laut.de-Kritik

Schwarze Kartonage mit Schwächen.

Review von

Der Berliner Rap-Star Fler hat am Freitag sein neuestes Produkt veröffentlicht: Eine Box namens "Widder" mit Sachen darin. Im Vorfeld zum Release gab es einen vom Künstler geschickt eingefädelten Promo-Stunt auf der Video-Plattform YouTube, in dem wesentliche Inhalte bereits geleakt wurden. Unabhängige Experten errechneten aus der Aktivität in der Kommentarspalte ein hohes Maß an Kundeninteresse. Was also ist die "Widder"-Box?

Es beginnt mit der Box selbst. Diese kommt in einem handlichen Format von 22 x 22 x 6 cm (B x H x T), ausgeführt in elegantem Pappdeckel in Matt-Schwarz, der mit einer partiellen UV-Lackierung für die in Rot aufgebrachten grafischen Bestandteile auf der Vorderseite aufwartet. Zu sehen ist ein stilisierter Schafs-Kopf, der Namenspatron einerseits ist, und andererseits – ein erster Kunstgriff – bereits einen besonders exklusiven Inhalt smart anteasert.

Darunter steht in überbreiten Versalien das Wort "Widder". In der deutschen Typografie-Szene lange als No-Go erachtet, setzt der unbequeme Künstler hier bereits einen Akzent, indem er mit einer sogenannten "gebrochenen Schrift" arbeitet. Kenner seines Katalogs raunen es bereits: Das darf neben dem Zeitgeist natürlich auch als Rückgriff auf Patrick Losenskys augenzwinkerndes Spiel mit nationalsozialistischer Symbolik aus seinen Anfangstagen gelesen werden.

Wir öffnen den Karton – ein Erlebnis: Das Anheben des Deckels geht nicht plump vonstatten. Vielmehr entsteht aus dem Zusammenspiel von Reibung und dem hauchdünnen Luftpolster ein hochwertig anmutender, gedämpfter Verzögerungs-Effekt, wie man ihn von Schubläden aus Küchen im höheren Preissegment kennt, Stichwort "Soft Close". Elegant.

Nun stellt sich zum ersten Mal Ernüchterung ein: Anders als man es inzwischen sogar von Adapter-Bootlegs aus Fernost gewohnt ist, liegen die einzelnen Inhalte der "Widder"-Box mehr oder weniger lose in selbiger. Speziell gestaltetes Inlay? Formgegossene Compartments? Fehlanzeige. Immerhin: Die Box eignet sich so als Aufbewahrung für zum Beispiel Kabel oder Haargummis.

Es betritt die Bühne: Das one-size-fits-all T-Shirt. Ein schwarzes, qualitativ hochwertiges Stück Sommermode, das auf der Vorderseite noch einmal das eingangs beschriebene "Widder"-Key Visual in einem detailreichen, großen Silber-Frontdruck präsentiert. Auch das Shirt selbst fällt reichlich groß aus, was vor allem jüngere Fler-Fans, des XL-Looks vergangener Tage womöglich unkundig, modisch vor Herausforderungen stellen dürfte.

Mangels Funktionstextilie eignet sich das Shirt auch nur bedingt als First Layer etwa für Bergtouren. (Ob und wie die dort ansässigen Paarhufer auf den Front-Print reagieren, müsste Gegenstand einer eigenen Untersuchung sein.)

Next up: die 50 cm lange "Tennis Chain", handgearbeitet von einem in der Schweiz ansässigen Modeschmuck-Hersteller. Wir hatten leider nicht das Glück, ein Exemplar der superlimitierten Sonder-Edition mit Widder-Anhänger zu ergattern. Doch auch die Standard-Ausgabe der Kette funkelt dank der Weißgold-Beschichtung stattlich und gibt einem ein ausgewogenes Gefühl von Sicherheit und Status in den Straßen. (Nur innerorts getestet.)

Der nächste Inhalt ist ein "classic". Ein Erfolgsgarant, der schon Generationen erfreute, lange bevor es Boxen gab. Die Rede ist, na klar, vom Poster: Der Star im hochaufgelösten CMYK-Druck und zeitgemäßen Quadrat-Chic, posierend in einer Tiefgarage, interessiert nach rechts blickend. Das ist stark. Der Wermutstropfen: Schachtelbedingt kommt das aufwändige Artwork mehrfach gefaltet daher.

Auch dieser Box liegt wieder eine Audio-CD bei – eine Doppel-CD, um genau zu sein. Umverpackt ist das schützende Jewel Case mit einem zum Look der Box passenden Kartonschuber, der neben der Tracklist noch weitere Informationen bereithält und daher nicht entsorgt werden sollte. Das Polycarbonat selbst ist zwar nicht Weißgold-beschichtet, korrespondiert glanztechnisch aber eindeutig mit der Tennis Chain. Hier wurde mitgedacht, klasse.

Auf dem Tonträger finden sich in Summe 19 Musikstücke, die Titel tragen wie "Horoskop", "Neonlicht" oder auch "Patek", letzteres ebenfalls ein Schweizer Unternehmen. Zu hören sind dort zahlreiche Wortbeiträge von Fler – überwiegend breitwandige Sujets auf einer qualitativ hochwertigen Produktion, wodurch inhaltlich und stilistisch eine Brücke zum beiliegenden Unisize-T-Shirt geschlagen wäre. Smart.

Vereinzelt ist Kommentaren aus dem näheren Umfeld des Künstlers zu entnehmen, dass die Hörerschaft erst im Laufe der kommenden Jahre die kognitiven Fähigkeiten erworben haben wird, die Tragweite der Audiospuren korrekt einzuordnen. Dies wird die Zeit zeigen müssen – einen Abbruch an der Freude mit der Box tut dies indes nicht.

In Summe kann man die "Widder Box" als gelungenen Artikel bezeichnen, wenngleich sie im Detail doch mit nennenswerten Schwächen zu kämpfen hat. Hier gibt es Punktabzug. Eine Alternative für Preisbewusste könnte daher die – ebenfalls schwarze – Schachtel zu "Flizzy" aus dem Jahr 2018 sein, welche aktuell für rund 20 Euro weniger angeboten wird und mit einem nicht minder attraktiven Sortiment aufwartet.

Trackliste

  1. 1. Vibe 2.0
  2. 2. Widder
  3. 3. Boring
  4. 4. Horoskop
  5. 5. Sie Weiss Wie
  6. 6. Patek feat. Farid Bang
  7. 7. Goat
  8. 8. Bad Lamborghini
  9. 9. Light Up The Night
  10. 10. Modelface
  11. 11. Jojo
  12. 12. Sporty
  13. 13. Kein Weg Zu Weit feat. Kollegah
  14. 14. Eines Tages feat. Bass Sultan Hengzt & Sido
  15. 15. Neonlicht feat. Takt32
  16. 16. Tec-9 feat. Bass Sultan Hengzt & Level
  17. 17. Ambylight
  18. 18. Corner feat. Prinz Pi
  19. 19. Drinks & Clout feat. Bass Sultan Hengzt

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