laut.de-Kritik

Brasilianer zwischen Weilheim und Manchester.

Review von

Brasiliens Techno-Export Gui Boratto bringt 2009 sein zweites Album in die Läden - "Take My Breath Away" markiert den ersten wichtigen Kompakt-Release des Jahres. Das Cover mit seinen überdrehten Farben beschwört die verstrahlte Idylle eines post-apokalyptischen Szenarios herauf. Die elf Tracks runden diesen Eindruck ab und bilden den passenden Soundtrack zum surrealen Fallout.

Damit knüpft Boratto nahtlos an seine Releases aus der Vergangenheit an. Sie alle sind gekennzeichnet von einer poppig-dröhnenden Klangästhetik, die der brasilianische Produzent spätestens mit dem Erstling "Chromophobia" zu seinem Markenzeichen erhoben hat. Auf "Take My Breath Away" entwickelt er seine verträumt-optimistische Soundvision weiter.

Dabei lässt Boratto den direkten Bezug zur Tanzfläche keine Sekunde aus den Augen. Das wird vor allen Dingen die DJ-Fraktion freuen, denn Tracks wie "Beautiful Life" erfreuen mit eingebauter 'Hands-up-in-the-air'-Garantie. Und Gui beweist einmal mehr, dass er ein Produzent ist, der es versteht, mit den Emotionen seiner Zuhörer zu spielen.

Ein gutes Beispiel dafür findet man mit der Single-Auskopplung "Atomic Soda". Der Groove steht wie so oft trocken und plastisch im Raum. Er dominiert den Track ganz eindeutig, wirkt jedoch zu keiner Sekunde aufdringlich. Boratto begeistert eben immer auch mit seinen Arrangements. Eine auf wenige Töne reduzierte Melodie rundet den Track schließlich ab. Sie gibt den Stücken ihre trancige und auch poppige Note.

Bei "No Turning Back" rückt ihn sein Hang zur opulenten Stimmungsmalerei in die Nähe der Weilheim-Acts Console und The Notwist. Den Eindruck unterstützen die effektbehandelten, lediglich um einen Ton herum aufgebauten Lyrics. Wüsste man es nicht besser, ließe sich der Track mühelos dem Gretschmann-Studio zuschreiben. Es bleibt das einzige Mal, dass Boratto einem seiner Tracks eine Stimme leiht.

Die Weilheim-Connection ist der eine wichtige Referenzpunkt, den Boratto auf "Take My Breath Away" installiert. Den anderen findet er wie schon beim Vorgänger "Chromophobia" in der britischen New Wave-Legende New Order. Insbesondere Peter Hooks Bassspiel scheint beim Brasilianer nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben. Gleich mehrere Tracks unterfüttert er mit einer New-Order-typischen Bassline.

Leider verfällt der Brasilianer im letzten Albumdrittel in weitgehende Ideenlosigkeit. Seine Formensprache ist zu diesem Zeitpunkt genauso erschöpft wie sein Repertoire an Sounds. Mit ein paar Ideen mehr hätte das hier der ganz große Wurf werden können ...

Trackliste

  1. 1. Take My Breath Away
  2. 2. Atomic Soda
  3. 3. Colors
  4. 4. Opus 17
  5. 5. No Turning Back
  6. 6. Azurra
  7. 7. Les Enfants
  8. 8. Besides
  9. 9. Ballroom
  10. 10. Eggplant
  11. 11. Godet

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1 Kommentar

  • Vor 15 Jahren

    No Turning Back könnte einer der Sommerhits auf den Open Airs werden.
    Ohrwurmpotential besitzt das Teil auf jeden Fall und allein deswegen lohnt sich der Vinylkauf.

    3 Punkte kann man aber so stehen lassen wobei hier deutlich an der 4er Marke gekratzt wird.