laut.de-Kritik

Willkommen im Untergang, mehr wird es nicht geben.

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Er trug es schon immer in sich. Mit Songs wie "Weil ein Schlager vergeht" oder "Hände weg von Allem" versprühten die ersten beiden Fuzzman-Alben bereits latente Klassiker-Vibes. Ein, zwei Hits vom selben Kaliber fehlten damals zum Meilenstein. Diese 'Schwäche' hat der avantgardistische Neo-Folk-Schlager-Chanson- und Ex-Grindcore-Naked Lunch-Sänger Herwig Zamernik auf "Willkommen im Nichts" nun ausgemerzt. Und womit? Mit schweren Gedanken, wie so oft.

In der deutschsprachigen Musikkultur schwingen sich die KünstlerInnen ja grundsätzlich in luftige Höhen auf, wenn sie, wie Udo Jürgens es einst bei "Manchmal hass ich mich" ähnlich formulierte, in ihren dunklen Stollen tiefe Gedanken schürfen gehen, wenn sie der Melancholie am Meer oder dem Weltschmerz in den Bergen dankbar nachgeben. Fuzzman wählt letzteres, "möchte in die Tannen gehen" wie Lindemann und suhlt sich in der Ausweglosigkeit zwischen unergründlichen Wäldern und hängengebliebenen Dorfgemeinschaften.

Im "Nur Krieg für dich"-Opener nimmt der in Wien geborene, aber in Kärnten aufgewachsene Fuzzman das gesamte katholische Glaubensfundament seiner Heimat auseinander. Über eine an Coldplay- oder Snow Patrol erinnernde Hymne erklärt den "Tyrannen des Lichts" den Krieg. Als vernunftgetriebener Atheist kann er selbst keine Sünde vergeben, keinen in der wohliger Sicherheit Gottes wiegen. Bei ihm heißt es dagegen: Willkommen im Untergang, mehr wird es nicht geben. Mehr kann ich euch nicht geben. Alles ist vergänglich. Wie sagte Jon Snow sinngemäß noch, als er von den Toten aufersteht: "Da war nichts, nur Dunkelheit."

Das folgende "Kein Glück" setzt als Klavier- und Streicher-getriebene Ballade wieder am besagten Brit-Pop an, dessen musikalische Leichtigkeit wunderbar mit der härteren deutschen Sprache und Fuzzmans nahbarer Poesie über den Sinn des Lebens harmoniert - ohne flach oder beliebig zu wirken. Wenn man genau hinhört, zwängen sich auch immer wieder kleine Disharmonien in die Zwischentöne, um dann ab Minute zwei wie einst Steven Van Zandt die wehmütigen "The River"-Uuhs anzustimmen.

"Die letzten Idioten" spielt mit Schneebesen-Snare und Country-Groove im klassisch-konservativen Milieu, kanzelt dieses aber rotzig als "letzte Idioten" ab. Mögen doch all die Gestrigen und Propheten aus dem Ort verschwinden, an dem Bergmensch und Festival-Organisator Fuzzman seine Seele baumeln lässt. Es wäre doch "so einfach, wenn wir die letzten Idioten wären". Fuzzman ist zum Schluss doch einer von ihnen, nur anders.

Er zweifelt und ringt mit sich. Mal markiert er in "Am Überleben" den hoffnungsvollen Westernhagen zu "Lass uns leben"-Zeiten. Dann sitzt er in Gedanken versunken am Klavier wie die Proletarier-Version von Udo Jürgens und singt an seine Fans wie es sein österreichischer Landsmann oft so wunderbar tat: "Ihr habt mir vertraut, obwohl es die Wahrheit doch nicht gibt."

Und während noch Zeilen wie "Der Schrecken endet dort, wo man verzeiht" ganz eng umklammert, ballert der Ex-Grindcorler einem die Coverversion des kürzesten Songs aller Zeiten von Napalm Death um die Ohren: "You Suffer". Es wirkt wie ein kurzer Blitz, der einen per Reality Check wie Corona oder Ukrainekrieg aus dem so wohligen, selbstmitleidigen Jammertal holt.

Kapitalismuskritik ist jetzt angesagt, mit Superpunk-Anleihen auf "Aber nein". Denn Fuzzmann ist bei aller Melancholie und rebellischem Individualismus kein grübelndes, lebensunfähiges Genie, er kritisiert vielmehr "Die Verworrrenen", die Novalis den Geordneten einst gegenüber stellte. Fuzzman lebt im Hier und Jetzt, sitzt stabil auf der Bank vor seiner Hütte in Kärnten, während die jungen Menschen in die große Stadt ziehen, ist aber immer da, wenn jemand von ihnen eine Bleibe braucht. ("Komm wir drehn noch eine Runde").

Doch irgendwann auf dieser Bank in seinem "Südland" am unteren Ende von Österreich, "wo im Abendrot noch die Schwermut tobt", schweifen die Gedanken doch wieder ab, während der Beat schwoft und schunkelt. Der Zweifel kehrt zurück. "Im Süden ist nur einsam, wer nicht ganz dazu gehört. Vielleicht habe ich mich deshalb so allein gefühlt." Fuzzman ist einer von ihnen, von Udo bis Bruce. Er teilt das Los der ganz großen Künstler auf diesem wunderbaren Werk: Mitten in den einfachen Menschen zu stehen, ohne einer von ihnen zu sein.

Trackliste

  1. 1. Nur Krieg für dich
  2. 2. Kein Glück
  3. 3. Die letzten Idioten
  4. 4. Am Überleben
  5. 5. Mein Südland
  6. 6. Schrecken
  7. 7. You Suffer
  8. 8. Komm, wir drehn noch eine Runde
  9. 9. Aber nein
  10. 10. Die Verworrenen
  11. 11. Einer von mir

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