autobiografische Züge trägt.
1962 heiratet sie den griechischen Sänger Teaphanis Lamboukas und singt vom Eiffelturm aus für eine riesige Menschenmenge. Beides kann die rasche Verschlechterung ihrer Gesundheit aber nicht aufhalten. Anfang 1963 nimmt sie noch "L'Homme De Berlin" auf, bevor sie sich an die Côte D'Azur zurückzieht, wo sie nach mehreren Krankenhausaufenthalten am 11. Oktober 1963 stirbt. Die Beerdigung findet vier Tage später unter Teilnahme von 40.000 Trauernden im Pariser Friedhof Père Lachaise statt.
Ihre Beliebtheit hält ungebrochen über die Jahrzehnte an. Neben einer von Charles Aznavour präsentierten CD, auf der berühmte französische Sänger und Bands Interpretation ihrer Lieder bieten, erscheinen zu ihrem 40. Todestag zahlreiche LPs in restauriertem Zustand. "Eternelle - Les Plus Grandes Chansons D'Edith Piaf" bietet dabei einen guten Einblick in ihr Schaffen.
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