laut.de-Kritik
Freunde von Tortoise sollten hier hellhörig werden.
Review von Daniel StraubAmerika ist das Land der Rocker. Gitarren geben hier noch immer den Ton an. Das können selbst ausgewachsene Electro-Nerds nicht leugnen. In diesem Sinne ist Post-Rock ein Ding, das nur auf dem amerikanischen Kontinent erfunden werden konnte. Da fließt Elektronisches, im Bandformat aufgearbeitet, mit traditionellen Rock-Arrangements zusammen, verstärkt freilich um eine experimentelle Komponente. Das New Yorker Trio Enon zählt sich ebenfalls zu den großen Fusionierern im Grenzbereich zwischen Electronica und experimentellem Rock.
Nach zwei Veröffentlichungen über Albumlänge sowie zwei Maxi-Singles, stellen Enon mit "Lost Marbles And Exploded Evidence" eine feine Zusammenstellung rarer Compilation-Beiträge, vergriffener Singles und exklusiver Online-Tracks in die Plattenläden. Für Fans, die einige der streng limitierten Songs noch nicht in ihrer Sammlung haben, bietet das Album die Gelegenheit, schmerzhafte Lücken ein für allemal zu schließen.
Die eigenwilligen Songs von Enon sind jedoch nicht nur dazu angetan, Fanherzen zu wärmen, sondern sorgen auch bei weniger gut bewanderten Musikfreunden für Wohlgefallen. Vor allem wenn Toko Yasuda zum Mikrofon greift und mit ihrem lieblichen Gesang angenehme Akzente setzt, ist jeder Widerstand zwecklos. "Drowning Appointments" ist ein solcher Song, der mit seiner an Portishead erinnernden Melodieführung voll punkten kann.
In anderen Momenten zeigen Enon ihre dunkle Seite. Die ist geprägt von schwer verzerrten Hip Hop-Beats wie bei "The Nightmare Of Atomic Men", das beinahe beängstigend aus den Boxen drückt. Im nächsten Moment warten dann wieder naive Low-Fi-Arrangements und versöhnen für den vorangegangenen Ausflug in noisige Gefilde. Ein ums andere Mal klingt die Nähe zu den Übervätern des Post-Rock durch: Tortoise.
Was im vorliegenden Falle aber keineswegs negativ zu bewerten ist, schließlich bewahren sich Enon ihre Eigenständigkeit und flirten auf ihre eigene, mal rauhe, mal direkte Art und Weise mit dem Pop, ohne dabei jemals Popmusik zu machen.
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