laut.de-Kritik
Ton und Bild verschmelzen zu einer stimmigen Einheit.
Review von Simon LangemannWas macht heutzutage eigentlich eine gute Live-DVD aus? Kamerafahrten über die jubelnde Menge, eine eindrucksvolle Lightshow? Alles schon gesehen. Um so schwerer fällt es, mit einem herkömmlichen Konzertmitschnitt aus dem Gros an Veröffentlichungen herauszuragen. Gerade als junge Band ohne fest einkalkulierbare Käuferschaft bedarf es daher mindestens einer originellen Idee.
Das gilt auch für die Hamburger Band Fotos, die mit "Porzellan Live" die audiovisuelle Umsetzung ihrer letzten Studioplatte präsentiert. Für die Aufzeichung sperrten die vier Nordlichter das Publikum Ende August 2011 einfach mal aus und sich in einen großzügigen Saal: das Alte Theater in Magdeburg.
Das von Radioheads "From The Basement"-Reihe inspirierte Konzept mag auf den ersten Blick als seltsam oder gar feige erscheinen, entpuppt sich beim Genuss der DVD aber als völlig logische Konsequenz des auf "Porzellan" eingeschlagenen Weges.
Denn nach zwei durchaus tanzbaren Alben regierte auf dem Drittwerk von 2010 ein über weite Strecken düsterer Sound zwischen Hamburger Schule und Shoegaze, gespickt von Hall- und Tremolo-Effekten. Anders gesagt: Das Quartett schrieb elf Lieder, die zwar mitnichten nach einer Performance auf der großen Bühne schreien, wohl aber das Potenzial mitbringen, sich live noch weiter zu entfalten.
"Beim Klang des Albums ging es nie um Stadionattitüde, sondern darum, Leere hörbar zu machen", blickt Sänger Tom Hessler auf die Aufnahmen zurück, die gemeinsam mit Produzent Olaf Opal (The Notwist, Liquido, Sportfreunde Stiller) in einem ehemaligen Bunker stattfanden. Gerade dieses Vorhaben geht auf der DVD natürlich noch besser auf. Halleffekte geraten in Verbindung mit dem visuellen Eindruck eines dunklen Raumes deutlich wirkungsvoller als auf dem iPod-Kopfhörer.
Noch schlüssiger erscheinen im im Kontext des Livesounds auch die Arrangements. Gerade wenn sich - wie etwa beim Titeltrack oder dem großartigen Closer "Wellen" - die aufgebaute Spannung in großflächigen Gitarrenwänden entlädt, deren Urgewalt stellenweise an die Deftones erinnert.
Neben der eigenen Sound- und Lichtcrew habe das Quartett mit einem befreundeten Filmteam zusammengearbeitet, betont übrigens der Pressetext. Regie, Schnitt und Mix blieben dagegen "in den Händen der Band." Und das Konzept zahlt sich aus: Jeweils in hervorragender Qualität aufgezeichnet, verschmilzen die Elemente Ton und Bild auf "Porzellan Live" zu einer stimmigen Einheit.
Dass das Vergnügen nach neun originalgetreu wiedergegebenen Tracks schon wieder sein Ende findet, verzeiht man der Band allerdings nur unter Berücksichtigung des außergewöhnlich günstigen Preises. Zu gerne wäre man noch etwas länger im sparsam, aber äußert wirkungsvoll ausgeleuchteten Raum verweilt und hätte das Geschehen anschließend aus der Making Of-Perspektive betrachtet.
Dennoch hinterlässt "Porzellan Live" neben einer Handvoll angenehmer Ohrwürmer und Erinnerungen vor allem einen erfrischenden Eindruck: An der grauen Masse der typischen Live-DVDs winden sich Fotos gekonnt vorbei.
Noch keine Kommentare