laut.de-Kritik

Es lebe das Prollotariat!

Review von

Passend zur Adventszeit und dem anstehenden Weihnachtsfest veröffentlichen Hämatom ihre Antithese zur christlichen Botschaft in Abwandlung des berühmt-berüchtigten Nietzsche-Zitates "Gott ist tot". "Die Liebe Ist Tot" heißt es bei den Krawallmachern, und auch die Songtitel spiegeln die Message perfekt wieder.

Abgerundet wird das Konzept des Albums, das passender Weise auf dem Label 'Anti Alles' erscheint, mit dem Artwork, auf dem ein Greta Thunberg-Look Alike mit Knarre am Kopf zu sehen ist. Auf Album Nummero sieben gibt es die Marketing-freundliche Komplettpolitur mit neuen Masken. Hämatom setzen auf massive und maximale Schockwirkung.

Die Texte sind treffend mit den Attributen 'wertfrei und gewaltschätzend' beschrieben. Vorherrschend ist ein Vokabular, das selbst jedem Brennpunkt-Schüler die Scham ins Gesicht treibt. Man stelle sich die Band in einem Seminar über Gewaltfreie Kommunikation vor. Der Elefant im Porzellanladen wäre nichts dagegen. Es lebe das Prollotariat.

Dass sich die Band gegen Rassismus, Altersarmut oder das arm/reich-Gefälle positioniert, ist grundsätzlich lobenswert. Allerdings sind die Texte dermaßen allgemein gehalten, dass sich Wutbürger aller Couleur darin wiederfinden.

Der Opener "Dagegen" greift zu Beginn das Antikriegslied "Where Have All The Flowers Gone" von Pete Seeger auf, das 1962 in der deutschen Version mit Marlene Dietrich populär geworden ist. Ein Kinderchor intoniert die Zeilen "Wo sind die Träume hin, wo sind sie geblieben", bevor die Truppe die ruppige Rakete von der Rampe lässt.

Der Sound trägt die druckvolle Handschrift des Deutschrock-Produzenten Vincent Sorg, der sowohl die Hosen als auch Onkelz, Broilers oder In Extremo auf dem Kerbholz hat. Musikalisch achtet die Gruppe auf meterdicke Chöre, eingängige Melodien und handelsüblichen Rock-/Metal-Sound.

"Liebe Auf Den Ersten F***" untermalt die Karnevalisten-Combo mit Hardrock wie ihn Bon Jovi oder Mötley Crüe in den Achtzigern aus der Hüfte geschossen haben. Abgesehen davon mag der Track den körperlichen Akt feiern, ist aber eigentlich nur eine billige Anmachnummer.

Der Beginn von "Ich Hasse Euch Alle" spielt textlich mit dem Aufbau der Strophe von Rammsteins "Du Hast". "Hey! Hey du! Ja genau du! Was quatscht du denn so schlau!" ist rhythmisch dermaßen zerpflückt, dass es das Aggressionslevel in den roten Bereich treibt.

"F***en Unsren Kopf" ist für alle, die Spiritus rector mit Spirituosenverkäufer übersetzen. Die Kollaboration mit den 257ers feiert den Rausch mit der Hook "Es ist Leckmichtag und wir ballern uns kaputt".

Maskierung ist im Metal wahrlich keine Seltenheit. Slipknot und Hollywood Undead dienen hierfür als Beispiel, wobei das Qualitätsniveau eher in Richtung der letztgenannten Spaß-Institution zeigt wie die Crossover-Nummer "Zahltag" zeigt.

"Zeit Zu Gehen" markiert den idealen Rausschmeißer, wie gemacht für die Konzert-Situation mit Kanonen und Konfetti. Noch einmal Feuerzeug schwenken, die kurze Lunte in Brand stecken und dann ab nach Hause zu Mutti. Triebabfuhr erledigt.

Trackliste

  1. 1. Dagegen
  2. 2. Jeder Gegen Jeden
  3. 3. Ihr Wisst Gar Nichts Über Mich
  4. 4. Liebe Auf Den Ersten Fick
  5. 5. Zahltag
  6. 6. Ficken Unsren Kopf
  7. 7. Zahltag
  8. 8. So Wie Wir
  9. 9. Ich Will Erst Schlafen Wenn Ich Tot Bin
  10. 10. Zeit Zu Gehen

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