laut.de-Kritik

Kennst du den Feind?

Review von

"Kennst du den Feind?", schmettert ein wütender Billy Joe Armstrong dem Hörer entgegen und geizt nicht mit der Antwort: Der Feind, das sind Politiker, Manager, die Unterhaltungsindustrie oder Pharma-Hersteller. In wütenden, krakeligen Schmierereien präsentieren uns Green Day ihre Kritik an bestehenden Zuständen.

Dass Herr Armstrong nicht gut auf die Ära Bush und ihr Erbe zu sprechen ist, wissen wir nicht erst seit dem letzten Album "American Idiot". Um so bemerkenswerter lesen sich die Lyrics: Banalitäten, Dualismen und eine billige christliche Leidens- bzw. Heilsmetaphorik, wohin das Auge reicht. Die Sprache des "Feindes" bildet das Wortgerüst.

Green Days Protagonisten Gloria und Christian schlagen sich als Paar durch die Wirren und Verirrungen, die unser frisch begonnenes Jahrhundert zu bieten hat. Die Story ist lose und bekommt ihren Zusammenhalt eher durch die Wahl einer übergeordneten Thematik, die jedoch wieder so weit gefasst ist, dass jeder Song auch für sich stehen kann.

Das gleiche gilt für die Musik. Die latente Leitmotivik – die Radioansprache und die Pianoakkorde tauchen am Ende wieder auf - und ein paar Übergänge zwischen den Songs dienen als roter Faden. Die angerissenen Stile erstrecken sich von Punk, Rock, Pop, Glam bis hin zu Prog.

Die Wut auf das Establishment drücken andere Bands wesentlich authentischer aus. Da wären nur Gallows'-Haudraufattacken gegen die britische Verschrobenheit und Weltfremdheit zu nennen, gegen die das martialisch betitelte "Christians Inferno" wie eine Begleitung zum Geschenke verpacken wirkt. Ein in Happyness ersaufender Refrain als Zustandsbeschreibung eines wütenden Menschen? Das passt einfach nicht zusammen.

Bei "Peacemaker" symbolisiert die Musik gesetzlose Prärie. "Last Of The American Girls" versprüht E-Street-Band-Flair und geht in der Art eines Morse-Codes nahtlos in das grandiose "Murder City" über, dass die Schattenseiten der Individualisierung inmitten einer großen Metropole besingt: Vereinsamung, Drogenmissbrauch und Egoismus sind die trostlose Folge.

Im dramatischen "Restless Heart Syndrome" besingt Billy Joe im Stile John Lennons die Einsicht in das eigene Scheitern, die Ausweglosigkeit der Situation und die Erkenntnis, dass nur Hilfe von außen Rettung bringen kann. Am Ende ist man sich selbst der schlimmste Feind.

Es folgen coole Nummern wie "The Static Age" mit seinem griffigem Refrain, einer interessanten harmonischen Wendung und den hypnotischen Strophengitarren, die zwischen Lead und Rhythmus oszillieren. Unbedingt zu erwähnen: Der Titelsong, der als kleiner Bruder von "Jesus Of Suburbia" alle Freunde komplexer Songstrukturen erfreut, aber gleichzeitig jedes liebgewonnene Green Day-Trademark bedient.

2009 haben Green Day einen Sack voll "Boulevard Of Broken Dreams"-Balladen, "Basket Case"-Dampframmen und ordentlich Standard-Rock im Gepäck. Der Geist der Beatles fährt in den Pianisten und mündet gelegentlich in hitkompatiblem Stadionrock.

Green Day liefern teilweise richtig gute Arbeit ab, schreiben aber auch einer seit dem 2004er-quasi-Comeback neu entstandenen Teenie-Zielgruppe nach dem Mund. Da prallen künstlerischer Anspruch und der Wunsch nach Authentizität aufeinander und hinterlassen ein solides, aber diskussionswürdiges Album der Kalifornier.

Trackliste

  1. 1. Song Of The Century
  2. 2. 21st Century Breakdown
  3. 3. Know Your Enemy
  4. 4. ¡Viva La Gloria!
  5. 5. Before The Lobotomy
  6. 6. Christians Inferno
  7. 7. Last Night On Earth
  8. 8. East Jesus Nowhere
  9. 9. Peacemaker
  10. 10. Last Of The American Girls
  11. 11. Murder City
  12. 12. ¿Viva La Gloria? (Little Girl)
  13. 13. Restless Heart Syndrome
  14. 14. Horseshoes And Handgrenades
  15. 15. The Static Age
  16. 16. 21 Guns
  17. 17. American Eulogy (Mass Hysteria/Modern World)
  18. 18. See The Light

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126 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    "hardcore ist einfach nur belustigend und traurig wenn ich deinen post lese .cheers "

    ich wollte damit sagen, dass alles was nicht in das klangbild bestimmter leute passt, einfach als emo oder kinderpop abgestempelt wird..

  • Vor 14 Jahren

    ich find 21 guns am coolsten aber die anderen Lieder sind auch cool ich hab sogar ein Referat über Greenday gehalten

  • Vor 14 Jahren

    Woah, ganz schlimme Scheibe! Auf "American Idiot" gab's zumindest noch stellenweise recht innovative Riffs (z. B. der Titeltrack, bevor er in dieses Gedudel im Refrain übergeht; oder der komplette "St. Jimmy"-Track) aber auf "21st Century Breakdown" ist einfach gar nix mehr! Was mich aber am meisten daran ankotzt, ist, dass sich B-J Co. immer noch wie die unkommerziellen Hardcore-Punker a la "Insomniac" geben, gleichzeitig aber "21 Guns" auf Heavy Rotation setzen und sich ne goldene Nase dran verdienen.
    Es gibt auf dem Album nur zwei Songs, die ich respektiere und die so RICHTIG abrocken: "Know Your Enemy" und "East Jesus Nowhere".