laut.de-Kritik
Von wegen Witzel-Rente: Der Social-Media-Experte trumpft auf.
Review von Michael SchuhEr könne 2021 in Rente gehen, dann sei er 65, sagte Helge Schneider in seinem jetzt schon legendären Corona-Statement. Auftritte vor Autos, Internetkameras oder einem diversen Pandemieschutz-Bestimmungen ausgelieferten Konzertpublikum, entsprächen nicht seiner Vorstellung eines Live-Auftritts: "Wenn das so weiter geht, wars das. Tschüss".
Drei Monate später singt er: "Heute hab ich gute Laune, Laune, heute ist ein schöner Tag." Der Mann klingt wie ausgewechselt: Sein unüberhörbarer Lockdown-Frust ist heller Lebensfreude gewichen, die Melodien perlen wie zu seinen besten Zeiten, als sich mit Masken höchstens Sido beschäftigte und Helge wiederum nicht mit Sido. Auch live ist der Mann mittlerweile wieder zu bewundern, der Freiluftsaison sei Dank. Guter Move: So wird Helge nicht zu jenen Künstlern gehören, die später ihren Kindern Rede und Antwort stehen müssen auf Fragen wie: "Ging es dir bei Corona wirklich so schlecht, dass du vor Hybriden und Benzinern auftreten musstest?"
"Heute hab ich gute Laune" ist quasi der Nachfolger des "Sommer Sonne Kaktus"-Titelsongs mit einer Message, die man gerade im Jahr 2020 nicht oft genug vor sich hin singen kann. Schön auch, dass Helge nach dem eher experimentellen "Partypeople (beim Fleischer) wieder mit altem Swing-Swag reüssiert, anstatt uns mit Jazz-Techno heraus zu fordern. Reduktion ist das Thema, der Blick geschärft fürs Wesentliche. Es sind schließlich die kleinen Dinge im Leben, die von Wert sind und gute Laune machen: eine Fahrt im Freien, ein Kuss der Freundin, ein Ei und Pommes.
"Mama" wärmt jedoch nicht nur Bekanntes gut auf. Verkünder der Wahrheit, der er ist, taucht Helge nun vollumfänglich in Social Media ein, sein neues Spezialgebiet, was diverse Facebook-Videos seit gut zwei Jahren belegen. Ironischerweise war der Konzert-Skeptiker auf die Pandemie also eigentlich erstklassig vorbereitet. Das alles verarbeitet er in "Ich setz mein Herz bei E-Bay ein", seiner Internet-Hymne, in der er ordentlich represented: Ebay, Spotify, Instagram, "Fitze-Fatze-Book", das alles hat er drauf, aber als echter Romantiker geht er die Liebe in Zeiten der Follower anders an. Wenn der Telefonapparillo schellt, dann schellt er eben, statt Geschwindigkeit wie in den 90ern zählt beim Telefonmann a.D. heute Gelassenheit: "Ich geh nicht ran, ich mach mich interessant". Ein geniales Trompeten- samt Cellosolo gibt's obendrauf.
Stimmlich geht er sehr aus sich heraus, vor allem in "Forever At Home", in dem er noch einmal seine Aktivitäten im Lockdown aufzählt, als es für kurze Zeit düster aussah: "Für immer allein zu Haus wie Kevin". "Mama" als Butter-Lieferantin hat ausgedient, stattdessen liefert Helge einen sentimentalen Blick aufs eigene Leben, als Mutter Schneider alles deichseln musste, während "Papa im Stammlokal" Karten zockte. Die Platte ist insgesamt eine launige Angelegenheit geworden, man trifft wieder auf skurrile Gestalten wie "Roswitha" aus der Striptease-Bar oder typische kleine Hörspiel-Skits ("Beim Frisör"), und wenn dann mal etwas hinter den Erwartungen zurück bleibt wie "Petes Raumpatrouille (Space Control)", sind Helges Fingerübungen mit E-Gitarre, Orgelnebel oder Holzratsche immer noch interessant genug.
Hervorzuheben ist noch "Der Boss" mit herrlichen Verspielern und Helge im Tom-Waits-Duktus, später hat auch sein Hörspiel-Alter-Ego einen Auftritt, das als der Boss die Arbeiter zusammenstaucht ("Ich will reich werden, ich hoffe ihr kapiert das bald"). Mit "Die neue Mode" präsentiert er eine Glockenspielmeditation, in der nur wenige Töne erklingen, während die leicht angetrunkene Schneider-Voice die Angebotspalette eines Paderborner Ayurveda-Massagezentrums vorträgt und hier und da mit Fachtermini durcheinander bringt ("Fernöstliche Massagen mit Aioli"). Das bisschen Pandemie kann einen Witzel-Giganten eben nicht erschüttern. Und schöner klingt die Hammond-Orgel auch wirklich nur bei Booker T.
4 Kommentare mit 19 Antworten
Nix als Liebe für Helge, der trotz aller Sido-Features, lauwarmer Altgags und unnötiger Udo-Imitationen der letzten Jahre die einzige Humor-Instanz in Deutschland bildet. Das Lebenswerk in seiner schrulligen Eigentümlichkeit überwiegt zu deutlich.
Amen Bruder, dem kann ich nichts hinzufügen.
Wer Helge einmal live gesehen hat, weiß welche Klasse er hat!
Wenn der die einzige Humor-Instanz sein soll, ist Deutschland wirklich arm dran.
Kennst du andere in Deutschland, von Hagen Rether vllt noch abgesehen?
Ist mir ziemlich egal. Ich sag nur, wenn's Helge ist, gute Nacht. Letztlich steht er für weirde Blödelei ohne Mehrwert.
Trotzdem ist er natürlich unfickbar, weil Vollblutmusiker.
Seine Filme sind ein Verbrechen an der Menschheit!
Nicht mehr als jeder andere deutsche Kinofilm auch
Das Schöne ist ja, daß alle Kritik an ihm absolut sinnlos ist. Gerade deshalb ist Helge so eine Instanz.
Blödelei ist eben nicht gleich Blödelei. Mehrwert gibt es auch abseits von Politkabarett
Das ist mir auch klar. Ich sage auch nicht, dass Humor politisch oder intellektuell sein muss. Monty Python haben aus simplen Ideen heraus geniale Sketche geschrieben.
Wenn Helge Mehrwert hat, erschließt er sich mir nicht. Humor ist ja nunmal auch subjektiv.
Das macht dann bitte 5 € für's Laut.de-Phrasen-Schwein.
Der Inhalt geht wie immer an die interne Stiftung: "Bring back Jerome K".
Malmsheimer,Egersdörfer und Pispers ? der Typ is wirklich langweilig..
Alle gut, keine Frage. Wobei Malmsheimer eher so der Typ Ohrensessel im Herrenzimmer ist. Helge ist ein Musik-Clown, kein Kabarettist, deswegen erreicht er Leute außerhalb seiner Echokammer.
humor ist eine DOITSCHE tugend
https://www.youtube.com/watch?v=WQMvqNN84v0
https://www.youtube.com/watch?v=s5N6M2k354o
https://www.youtube.com/watch?v=ZZOZDrDYzTM
ö/
Wie gesagt: Jede Kritik ist sinnlos und wird ihm nicht gerecht. Selbst wenn man ihn als Komiker sieht, wird man niemanden in Dland finden, der so stream-of-consciousness-mäßig improvisiert. Kabarettisten und Komiker arbeiten meistens Wort für Wort nach Programm, nie im Leben ähnlich jazzig.
Wer bei Helge nur von "weirder Blödelei" redet, kennt wahrscheinlich nur die "Hits" - und die sind natürlich absoluter Blödsinn. (Ich finde sie trotzdem genial, baby baby.) In seinem Werk gibt es aber auch viel Tiefsinniges und Abgründiges zu entdecken. Beispiele: Die "Hörspiele" aus seiner Frühzeit. Monologe wie "Philosophie" (alle Versionen). Steam-of-Consciousness-Dada wie "Fantasie in Blau" (Meiner Meinung nach eines seiner Meisterwerke.) Und dann kommt noch seine Virtuosität dazu. Wenn er will, kann er ganz "ernst" einfach nur großartige Musik spielen.
Auch Blödelei ist tiefsinnig! Was habt ihr nur alle für hohe Ansprüche? Sind hier wieder nur Frauen unterwegs?
Das Auschecken der von virpi benannten Highlights scheiterte leider daran, dass mir die Galle hochkommt, sobald der Typ den Mund aufmacht. Keine Ahnung, warum jemand diese Art zu Sprechen/Singen witzig findet.
Vielleicht ein Vater-Tochter-Komplex. Wenn ein Mann witzig ist, reicht es meistens jedoch nicht für Sex.
[Ihh... Verschwöri...]
"Vollblutmusiker"
Sowas hat natürlich Rasse!
Helge ist wahrscheinlich der normalste Mensch der Welt.
Deutscher Freddie Mercury