laut.de-Kritik

Wie "Death Magic" - in Trümmern.

Review von

Kurz nach "Death Magic" hat es Health zerrissen. Jupiter Keyes (Gitarre, Synthesizer) verließ die Band. Doch anstatt ihn zu ersetzen, entschieden sich Sänger Jake Duzsik, Bassist John Famiglietti und Schlagzeuger Benjamin Jared Miller von nun an als Trio anzutreten. Die Trennung hinterließ eine klaffende Lücke, eine deutliche Narbe, die durch "VOL.4 :: SLAVES OF FEAR" scheint.

Dabei hat sich nur wenig im Sound geändert. Viel mehr eitert das von Lars Stalfors produzierte Album an allen Ecken und Enden nach. Ein zerschundener Körper, der es über die ganze Laufzeit nicht schafft, ein großes Ganzes zu ergeben. Zu groß sind die Stolperfallen, die Abgründe, die Niveauschwankungen. Aber es sind auch genau diese Klüfte, aus denen "VOL. 4 :: SLAVES OF FEAR" seine Faszination bezieht. Ein in Trümmern liegendes "Death Magic".

Als wollten sie es allen beweisen, legen Health in Sachen Lärm noch eine deutliche Schippe drauf. Sie finden immer ein Stelle, in die sich flugs ein BRAATZ, ein FFRRRTZZ oder ein GRRRZTFFF schieben lässt. Wenn kein Platz ist, wird dieser eben mit Brachialgewalt geschaffen. Den abweisenden Einstieg mit "PSYCHONAUT" penetriert Millers rabiates Schlagzeug dermaßen, das kaum noch Luft zum Atmen bleibt. Ein donnerndes "Dreht um, wir wollen hier unter uns bleiben", das wirklich alles dafür gibt, Neuhörer abzuschrecken.

Als wollten sie dies fix wieder gut machen, beschwört "FEEL NOTHING" schnell den "Death Magic"-Geist. Diese Mischung aus Noise-Rock, Industrial-Aggression und unterkühltem Synth-Pop, auf der Jake Duzsik Gesang thront. Wo andere lautstark krakeelen, überbringt er seine Texte über Tod und Untergang verträumt, verletzt und samtweich. Es ist genau diese Diskrepanz, die die Angelenos aus der Masse herausheben.

Die Eingängigkeit des Vorgängers erreicht "VOL.4 :: SLAVES OF FEAR" jedoch nicht. Kein "STONEFIST", kein "FLESH WORLD (UK)", kein "DARK ENOUGH". Songs wie "LOSS DELUXE" und "NC-17" ziehen vorbei, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. In dem Moment, in dem der Longplayer kurz vor dem Scheitern steht, packen Health zum Glück "THE MESSAGE" aus. "Death is the message / Without meaning / ... / And when we're young / We can't wait to grow up / We get old, we give up / And we pray to grow young", meißelt uns Duzsik desillusioniert ins Hirn.

Gerade im letzten Drittel zieht "VOL.4 :: SLAVES OF FEAR" noch einmal gehörig an. In "STRANGE DAYS (1999)" bauen Health eine dystopische Stimmung auf, die sie sodann gemeinsam mit Gast-Gitarrist David Sponaugle mit mechanischen Schlägen attackieren. Trotzdem bleibt Zeit für einen melodiösen Refrain. Das nur zu einer Gitarre beginnende Titelstück "SLAVES OF FEAR" baut von Beginn an Spannung auf, die sich erstmals nach fast zwei Minuten komplett entlädt. Ein fesselndes Stück, das unvermittelt zwischen ruhigen Passagen und Gewalt umher stolpert und in rücksichtslosen Schlägen ein derbes Ende findet.

Das überraschende "DECIMATION", mit dem das zeitweise zerfahrene "VOL.4 :: SLAVES OF FEAR" ein Ende findet, führt letztlich zu einem radikalen Bruch. Eine Gitarren-Ballade, gepaart mit dem üblichen Band-Sound, jedoch subtil und ohne großen Effektoverkill. Ausgerechnet mit sanften Tönen begraben Health so endgültig die Hoffnung auf eine bessere, ja, überhaupt eine Zukunft. "We can't go back / No one has / It's over now / We never will."

Trackliste

  1. 1. PSYCHONAUT
  2. 2. FEEL NOTHING
  3. 3. GOD BOTHERER
  4. 4. BLACK STATIC
  5. 5. LOSS DELUXE
  6. 6. NC-17
  7. 7. THE MESSAGE
  8. 8. RAT WARS
  9. 9. STRANGE DAYS (1999)
  10. 10. WRONG BAG
  11. 11. SLAVES OF FEAR
  12. 12. DECIMATION

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Health

Es hat schon selbstironische Züge, seine Band Health zu nennen. Noch dazu, wenn man sich auf brutal anmutenden, experimentellen Noiserock spezialisiert …

1 Kommentar