laut.de-Kritik
Grönemeyer kann nicht tanzen. Er tut es trotzdem.
Review von Gordon BuschleJetzt schlägt's zwölf – und zwar live! "12 Live" heißt die neue Konzert-DVD von Herbert Grönemeyer. Damit verkündet er nicht die Gründung eines neuen Fernsehsenders, sondern gipfelt vielmehr die vorweihnachtliche Materialschlacht in Sachen Musik.
Gleich drei DVDs enthält das buchdicke Case. Nummer eins beinhaltet das Konzert im Rhein-Energie-Stadion in Köln vom 20. und 21. Juni 2007. Nummer zwei ist ein Dokumentarfilm zur Tour. DVD Nummer drei beinhaltet das ganze Konzert und weitere Extras in High-Definition-Qualität. Gesamtspielzeit: ca. 520 Minuten. Na dann, Prost!
Es ist Mittwochabend, das Stadion rappelvoll. Tausende friedfertige Menschen aller Altersklassen haben sich versammelt. Kein Gedrängel, keine Kämpfe um den besseren Platz. Die Stimmung schwebt warm und wohlwollend durch die Lüfte, ganz wie vor einem Gottesdienst.
Auf die Leinwand der Bühne wird eine handgemalte Uhr projiziert. Es ist fünf Minuten vor zwölf. Mit jeder Bewegung des großen Zeigers steigert sich die Geräuschkulisse.
Jetzt ist es zwölf. Und? Es erscheint nicht Gott. Nein, es ist der Herbert! Die Leute rasten aus. Er geht den ewig langen Catwalk in Form eines Uhrenpendels hinaus und gibt dabei noch so vielen Fans wie möglich die Hand. Für so viele Zuschauer hätte er sich aber auch etwas Besseres anziehen können. Am Ende steht ein Klavier. Er singt "Leb In Meiner Welt" (!). Alles klar, Herbert, zumindest für anderthalb Stunden!
Als zweites singt er "Kopf Hoch, Tanzen". Grönemeyer selbst kann gar nicht tanzen. Er tut es trotzdem, und zwar von links nach rechts, von vorne nach hinten und wieder zurück. Die Leute finden's geil – ich auch.
Im Laufe des Konzerts spielt er noch weitere Stücke seines letzten Albums, dazwischen immer wieder Klassiker wie "Männer" oder "Flugzeuge Im Bauch". Die Versionen sind im Konzertarrangement geschrieben. Die Band gibt alles – genau wie der Herbert.
Mitunter verstehe ich den Text nicht mehr. Grönemeyer ist nur noch am Gurgeln und Röcheln. System Overload. Die Fans scheint das aber nicht zu jucken, sie kennen die Texte alle auswendig.
DVD Nummer zwei – oder: "Unterwegs – Der Tourneefilm von Uli Stein". Klingt irgendwie langweilig, ist es aber gar nicht. Hier erfährt man so einiges, was man sonst nicht unbedingt mitbekommt. Das Themenraster reicht dabei von Herberts eingeklemmtem Nerv vor der Tour über runde Würste auf eckigen Broten bis hin zum komplizierten Aufbau einer perfekten Bühnenshow. Dazwischen gib immer wieder Herbert seinen Senf dazu.
Mittlerweile weiß ich also, dass es unter der Bühne aussieht wie im Pentagon, dass jeder, der Ahnung von etwas hat, sich nur auf Englisch unterhält, die Fans in Bochum besonders herzlich sind und Herbert das Konzert in Stuttgart besonders gut gefallen hat. Schön zu wissen.
"12 Live" ist ein schönes Sammelwerk für jeden Grönemeyersympathisanten. Doch wer es sich anschafft, sollte sich zum Ansehen etwas mehr Zeit einplanen.
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