laut.de-Kritik

Stefan Raabs TV Total-Band macht sich selbständig ...

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Der Meinung vieler deutscher Musiker-Kollegen zufolge sind die Heavytones die am meisten unterschätzte Band des Landes. Denn wenn sie anfangen, zu spielen wird zumeist sofort Werbung eingeblendet. Wenn man sie länger als 30 Sekunden hört, steht meistens jemand Berühmteres vor ihnen auf der Bühne. Trotzdem klingt der Name doch irgendwie zutiefst vertraut. Ihr kennt sie alle, wenn auch vielleicht, ohne es zu wissen.

Das liegt daran, dass das nicht irgendeine Combo ist, sondern die acht Musikanten der TV Total-Band. Als Funk & Soul-Liebhaber muss man sie geradezu gut finden. Sie beherrschen anstandslos einfach alles und lassen brav zutiefst soul-inspirierten Krempel ab, wenn sie in die Werbung überleiten. Außerdem bekomme ich manchmal Gelüste, sie zu adoptieren und ihnen sanft über ihre Schädel zu streicheln beim Gedanken daran, was Herr Raab ihnen schon alles abgenötigt hat. Nun, irgendwie muss man als beim gemeinen Volke unbekannter Spitzenmusiker seine Brötchen verdienen, und da ist eine Festanstellung ja nicht das Schlechteste. Vor allem wenn dieser Job beinhaltet, regelmäßig Leuten wie beispielsweise Kylie Minogue von hinten auf den Arsch kucken zu dürfen.

Bei so viel unterfordertem Talent war zu erwarten, dass irgendwann mal eine eigene Platte kommt. "No. 1" startet wie erwartet mit einem anständigen Groove und fast schon ekelhaft blitzsauberem Gesamtklang. Unerwartet dagegen treffen einen die Vocals von Worthy Davis und Henrik Wager. Die Herren versuchen sofort, einem äußerst eindringlich, fast schon übertrieben beizubringen, dass man upturnen und on getten soll. Wie sich herausstellt, kann man die ständigen Aufforderungen fast schon als roten Faden ansehen, der sich durch das gesamte Album zieht. Leider lenken sie von der Tatsache ab, dass man instrumental nichts auszusetzen hat.

Die Arrangements, die anstandslos groovende Rhythmusgruppe, die Bläsersektion, ein fantastisches Saxophonsolo von Niels Klein und immer wieder neu hinzu kommende Bläser-Licks treiben den Opener zum Ende. Und so geht's grad weiter. Die Jungs droppen gute Ideen bei jedem neuen Abschnitt, neue Basslinien, neue Bläser-Licks, neue Tastensounds am laufenden Band, aber trotzdem produzieren sie damit runde Nummern. Sie spielen sich der Reihe nach durch Slow Grooves, Uptempo-Nummern und Schnulzen, mit denen man bei Präsidentschaftskandidaturen Chancen hätte. Immer begleitet von den Sängern, die dem Können der Instrumentalisten permanent den Entfaltungsplatz rauben, obwohl jeder irgendwo mal sein Solo abkriegt. Reine Instrumentalscheiben sind wahrscheinlich einfach out.

Schlecht sind die Sänger ja auch wahrhaftig nicht, aber sie wirken mit ihrem permanenten 'Chor mit sich selber'-Singen ein bisschen unecht. Außerdem artikulieren sie betont verständlich. So nervt ihre Eindringlichkeit vor allem bei belanglosen und teilweise richtiggehend doofen Texten wie beispielsweise "I ate too much of your cake" um so mehr. Zum echten Bandinventar gehören die Sänger laut Pressetext angeblich sowieso nicht, also weiter zu den Jungs, die man auch im Fernsehen rumstehen sieht. Obwohl es gar nicht so leicht ist, an den Sängern vorbei die hundertfünfzigtausend Spuren ins Ohr-Gericht zu nehmen.

Die Bläser sind ganz klar von Tower of Power geprägt. Aber durch die Bank weg drückt jeder mindestens ein bemerkenswertes Solo ab. Wolfgang Dalheimer, Tastenritter und Hauptarrangeur spart an nichts, spielt pro Lied mindestens zwei verschiedene Sounds und bringt schließlich noch einen dritten. Bassist, Gitarrist, Schlagzeuger und Percussionist beherrschen das perfekte Zusammengrooven. Wer auch immer arrangiert hat, kam wohl über'm Notenpapier nicht ohne mindestens zweieinhalb Bridges und vier bis fünf extravagante Breaks weg.

Grundsätzlich werden die Songs Richtung Ende immer dicker und verfrickelter, und als wär's immer noch nicht genug, kommen auch noch Geigensounds obendrauf. Zum Schluss jedes Songs hin potenziert sich der Aufwand. Die Liste derer, die einem einfallen, wenn man an die vermeintlichen Vorbilder der Heavytones denkt, ist lang. Der Song hat "Living It Up" etwa hat in den Strophen harmonische und groovetechnische Ähnlichkeiten zu "Lovely Day" von Bill Withers. Geklaut hört sich jedoch anders an.

Besonders heraus sticht auf jeden Fall "Caminando", das wohl vom Posaunisten César Pérez inspiriert wurde. César hat seine Wurzeln im Salsa, und "Caminando", ein moderner Latin-Song mit schicken Kuba-Klavierlicks, klasse Percussiontechnik, Slap-Anwandlungen des Bassisten und einem trompetergesichtsrötendes Solo, bringt durchweg Freude. Und als wär's immer noch nicht genug, singen die überpräsenten Sänger diesmal nur Scat und mit den Bläsern um die Wette. Es ist besser, wenn sie weniger Text haben.

Zu kritisieren gibt es also im Groben und Ganzen gesehen wenig. Alles ist ganz doll anständig. Die Musikanten beweisen, wie gut sie in der Jazzschule aufgepasst haben. Durchweg die Retro-Schiene fahren sie dabei auch nicht, denn dafür haben sie zuviel modernen Soundkrempel in ihre Songs gepackt. Bei dem Versuch, dies alles in taugliche 'Unter 5 Minuten'-Songs zu packen, macht sich fast schon eine gewisse Überladenheit breit, oder nennen wir es Reizüberflutung. Dabei erinnern die Heavytones ein wenig an Incognito, was die Radio- und Discotauglichkeit der Abmischung und de fast schon kristallinen Sound betrifft.

Vielleicht will man den Funk doch lieber dreckig und unanständig haben? Gut, dass ich das nicht entscheiden muss.

Trackliste

  1. 1. Turn It Up
  2. 2. Too Much Cake
  3. 3. Living It Up
  4. 4. Shout
  5. 5. Absolutely Sure
  6. 6. Caminando
  7. 7. Don't Cry
  8. 8. Fighting To Be Loved
  9. 9. Queen B
  10. 10. Cought In The Middle

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