laut.de-Kritik
Wohin mit der Frustration?
Review von Anastasia HartleibRäumen wir zunächst mit den Verwirrungen auf: Ja, Galv & Fuzl haben ein Album namens "Tapito" gemacht. Allerdings schon 2015. Dass das Beattape kurz vor dem Release ihres neuen Gemeinschaftswerks "Dito" ebenfalls auf Bandcamp und bei den bekannten Streaming-Diensten auftaucht: unglücklich.
Aber pünktlich zum Nikolaus haben die beiden Dogtown Boys ja tatsächlich eure digitalen Stiefel gefüllt und - wie angekündigt - eine vierzehn Songs starke Scheibe dagelassen. Ist die allerdings so gut, wie es die erste Vorab-Single "Power" vermuten ließ?
Die Antwort darauf lautet wohl am ehesten "Jein". Auf der Ja-Seite stehen eindeutig Fuzls Produktionen. Der Wahl-Wiener mit Rottweiler Wurzeln frickelt durchweg erstklassige Beats zusammen. Die schaffen eine warme und angenehme Atmosphäre, die viel Abwechslung bietet. Ausgehend von klassischen Boombap-Gefilden, erklimmt Fuzl mal spannende Trap-eske Geschwindigkeiten wie in "Cortez", nimmt hier und da ein warmes Bad in soulig-funkigen Gewässern und chillt mit dem "Zirkustier" am Strand der 90er.
Seine Höhepunkte erreicht der Beatmaker allerdings mit "Hasta El Cielo" und "Kilimanjaro". Während letzterer mit dem jazzigen "Space Traveler" von James Vincent aus dem Jahre 1975 öffnet, mit warmen Bläsern lässige Sonntags-Stimmung aufbaut, sich in Sphären verläuft und zu einer Art House-Ambient-Nummer wird, besticht "Hasta El Cielo" mit seinem Off-Rhythmus, der den perfekten Sparring-Partner für den Offbeat-Meister höchstpersönlich bietet.
Galv liefert auch auf "Dito" seinen unnachahmlichen Flow. Er springt von Zeile zu Zeile, von Wort zu Wort, als sei er ein leichtfüßiges Känguru und lässt seine Zuhörer einmal mehr in Gesellschaft der Frage zurück, wie er das verdammtnochmal macht. Es macht Spaß, seinem Flow hinterher zu hören und den melodischen Spielereien zu folgen.
Inhaltlich sieht das Ganze schon etwas anders aus. Auf "Shigeo" trat Galv noch als der unaufhaltsame Hans im Glück auf, der seine kreative Büchse der Pandora in den Händen hielt. Absurd-sympathische Lines fanden auf den Gipfeln ihrer Unsinnigkeiten immer diesen kleinen Funken Klarheit, der stets eine ganz neue interpretatorische Ebene aufzumachen schien.
Man hört diesen Galv noch, in "Funky Time", das mit dem Retrogott, Kwam.E und DJ Crypt keine absolute Neuheit präsentiert, allerdings trotzdem verdammt gut unterhält. "Leute fragen: Wann triffst du den Nerv der Zeit? Will ich nicht, denn der Nerv, der Zeit, der nervt derzeit!" Narration trifft auf Wortspiel trifft auf Aktualität, urige Hip Hop-DNA und kalt servierte (in-)direkte Punches. Entertainment pur.
Der Galv, der sich auf "Dito" hauptsächlich präsentiert, ist aber vor allem eins: angepisst. Es wirkt ein bisschen so, als habe sich der Komet von den drei Monden in seinen Highs verlaufen und sei dabei ein bisschen zu nah an die Sonne gekommen. Er wirkt angeschlagen und weiß nicht so richtig, wohin mit der Frustration. Es wird viel geredet, von Pillen und Gras für Highs, von Toys - und von "Weibern".
Dass derselbe Kerl, der Lines wie "schau' dir diesen Rap doch mal an - Konfliktbelastet wie das Westjordanland" spittet und die "Eintagsfliege" fragt, was sie mit 'ner "Zeitmaschine" will, dass derselbe Kerl auf dem gleichen Album auch Lines wie "Ist die Bitch lazy im Bett, dann bekommt sie einen Strafstoß" zum Besten gibt, erscheint bestenfalls rätselhaft, schlechtestenfalls ignorant und unreflektiert. Letztere sind Wörter, wie man sie eigentlich nicht mit Galv in Verbindung bringt, der sonst kluge und unterhaltsame Filme in den Köpfen seiner Hörer abspielen lässt.
Der Film im Kopf, er will mit "Dito" nicht so richtig anlaufen. Trotz des großartigen Settings, das Fuzl liefert, den stimmig ausgewählten Featuregästen und des riesigen Talents, das der Hauptdarsteller eigentlich zu bieten hat.
3 Kommentare mit 8 Antworten
Shigeo war klasse und macht immer noch Spaß hat sich aber höchstwahrscheinlich nicht gut verkauft.
Dann probiert man halt etwas anderes!
Ist legitim aber steht ihm nicht 3/5 geht klar
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, waren die Aufnahmen zu Dito schon vor Shigeo-Release abgeschlossen, an diesen Zahlen kann es also eigentlich nicht liegen. Soo deutlich finde ich den Stilwechsel auch gar nicht, aber dazu mal später mehr.
Seine Einlassungen zu Frauen sind auf jeden Fall eine Erwähnung wert. Schon seine Aussagen dazu in eurem Interview kamen mir ehrlich gesagt eher übersichtlich reflektiert vor. Neben der genannten Strafstoß-Line (vom sonst eigentlich famosen Dogless Bone) finde ich das vor allem auf Pussy recht unappetitlich. Der Track gefällt mir auch im Ganzen nicht und ist mMn der Tiefpunkt der Platte.
Davon ab wirkt die auf mich jetzt aber nicht übermäßig bitter oder gefrustet. Also gut, er sagt bestimmt ein bisschen häufiger „Du“ als bisher. Weil Shigeo sich aber eher am heitern Ende meines Toleranz-Spektrums bewegt hat, finde ich diese Battlerapisierung eigentlich durchaus begrüßenswert Und solange sein Flow so eigenwillig bleibt (hab ich Hasta El Cielo schon mal erwähnt? Alter!), besteht mMn auch keine Gefahr generisch zu werden.
tl, dr: Finde das Album gut bis sehr gut. Zählt für mich auch zu den Highlights dieses Jahr. 4/5 für den Moment.
Ich wollte es mir letztens aufgrund deines Kommentars anhören, gab es aber nicht bei Spotify. Bei YouTube dann Mal in ne Single reingehört, ist schon ganz nice, aber ich glaub ich fand shigeo besser... Bin aber auch voll der ganze-Alben-Hörer, deswegen schade.
Aber bin dann über ein dltlly-battle (on beat) gestoßen zwischen ihm und Schote, da liefert galv ordentlichst ab.
https://youtu.be/WDxHLb71RF0
Ja, das Battle ist super, besonders Galvs zweiter Verse.
„Mein Produzent ist Ennaka, Ennaka ist mein Produzent - was ändert das?! Du bist der einzige, der aus einem 100%igen Hit-Beat von Ennaka keinen Banger macht“
Bzgl. Dito würde ich gerade dir als Battle-Fan eig. schon auch einen Kauf ans Herz legen. Kann mich natürlich täuschen, aber ich glaube irgendwie nicht, dass es dir weniger gefällt als Shigeo.
Bin deinem Rat gefolgt, nur um ein paar Tage später festzustellen, dass es jetzt doch bei Spotify ist, naja, gibt verkehrteres als dieses Projekt zu unterstützen. Ist auch ziemlich gut, aber für mich nicht unter den Jahreshighlights. Vielleicht wächst es auch noch, zumindest habe ich an dem Album nichts zu bemängeln und das ganze erst einmal gehört.
Haha, oweia Dann sry dafür! Naja, vielleicht erhöht sich durch den Kauf ja jetzt die Rotationsmotivation und es dreht sich noch fest Aber gut, ich will es jetzt auch nicht total zum Meisterwerk hochjazzen, ist halt einfach ein gutes Rap-Album mMn.
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Ein bisschen zu viel vom Peyotl genascht?
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.