laut.de-Kritik
Hervorragendes Mood-Album mit kompositorischen Schwächen.
Review von Manuel BergerSo richtig festlegen möchte sich Holly Miranda einfach nicht. Die aus Detroit stammende Sängerin scheute in der Vergangenheit weder vor Taylor Swift-Country ("Holly Miranda") noch vor elektrisiertem Produzenten-Dream Pop ("The Magician's Private Library") zurück. 2016 mündete die Experimentierfreude in das recht inkongruente Cover-Album "Party Trick". Auch "Mutual Horse" franst stilistisch etwas aus, funktioniert zumindest als Mood-Album aber hervorragend.
Mit immer leicht schläfriger Stimme führt die Sängerin durch warme Klangkulissen. Ein träumerischer Shoegaze-Vibe liegt über vielen Songs, großzügiger Einsatz von Reverb schafft den typisch verwaschenen Soundteppich. In diesen webt Miranda gern Saxophon ein, besonders "Towers" verleiht sie dadurch einen jazzigen Touch. Einer der schönsten Clashes ersteht in "When Your Lonely Heart Breaks". Während Miranda Lana Del Rey-mäßig vor sich hin croont, läuft ein durchaus tanzbarer Percussion-Beat durch den gesamten Song und im Hintergrund erheben sich Country-Harmonien.
Haftet den genannten Beispielen die typische Intimität eines Singer/Songwriter-Albums an, bricht Miranda aus dieser andernorts immer wieder aus und frönt poppigeren Melodien. Das klappt in "Golden Spiral" – das etwas nach gezähmter Alice Merton klingt – und auch im Ohrwurm "Mr. Fong's". In beiden Tracks bewahrt sie sich durch verschrobene Einschübe eine Identität.
Komplett flöten geht diese dagegen in "Exquisite". Konturlos sind nicht nur die Gesangslinien, sondern vor allem das instrumentale Bett. Und hat man einmal die Skip-Taste betätigt, sinkt die Hemmschwelle es erneut zu tun.
Gelegenheiten bietet Miranda leider gerade in der zweiten Albumhälfte zur Genüge. "Do You Recall", "Let Her Go" und "Sing Like My Life" tun es zwar rein atmosphärisch als Hintergrundbeschallung für Kuschelnachmittage, bieten aber nichts Griffiges zum Aktivhören. Der Familien-Gelaber-Skit "Gina" taugt nicht einmal dazu und existiert wohl einzig, um die nachfolgende Akustikballade "Mt. Hood" von den volleren Arrangements des Albums abzutrennen. Immerhin bildet diese einen überzeugenden Abschluss.
So nützt es am Ende nur bedingt, dass Miranda sich einen zweifellos eigenen Sound erschafft, diesen mithilfe der Produktion wunderbar in Szene setzt und dabei dennoch abwechslungsreich bleibt. Die Kompositionen besitzen einfach nur in etwa der Hälfte der Fälle Nährwert. Schade, denn auch stimmlich hätte Miranda das Rüstzeug zu wirklich Großem.
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