laut.de-Kritik
Alles Tröt und Bling-Bling wären nichts ohne gute Songs.
Review von Sven KabelitzZwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune. Gabby Young macht sich die Welt, widewide wie sie ihr gefällt.
Zusammen mit ihren Other Animals mag sie diese auf ihrem zweiten Release "The Band Called Out For More" weiterhin kunterbunt und leuchtend. Sie liefert den perfekten Soundtrack zu einem Terry Gilliam-Film à la "Das Kabinett des Dr. Parnassus" oder einer Salon-Karussell-Fahrt durch vergangene Zeiten.
Der Schimmer von Gypsy-Folk, Punk-Kabarett, Polka und die ganz große Oper dienen als Bühne, auf der sie atemberaubende Lieder präsentiert. Während es sich The Dresden Dolls und die überschätzte Florence Welch auf der dunklen Seite des Kabaretts gemütlich machen, stellt sich Gabby Young mit ihrem Getier dem leuchtenden Licht. Der ganz große Zirkus.
Bereits die farbenfrohe Verpackung bereitet den Hörer auf den verspielten und ausgefallenen Inhalt vor. CD und das leider überschaubare Booklet liegen in einem gefalteten Kaleidoskop aus Trompeten und Schmetterlingen verborgen. Zum Glück wird die Anleitung zum Zusammenfalten mitgeliefert. Den Käufern der Download-Version geht hier etwas verloren.
Gleich zu Beginn schäumt "The Band Called Out For More" über. Der prickelnde Schampus der Vorabsingle "In Your Head", ein frenetischer Circus-Swing, geht sofort in Beine und Ohren. Galant öffnet der Track die Tür zum Album und heißt willkommen. Bitte geben sie alle Zurückhaltung am Eingang ab. "It’s just paranoia taking over"
Schwuppdiwupp folgen wir dem weißen Kaninchen immer tiefer in seinen Bau. Den verrückten Hutmacher zur linken, Grinsekatze zur rechten erblicken wir die grünen Wiesen von "Walk Away", auf denen Gabby Young mit allen Blüten ihrer klassisch ausgebildeten Stimme spielt. Zuvor gilt es aber zuerst, sich aus der kreisrunden Eingängigkeit des Goldfischglases ("Goldfish Bowl") zu befreien.
"Neither The Beginning Nor The End" ist Magie. Zu der verträumten Melodie einer Spieldose und dem staubigen Ächzen einer Pendel-Uhr tanzt sich Ballerina Young durch alle Windungen dieser Glanznummer. "I'm A Grandfather Clock... And I Will Tick, I Will Tock." Ein ganz besonderer Moment auf einer ganz besonderen Platte.
"People say I say too much / Give away way too much / But I think that’s much better than being closed... / There are many wonderful places to hide / If you open up your heart." Zu der lebensbejahenden Botschaft von "Open" lässt die Sängerin die Bläser ihrer Other Animals im Sinti-Brass-Style groß aufspielen. Ein Kinderchor komplementiert die ganze Chose. "Every story is worth a song... / So please open up your heart"
Einen ruhenden Gegenpol zu all den Ausschweifungen bietet der bedächtig schwankende Dreivierteltakt von "Honey", in dem sich Gabby Young als verschrobene Version einer Regina Spektor oder Leslie Feist zeigt. "Why are you God in the morning / But you're Hades at night?"
"Horatio" kippt von einer Stimmung in die nächste. Einem geflüsterten Intro folgt die schweißtreibende Ankunft einer Mariachi-Band. Doch schon die nächste Abzweigung in Richtung Refrain tanzt ungestüm durch Wild Bills Westernsaloon. Zu einem solch wilden Getümmel fällt selbst David Caruso kein passender One-Liner mehr ein. Pikiert zieht er seine Sonnenbrille auf und verlässt den Ort des Geschehens.
Ähnlich wie der Vorgänger "We're All In This Together" ist "The Band Called Out For More" ein wunderliches und lebendiges Album mit seinem ganz eigenem Zauber. Doch all das Tröt, all das Bling-Bling, all das Tschingderassabum wären nichts, würde sich unter deren Oberfläche nicht famoses Songwriting, Geschick und Courage verbergen. This Fan Calles Out For More.
2 Kommentare
Vorgänger war super, das hier ließt sich gut - bin sehr freudig gespannt (und erwarte natürlich auch ganz gut was nach diesen Vorschusslorbeeren)
tolle platte und tolle review, herr kabelitz