laut.de-Kritik
Modernes Bardentum mit Keyboard und Gitarre.
Review von Philipp KauseMit sprödem Charme pflegen Fischer-Z das Erbe des New Wave. Der englische Songwriter und Sänger John M. Watts war damals schon aktiv, als aus der Punkrockwelle von '77 neue Musikströmungen hervorgingen. Heute klingt "Swimming In Thunderstorms" dieser Anfangsphase recht nah.
Es ist ein Geschichtenerzähler-Werk. Etliche Ohrwürmer wie das Trompeten-versetzte, weihnachtlich-atmosphärische Schlusslied "Cardboard Street" und "Wary" nimmt man mit. Acht Songs hier sind wirklich super (z.B. "Stamp It Out" und "The Heaven Injection"), vier gut gemacht und nett, zwei eher so mittel, ein bisschen zu holzschnittartig (der Titelsong) oder zu zahm ("Half Naked Girl In The Windowsill"). Auch die schwächeren Songs haben aber beeindruckende Momente. Als Anspieltipp empfiehlt sich "Wary" mit seiner schönen Melodie und rhythmischem Groove. John Watts zeigt sich durch alle Songs hindurch wieder als toller Gitarrist.
Auf eine Reihe politischer und sozialer, biographischer Songs folgt eine Gruppe von akustisch orientierten Liebes-, Frauen- und Lebenserfahrungstracks. "Films With Happy Endings" hat etwas von der Melancholie des alten Liebesdramas "Marliese". "Berlin", "So Long", solche Hits von Fischer-Z punkteten mit ihrem wehmütigen Spin in der Stimme. Die Tonlage von Watts Erzählgesang damals wie auch nun bei "Wary" und "Films With Happy Endings" ist einerseits verzweifelt, zugleich aber souverän die Lage meisternd und flehentlich wartend – wartend auf bessere Zeiten. Schwermut kombiniert Fischer-Z mit harten Gitarren. Wo das in aller Regel gut klappt, ist in den schnelleren Songs.
Kurz wie ein Punk-Kracher hält sich "Prime" mit zwei Minuten 22. "After all this time / from a line of my jungle / in my blood / love is such a dangerous / I ever had" Die wie im südafrikanischen Jive knitternde Lead Guitar und das energische Schlagzeug rufen die frühen Alben der Band Vampire Weekend in Erinnerung. Sie zeigen die Reggae-Herkunft von Fischer-Z. Einst tourte die Band als Support-Act von The Police und Bob Marley.
Orgelklänge setzen auf der Platte manche Abrundung, und in "Right Now" dienen sie gar als tragendes Element. Sie folgen der Harmonie und Akkordfolge von Procol Harums "A Whiter Shade Of Pale" - entfernt klingen Ähnlichkeiten in Stimmung und Dramaturgie an. Es geht um eine Trennung. Ihm ist die Nähe zu viel, sie dagegen fordert mehr Intimität ein. Schlecht fürs Karma, findet er: "I thought I was further down the road to instant Karma.". Diese Schritte "down the road" stolziert die chromatisch abwärts steigende Tonfolge der Orgel in eleganter Lautmalerei.
An manchen Stellen beraubt Watts sich selbst trotzdem der Chance auf eine perfekte Platte. Der Titelsong "Swimming In Thunderstorms" steigt nach etwas Wellenrauschen und ein paar einleitenden Takten mit Nachdruck ein. Der Refrain verschwimmt jedoch leider in belangloser, herkömmlicher "wo-ho-ho-ho-ho"-Radio-Pop-Brühe mit unmotivierten E-Gitarren-Riffs, die weder schön noch technisch gut ausgesteuert klingen. Die derbe Abmischung wird durch weiteres willkürlich eingefügtes Meeresrauschen nicht besser.
Die wummernden Gitarren-Loops in "Stamp It Out" gelingen da viel besser; auch die Scratch-Samples und Verzerrer-Feedbacks dieses Album-Highlights. "Im Namen des Herrn lügen / Lügen ohne Pause", viel mehr Text hat der Song nicht. "Schwarz ist nicht weiß, Falsch ist nicht richtig", heißt es über die Mechanismen diktatorischer Regime-Propaganda. - "Und dann können wir sehr leicht die 1930er Jahre zurück bekommen – und wir alle wissen, was das bedeutet", ätzt Watts am Ende als Spoken Word-Zeile ins Mikro; Ende.
Aufblende: Gitarrengewitter, Snare Drum-Schnattern, ein Song namens "The Islamic American". Fischer-Z folgen einem syrischen Migranten, der, in einer Gruppe, mit einem Menschenschmuggler gen Norden zieht. "Someway, the Americans would like to send us home (…) There is no welcome in the foreign land". Von einem "Scandinavian Protocol" ist die Rede, und Schweden nimmt ja in der Tat fleißig Migranten auf. Fischer-Z aber treibt es um, dass die USA niemanden reinlassen würden. Watts stand schon früher den Menschenrechtlern und Gewerkschaftern nahe - besonders als er in den 80ern Maggie Thatcher im Song "Dark Crowds Of Englishmen" scharf attackierte und in "Further From Love" das Alltagsleben von Menschen im Krieg beschrieb, die nicht fliehen, die in ihrem Land bleiben und leiden.
Auch private Themen gibt es. Der ruhig fließende, zugleich recht schnelle Feuerzeug-Schwenk-Titel "The Heaven Injection" traktiert das Thema 'Unglückliche Liebe'. Watts umschreibt die Sucht nach einer bestimmten Person mit der Metapher des 'Zauberlehrlings', "sorcerer's apprentice" und stöhnt: "I'm so tired, Honey, tired of-a-loving you". Um eine andere Sucht geht es in "Big Wide World", und hierin verbinden sich wohl die sozialpolitischen und privaten Themen. Es ertönen hier und auch in "Stolen" eine Jahrmarkts-/Kirchweih-Orgel und die Wave-typischen düster klingenden E-Gitarren. Der Abschlusssong "Cardboard Street" überrascht mit einer cremigen, süßen Hookline und den liebevoll zarten Bläsersätzen.
Fischer-Z touren mit dem Album im Herbst durch Deutschland. Es ist anzunehmen, dass die inhaltsreichen Songs dann einigen Anlass zu den Watts-typischen Bühnenansagen geben. Der Mann hat zum Glück die Modulation in der Stimme, um mit Falsett, kehligem Röhren, heiserem Krächzen, charismatischem Näseln oder betont schief sitzend, mal punkig und mal ganz 'normal' zu singen. Obwohl auch wir sie hier schon verrissen oder angezweifelt haben: Der Name Fischer-Z steht bis heute für eine relevante Band mit hohem Unterhaltungswert. Die Vielfalt der Stimmungen auf "Swimming In Thunderstorms" und die Palette an Themen, Rhythmen und Instrumentierungen sorgt auch jetzt wieder dafür.
3 Kommentare
Die Band mit dem nerdigsten Namen.
Fischer-Z‘s „Red Skies Over Paradise“ sollte ein Meilenstein bei laut.de werden.
Wow, ein tolles Album. Nach den ersten zwei oder drei Liedern dachte ich noch, dass das alles doch recht lahm ist. Die Vielseitigkeit ist aber bemerkenswert und die Qualität der Liefer entfaltet sich erst nach dem zweiten oder dritten Durchhören. Normalerweise bin ich ja recht skeptisch, wenn mal wieder eine Band von früher ein Revival macht. Dieses Album ist jedoch eine echte Bereicherung der aktuellen Musiklandschaft.