laut.de-Kritik
Schulmädchen-Report für Hörer im Teenie-Alter.
Review von Artur SchulzNach den früh versandeten Debbie Rockt! suchen die Plattenfirmen weiter nach einem weiblichen Pendant zu den Kaulitz-Glimmer Twins. Am besten: Noch frecher, noch rotziger, noch Teen-befindlicher.
Die vermeintlichen Anarcho-Girlies von Fräulein Wunder entpuppen sich jedoch umgehend als stilloses, fast ärgerliches Lieblosprodukt. Die Zielgruppe des Mädel-Vierers rekrutiert sich fraglos aus ahnungslosem Jungvolk, möglichst unbeleckt von etwaigen pop-historischen Vorkenntnissen, um ihnen uralten Grabbeltisch für brandneuestes Orsay zu verkaufen.
Los geht's mit Rita Pavone. Who the fuck ist Rita? Nun, eine in Deutschland erfolgreiche italienische Schlagersängerin, die 1963 ihren größten Hit landete: "Wenn Ich Ein Junge Wär", von Nina Hagen einmal in den Achtzigern gecovert. Das History-Fleddern mangels eigener Ideen geht also schon bei der ersten Single-Auskopplung los. Freilich handelt es sich beim Fräulein-Werk kompositorisch und im Haupttext um ein komplett anderes Werk - doch welch ein Zufall, was den Song-Titel betrifft!
Textlich wühlt der Song in allen nur greifbaren, platten Klischees: "Ich hab die Hand in meiner Hose / Ich kauf mir Playboy / Saufe Bier / Und wenn wir Grössenvergleich machen / Haben die anderen nichts zu lachen". Gut, mag vielleicht nicht bierernst gemeint sein. Doch lässt es stark vermuten, dass da wenig Ahnung von tatsächlichen Jungs vorherrscht. Am Ende taucht mit dem Textstück "Weil ich's viel geiler find, dass ich ein Mädchen bin" erneut Bekanntes auf. Genau: "Weil Ich Ein Mädchen Bin" war der einzige Hit der heute als Üebermutter gestrandeten Luci van Org.
Kräftig von gestern also diese vermeintlich neue Verpackung - ebenso wie der Bandname. Das berühmte originale "Fräuleinwunder" aus deutschen Landen fand ebenfalls in weit zurückliegenden Republik-Jahrzehnten statt. Ebenso wie musikalisch die Nummern "Jeden Tag" und "Beiss Mich": Hier grüßen altbekannte Ideal-Stakkatos der Marken "Erschießen" und "Berlin". Hat die sonst geschmackssichere Annette Humpe deshalb bei der Alben-Produktion mit Hand angelegt? Zu Punk-imitierenden, schlichten Gitarren-Akkorden kreischt Chanty, mit Ohr-schmerzenden Kieksern ausstaffiert: "Beiss mich / Beiss mich / Schmeiss mich an die Wand" bis hin zur Erkenntnis: "Ich bin ein wildes Tier", samt unterstützendem "Katze! Katze! Katze!"-Restband-Chor.
In "Hey Hey" gibt's weiter kräftig aufmüpfiges Jugendzimmer: Zu "Wir zertrümmern die Welt / Die uns gefangenhält" stehen auch bereits die Hilfsmittel zur Hand: "Wir spielen mit dem Feuer / Wo ist das Benzin?" Streichholz nicht vergessen, Chanty. Noch mehr überflüssiges Gestern klingelt ohnehin ständig durch Hinterhof-Schlagzeug und E-Gitarren-Abnudeligkeiten, auf jedem Alben-Meter genügend Stolperstellen.
Nena-Stil-Zitate lauern ständig - dargeboten mit der nuscheligen Kerner-Nichtsing-Technik, die Chanty trefflichst fortführt, getoppt von augenfälligen Schludrigkeiten in Sachen Aussprache. Ein "Bier" mutiert schon mal zum "Biea", und "hernieda" steigt so mancher Band-Song. Passt doch: Uwe Fahrenkrog-Petersen, einst Mitstreiter bei der NDW-Heulboje, ist als Produzent ebenfalls mit von der Krawall-Partie.
Im karaoke-lyrics.net kursiert ein eingereichter Text von "Wenn Ich Ein Junge Wär": Die dortige Einsenderin lässt den Lyrics-Happen "Ich würd (...) mir den Verstand amputieren, tätowieren" prachtvoll als "... bin Verstandappotiert tetowiern" erstrahlen. Na also: Zielgruppe eindeutig erreicht!
79 Kommentare
Das ist für mich das einzig wirklich Ärgerliche am Tokio Hotel'schen Erfolg: Dass die Plattenfirmen meinen, krampfhaft nach einem weiblichen Pendant suchen zu müssen. Dabei sollte irgendwann vielleicht mal irgendwem auffallen, dass der Erfolg von Tokio Hotel zu einem großen Teil damit zu tun hat, dass sie eben nicht weiblich sind.
Oder versucht man, nun die Jungswelt als Zielgruppe für Fräulein Wunder und Konsorten zu gewinnen? Allerdings fürchte ich, dass die gewisse Identifikationsprobleme mit den Texten haben könnten...
@kajsa747 (« Das ist für mich eigentlich das einzig wirklich Ärgerliche am Tokio Hotel'schen Erfolg: Dass die Plattenfirmen meinen, krampfhaft nach einem weiblichen Pendant suchen zu müssen. Dabei sollte irgendwann vielleicht mal irgendwem auffallen, dass der Erfolg von Tokio Hotel zu einem großen Teil damit zu tun haben könnte, dass sie eben nicht weiblich sind.Dass die Plattenfirmen meinen, krampfhaft nach einem weiblichen Pendant suchen zu müssen »):
Sehe ich nur doppelt oder wiederholst du dich wirklich?
PS: Mal wieder ein Thread, der alle Pseudo-Experten anlockt, die dann ihrem Frust hier freien Lauf lassen
Ah, sorry, wird gleich ausgebessert. Hab gewisse Probleme mit meinem Browser. Danke für den Hinweis!!!
@Sudoko (« Wobei es keine Jungen gibt die Mädchenbands toll finden. »):
Optisch!?
Naja,musikalisch gesehen interessiert sich doch keiner für die genannten Bands heutzutage.
ganz genau! ich find ihr solltet die armen mädchen mal in ruhe lassen, die seh'n viel zu gut aus! is doch egal wie die musik is, man kann ja auf lautlos stellen, wenn man die videos guckt;-)