laut.de-Kritik
Ungezügelte Wut, genau richtig kanalisiert.
Review von Gil BielerBlastbeats, Blasphemie, Growls und Geschredder: Alle paar Jahre öffnen Goatwhore die Tore zu ihrem unheiligen Tempel. Es müsste schon mit dem Herrn im Himmel zugehen, würden Metalheads kein Ohr riskieren. Die Vierertruppe aus New Orleans vereint das Beste aus Black, Death, Thrash, Sludge und allem drum herum. Also für jede und jeden was dabei, die Poison nicht für die härteste Band der Welt halten. Ach ja, dass die Band auch ihre Instrumente irre gut beherrscht, sollte sich nach 25 Jahren, sieben Alben und geschätzt 150 Tourneen ebenfalls langsam herumgesprochen haben.
Nun liegt Album Nummer acht vor: Mit "Angels Hung From The Arches Of Heaven" testen Vocalist Louis B. Falgoust II, Gitarrist Sammy Duet, Schlagzeuger Zack Simmons und der Neuzugang am Bass, Robert 'TA' Coleman, einmal mehr Belastungsgrenzen aus. Das sonst so schwammige Etikett Extreme Metal passt zu Goatwhore nicht umsonst wie der berühmte Arsch auf den Eimer.
Das komplett überflüssige Intro bietet die letzte Chance zur Flucht. Der Eröffnungssong "Born Of Satan's Flesh" bricht anschliessend mit der Wucht einer Flutwelle über einen herein. Mit ratternden Blast-Attacken, tiefschwarzen Riffs und mächtigen Growls mähen Goatwhore so angepisst los, wie es der Bandname vermuten lässt. Subtilität? Nah. Hier reiht sich ein Riff an das nächste, eine Drum-Attacke an die andere, unerbittlich. In der Mitte gibt es etwas Midtempo, doch nach knapp vier Minuten hockt man japsend in der Ecke und fragt sich: Wieso tue ich mir das bloß an?
Nun, die kurze Antwort: Weil Goatwhore einfach wissen, was sie tun. Hier wird nicht blind geknüppelt, es steckt immer auch Methode und beachtliches kompositorisches Können in all dem Wahnsinn. Es braucht einfach ein paar Duchläufe, bis der Orientierungssinn sich erholt hat.
"The Bestowal Of Abomination" legt mit derselben Wut los wie der Opener, doch danach lockern Goatwhore ihren Würgegriff ein erstes Mal und lassen sogar Melodien aufkeimen. Natürlich nicht auf gesanglicher Ebene, der Fronter und sein Backup-Partner Duet lassen sich doch nicht in Cleangesang-Nähe locken. Das gekeifte "I know I'm going down into the fiiiiire" geht dennoch als eine der besten Hooks der Platte durch.
Mal mehr Death, mal mehr Black, mal thrashig-punkig ("Ruinous Liturgy"): Das Geknüppel kommt nicht zu kurz. Gleichzeitig vollzieht das Quartett eine Entwicklung, die sich bereits auf dem brillanten Vorgängeralbum "Vengeful Ascension" andeutete: Goatwhore wollen die Hörerschaft nicht mehr auf Teufel komm raus überwältigen. Alles ist ein wenig entschlackter und songdienlicher. Black'n'Death-Swag. Dadurch kann man "Angels Hung From The Arches Of Heaven" durchhören, ohne dass man die Birne mittels Schraubstock vor dem Platzen bewahren muss. Das tut dem Spaßfaktor richtig gut.
Jaja, bevor jemand gleich die Trveness-Polizei ruft: Sellout kann man den Herren kaum vorwerfen. Dagegen spricht allein das rabiate "Death From Above", in dem die Band so rasant aufspielt, als wolle sie sich selbst überholen. Sogar gezügelte Songs haben noch genügend Punch, um jegliche Chance auf Radio-Airplay im Keim zu ersticken. Im Titelsong etwa setzt Sammy Duet auf eine schwerblütige Melodeath-Melodie, und auch Drummer Zack Simmons findet für einmal in den Ruhepuls. Aber das dauert nur kurz, denn die Strophe wird mit einem wüsten Blast-Part sogleich wieder pulverisiert.
Etwas Abstand von der schieren Raserei wagt die Band auch auf "Weight Of A Soulless Heart". Nach einem holprigen Einstieg zieht Duet plötzlich ein saustarkes Riff hervor, das den Weg in einen wuchtigen Sludge-Groove bahnt. Südstaaten-Magie und womöglich Bourbon tropfen hier aus jeder Note.
Schwachstellen gibt es nur wenige, aber es gibt sie. "Victory Is The Lightning Of Destruction" klingt über weite Strecken eher konventionell und wie Motörhead mit Growls. Das geht noch am ehesten als Skip-Kandidat durch. Der Refrain mit der Hook "I am the reaper, taker of lives" wirkt im Vergleich zu den sonst so elaborierten Songstrukturen und Lyrics irgendwie flach.
Ansonsten aber macht der Ritt durch das Album höllischen Spaß. Sei es halsbrecherisch wie in "Nihil" (endlich mal ein knackiger Titel) oder im getragenen Schlusssong, der mit gezupfter Gitarre aufwartet: Mit unablässigen Stil-, Stimmungs- und Tempowechseln demonstrieren Goatwhore, was für ein beeindruckend breites Tummelfeld sie beherrschen. Und was für eine verdammte Macht ihrem Sound innewohnt.
Mit Studiohilfe von Produzent Jarrett Pritchard und Lärmbändiger Kurt Ballou (u. a. Converge), stellen die Vier ausserdem sicher, dass auch die Klangqualität stimmt. Druckvoll und klar klingt die Scheibe, was bei dem vielschichtigen Material keineswegs verkehrt ist. Einzig den Bass muss man sich, wie so häufig im Metal, meist dazudenken.
Dass Goatwhore auf ihrem achten Album kein nennenswertes musikalisches Neuland erkunden? Geschenkt, wenn die bewährte Formel so schön aufgeht. Blastbeats, Blasphemie und Geboller sind doch auch ein schöner Dreiklang.
1 Kommentar mit einer Antwort
Das ist alles von der Grunzfreiheit gedeckt.