laut.de-Kritik

Fette Indierocknummern und Britpopschnitten.

Review von

Was war das für ein Sommer vor zwei Jahren. Spät hatte er begonnen, umso länger sollte er anhalten. Integraler Bestandteil des Soundtracks zu diesem Sommer: Graham Coxons "Freakin' Out" vom großartigen Album "Happiness In Magazines". Der ehemalige Blur-Gitarrist hatte endlich weggefunden vom nerdigen Hinterwäldlersound hin zu straighteren Indierocknummern, hier und da garniert mit einer kleinen Britpopschnitte. Entsprechend groß ist die Erwartungshaltung bezüglich "Love Travels At Illegal Speeds".

Wieder so ein komischer Titel, dazu dieses Kindergartenstyle-Cover. Und dann die ersten Schwingungen von "Standing On My Own Again". Schneidende Gitarren, pumpende Drums, ein Sound, der fast das Prädikat fett verdient. Und dann dieses Riff, dass einem ein Grinsen bis über beide Ohren ins Gesicht meißelt. Gibs mir, Hoher Priester! Begabte Gitarristen haben wohl nur zwei Möglichkeiten, Soloalben zu machen: Entweder supernerdigen Scheiß, der vor Verrücktheit und Grandiosität nur so brennt (siehe John Frusciante) oder aber straighte Rockalben, die Melodie und Hörspaß im Schoß tragen wie eine werdende Mutter Zwillinge.

Genau dahin hat Graham Coxon, der Typ mit der dicken Brille, mittlerweile gefunden. Mit dem dritten Album nach seinem Ausstieg bei Blur geht er den Weg weiter, den er mit "Happiness In Magazines" eingeschlagen hat. Die vertrackten, schwer im Magen liegenden Nummern von Alben wie "The Golden D" oder "Crow Sit On Blood Tree" lässt Coxon in Frieden ruhen, mittlerweile, so scheint es, hat er nicht mal mehr Bock auf halbtragische Stücke wie "Hopeless Friend" vom Vorgänger. Coxon scheint die Sonne aus dem Hintern, und alle Welt soll es hören.

Die ersten drei Stücke übertrumpfen einander an Mitwippfaktor und Luftgitarren-Einstöpselpotenzial. Dazu singt der gebürtige Hannoveraner von Verlust und Liebhaberei. "Just A State Of Mind" nimmt sich dagegen sehr zurück, es ist eines dieser Stücke, in denen deutlich wird, wie sehr er mit Blurs Songwriting verwoben ist. Der Song bricht den Fluss des Albums geringfügig, entwickelt dafür aber eine irgendwie warm-beatleeske Atmosphäre mit Bläsern und Background-Oohs.

Doch damit hat sichs auch erstmal wieder mit den Coxonschen Gefühlsduseleien. Die kommende Single "You & I" bringt den angepunkten Garagerock-Einschlag zurück, "Gimme Some Love" übersteigert diesen Sound und wirkt fast ein wenig aufdringlich hart. Keine Frage, Coxon haut richtig auf die Wurst und es ist eine Freude, ihm dabei zuzuhören. Dennoch kommt ein kleiner Absacker wie das halbakustische "Don't Believe A Thing I Say" zwischendurch sehr gelegen. Diese Brüche im Album sorgen dafür, dass die Platte nicht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder heraus geht.

Gegen Ende nimmt sich der Multiinstrumentalist dann doch deutlich zurück, "Tell It Like It Is" verliert schon deutlich an Geschwindigkeit, und "Flights To The Sea (Lovely Rain)" läutet mit Querflöte und Klavier die besinnlichen dreieinhalb Minuten von "Love Travels At Illegal Speeds" ein. Das dezent ironische "What's He Got?" erteilt eine Lehrstunde darin, was unter "richtig typisch coxonesk" zu verstehen ist. Ganz un-coxonesk geht es zu Ende mit "Love Travels At Illegal Speeds". Das hysterische "You Always Let Me Down" mag nicht so richtig passen, kann aber den vorzüglichen Gesamteindruck nicht trüben. Coxon ist einen weiten Weg gegangen, um da anzukommen, wo er mit seiner sechsten Soloplatte steht, und es ist immer ein Vergnügen, mit dem Engländer mitzugehen, mittlerweile macht es sogar richtig Spaß. Are we there yet, Graham?

Trackliste

  1. 1. Standing On My Own Again
  2. 2. I Can't Look At Your Skin
  3. 3. Don't Let Your Man Know
  4. 4. Just A State Of Mind
  5. 5. You And I
  6. 6. Gimme Some Love
  7. 7. I Don't Wanna Go Out
  8. 8. Don't Belive Anything I Say
  9. 9. Tell It Like It Is
  10. 10. Flights To The Sea (Lovely Rain)
  11. 11. What's He Got
  12. 12. You Always Let Me Down
  13. 13. See A Better Day

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1 Kommentar

  • Vor 17 Jahren

    ich bin ein absoluter blur-fan, dass nur so am rande. eigentlich dachte ich, der einzige aus der alten band der alleine was erreichen kann ist damon albarn, aber weit gefehlt! mit diesem album hat graham coxon erstmals bewiesen, dass er ein mastermind bei blur war.
    dieses album kommt für mich persönlich am nächsten an die blur alben heran ohne blur zu kopieren, obwohl es schon das dritte von graham coxon ist (aber das beste). man hört eingängigere und rockigere elemente und eigenwilligere texte als man es von der "alten band" gewöhnt ist. ich denke es sind ein paar perlen dabei für alle die auf gute englische mucke stehen.
    ok, die meisten werden sagen graham ist nicht blur oder albarn, aber ich denke man kann experimentieren, aber am ende sollte man doch bei dem bleiben was man am besten kann und graham macht wirklich das beste daraus.

    good luck folks