7. September 2007
"Schwanz, Vagina, alles dasselbe!"
Interview geführt von Anja LindenlaubDer 21.06.2007 ist Ausflugstag für die beiden laut.de-Praktikantinnen Anja und Sara. Es geht zum Interview mit der kalifornischen Band HelloGoodbye.Sekunden, bevor ein sintflutartiger Wolkenbruch über Konstanz hereinbricht, steigt Sara zu mir ins Auto. Wir haben schon Angst, dass die Fähre sinken wird, und auch Kollege Möller sorgt sich um uns: "Fahrt schneller, Mädels, vom Westen kommt der Weltuntergang." Gesagt, getan. Auf geht es nach München, wo uns im Seehaus des Englischen Gartens zwei amerikanische Jungs erwarten. Forrest Kline, der Sänger und sein Basser Marcus Cole stehen uns Rede und Antwort.
Wie würdet Ihr Eure Musik einer tauben Person beschreiben?
Forrest: Ich weiß nicht. (überlegt) Ich denke, für mich ist jeder Song anders. Es ist alles happy, alle Songs sind eine Art von Popmusik. Sie bedeutet Spaß, denke ich.
Marcus: Ich würde sagen, sie fühlt sich an, wie wenn man in einem Feld voller Blumen umherrollt.
(Forrest brummt zustimmend.)
M: Viele Hummeln schwirren um die Blumen. Das sind männliche Blumen.
F: Blumen, die nicht kaputt gehen, wenn man darüber rollt.
M: Exakt. Sogar welche, die einen zurück werfen, wenn man dagegen kommt. Es fühlt sich an wie kleine Häschen, die herumhüpfen, wie ein Regenbogen mit einem Kessel voller Gold an einem Ende.
F: Ecstasy überall.
M: Ja, Tonnen von Ecstasy. Ich würde sagen, so hört sich unsere Musik an.
F: Eigentlich könnte man den Leuten einfach Ecstasy geben.
M: Ja, versuch das mal, und so wie Du Dich fühlst, so hört sich unsere Musik an.
Wie war es für Euch, beinahe zwei Jahre am Stück zu touren?
F: Sogar fast drei bis vier Jahre.
M: Lang, viel zu lang.
Hattet Ihr Ferien oder Pausen?
F: Ja, wir konnten nach Hause, aber es war nur eine Pause, dann meist nur für vielleicht fünf Tage. Das kann die Zeit jedoch nicht wieder gutmachen.
M: Sobald man angekommen ist, muss man auch schon wieder los.
F: Man packt seine Koffer nicht aus.
M: Ja, man lebt aus seinem Koffer. Das ist deprimierend.
F: Man benutzt seine Waschsachen aus einem Wäschebeutel.
M: Ja, es nervt.
"Ich kann sehr gut unter Druck arbeiten."
Leidet Eure Privatleben darunter, denn Ihr habt alle Freundinnen, oder?F: Ja, wir haben alle Freundinnen. Ich würde aber nicht sagen, dass das Privatleben leidet, es ist einfach nicht angenehm. Ich vermisse meinen Hund und meine Freundin sehr.
M: Aber auf jeden Fall kommt Dein Hund zuerst. (grinst) Wie Du immer Deine Freundin anrufst und fragst, wie es dem Hund geht.
F: "Bring den Hund ans Telefon"
M: "Hol mal den Hund" (Er verstellt die Stimme) "Hey, wie geht es Dir?" (Er redet wieder normal) "Hat sie das gehört? Wedelt sie mit dem Schwanz? Okay, ich muss los. Bis später."
In Eurem Booklet steht, dass Du, Forrest, gemeinsam mit Deinem Hund Eure Texte schreibst. Besitzt er schon einen goldenen Fressnapf?
F: Er bekommt mehr Lob, als er eigentlich verdient. Ich würde jetzt nicht sagen, dass er so viel macht. Er hat die Linernotes verfasst.
M: Er taucht immer auf und nennt uns dumm und erzählt, wir würden alles falsch machen. Wir bestätigen ihn darin, doch sobald er weg ist, machen wir unser Ding weiter. (grinst)
F: Wisst ihr, er managt dann alles! (grinst) Wie auch immer, er ist ein Idiot.
Wie war die Zusammenarbeit mit Deinem persönlichen musikalischen Helden Matt Mahaffey [Produzent u.a. von Pink und Smash Mouth, d. Red.]?
F: Es war verrückt, verdammt cool. Das war das coolste, was wir bisher gemacht haben. Es war einfach unglaublich. Dass ich ihn idealisiert habe, hat die Zusammenarbeit einfacher gemacht. Ich war sehr offen für seine Vorschläge.
War es schwierig, in einem Team zu arbeiten, da Du Deine vorherigen Projekte immer alleine gemacht hast?
F: Es war anders. Ich bin daran nicht gewöhnt und auch nicht sonderlich gut darin. Für mich ist es einfacher, privat für mich zu sein. Aber es hat ganz gut geklappt.
Wie stark seid Ihr anderen in den Prozess des Schreibens eingebunden?
F: Da ist es dasselbe wie beim Hund, die tauchen nur auf...
M: Ich komm an, erklär Forrest, dass er alles falsch macht. Ich sage: "Du bist so blöd, ich kann nicht mal hier sein." Ich kann dann gar nicht mehr im selben Raum mit ihm sein und gehe einfach. Erst trete ich aber noch gegen die Wand und haue ein Loch rein, was manche Menschen dann durchaus verstört, aber dann gehe ich einfach und lass Forrest seine Arbeit beenden.
F: Aber das hilft.
M: Ja, manchmal muss man Dir Angst machen und dadurch bekommst Du Dinge fertiggestellt.
F: Ja, ich kann sehr gut unter Druck arbeiten.
"Die Amerikaner denken, Hasselhoff sei Euer Präsident"
Auf Eurer britischen Website fordert Ihr Eure Fans auf, Euch Fragen zu stellen. Wie unterscheiden sich Fanfragen von Reporterfragen?F: Sie haben viel schwules Zeug gefragt.
Warum denn das?
M: Es scheint, als dächten sie, wir seien schwul.
F: Sie haben gefragt, wie ich über meine Homosexualität und auch die der ganzen Band fühle. Oh, guck dir den Hund an!
(Auf der Terrasse des Seehauses läuft ein Hund, der Forrests Aufmerksamkeit sofort auf sich zieht. Er steht auf und streichelt ihn. Während Marcus sich weiter auf die Antwort konzentriert, gerät Forrest immer mehr in Verzückung, schnalzt mit der Zunge und quietscht in erschreckend hoher Stimme Worte wie "doggy" und "cute".)
M: Ich weiß nicht, woher das kommt. Nur weil uns gegenseitig auf den Mund küssen, uns die Bizeps massieren.
So wie in einer Boygroup?
M: Keine Ahnung, was die denken!
(Forrest kann sich von dem Hund lösen und kehrt zurück an den Tisch.)
F: Nur weil ich mich so geborgen in seinen Armen fühle, heißt das doch nicht, dass wir schwul sind.
(Hier taucht Keyboarder Jesse auf und erkundigt sich nach unserem Gespräch und Forrest erklärt ihm, dass es um die Gerüchte über ihre Homosexualität geht.)
Jesse: Ich begreife das auch nicht. Schwanz, Vagina, alles dasselbe! (Er schaut traurig.)
F: Ja, Kopf hoch.
(Jesse geht an den Nebentisch.)
M: Ach ja, der hier ist nicht in unserer Band, einfach nur ein komischer Kerl, der hier gerade vorbei gelaufen ist. Wir haben ihn nur getröstet. Er ist einfach zu sensibel.
Es ist wirklich komisch, denn Ihr betont ständig, dass Ihr Eure Songs nur für Eure Freundinnen schreibt.
F: Ja, das ist doch eindeutig. Eindeutiger geht eigentlich gar nicht. Aber vielleicht denken sie, wenn ich "she" sage, meine ich die Kurzform von "shemale", also "Chicks with Dicks".
Könntet Ihr denn ohne Eure Freundinnen Musik machen?
F: Wenn meine Freundin in meiner Nähe ist, und ich versuche einen Song zu machen, kann ich das überhaupt nicht. Sie versucht sich über mich lustig zu machen. Mit ihr in der Nähe, bin ich nicht fähig, ein Interview zu geben, denn sie macht sich über mich lustig. Es ist egal, wie sehr ich mich anstrenge, eine Frage auf eine Art zu beantworten, über die sie sich nicht lustig machen kann, sie tut es immer.
M: Aber sie macht das nicht auf eine sanfte, frauliche Weise, dass man sich danach besser fühlt, sondern man fühlt sich so verdammt dumm. Wenn sie rein kommt, wird Forrest richtig depressiv.
Also unterstützen Euch Eure Freundinnen nicht wirklich?
M: Zuerst sind sie richtig fies, aber danach machen wir wundervollen Sex.
F: Sie machen das absichtlich, damit wir überhaupt weitermachen können.
M: Es ist wie bei Männern, die ihre Frauen schlagen. Nach den Schlägen sagen sie "Oh, komm her, Babe. Es tut mir leid und ich hab es nicht so gemeint." So machen das unsere Freundinnen mit uns.
F: Ja, und deswegen würde ich sie nie verlassen.
M: Genau, sie würde mich töten, wenn ich sie verlassen würde.
Euer Video zu "Shimmy Shimmy Quarter Turn" erinnert doch stark an "Baywatch".
F: Wir haben schon längst ein größeres Video, aber in Deutschland werden wir nur nach "Shimmy Shimmy Quarter Turn" befragt.
M: Jeder hier liebt David Hasselhoff.
Habt ihr gewusst, dass Hasselhoff behauptet, wegen ihm sei die Berliner Mauer gefallen?
M: Ja, das steht sogar in amerikanischen Schulgeschichtsbüchern. Aber die Amerikaner denken ja sowieso, Hasselhoff sei euer Präsident.
F: Ich könnte nicht mal sagen, wer euer Präsident ist.
Unser Präsident heißt Köhler, aber er hat nichts zu sagen. Bei uns hat eine Frau etwas zu sagen.
F: Aber der Präsident nicht?
Nein, der ist so ein bisschen wie die Queen und macht hauptsächlich repräsentative Sachen. Die Bundeskanzlerin heißt Angela Merkel.
F: Kennt ihr das Video, in dem Hasselhoff betrunken auf dem Boden rumkrabbelt?
Klar.
(Marcus nippt an seinem Cappuccino. Forrest guckt ihm verwundert zu.)
F: Was ist ein Cappuccino? Ist das wie ein Latte Macchiato?
Es ist ein Espresso mit viel Milch. Der Unterschied ist, dass bei Latte zuerst die Milch und dann der Espresso reingeschüttet wird und beim Cappuccino andersherum. Ich bin mir aber nicht ganz sicher.
F: Ah, okay.
Inzwischen haben wir gelernt, dass diese Erklärung falsch ist. Es hängt ganz alleine von den Mengenverhältnissen von Espresso, Milch und Schaum ab, ob sich ein Getränk Cappuccino oder Latte Macchiato nennt. Da wir wegen dem scheußlichen Wetter auf den Genuß einer Maß verzichtet haben, machen wir uns schnell auf den Heimweg und siehe da, die gelbe Sau, wie Peter Licht sie in seinem "Lied Gegen Die Schwerkraft" beschreibt, beginnt zu strahlen.
Noch keine Kommentare