laut.de-Kritik
Des Emperors neue Kleider.
Review von Yan VogelIn jedem Musikstil gibt es irgendwann einen Widerstreit zwischen Tradition und Moderne. Die Ars Antiqua oder reine Lehre des Metal ist ein juveniler Feuchttraum, aber auch dieser Reiz erstarrt irgendwann in Konventionen.
Ihsahn, der mit Emperor dazu beitrug, Black Metal zu definieren, greift mittlerweile meilenweit über die Genregrenzen hinaus. Seine Ars Nova des Extrem-Metal hat die Wurzeln längst gekappt. Entsprechend musiziert er in freigeistiger Denkart je nach Stimmung in diversen Gefilden, sei es Black Metal und R'n'B oder Jazz und Classic Rock. Diese vereint er spielerisch, was mal mehr ("Eremita") und mal weniger ("Das Seelenbrechen") auf Gegenliebe stößt.
Entsprechend der musikalischen Ausdrucksmittel geraten die Texte nachdenklich und reflexiv und bleiben nicht in Nihilismus und Misanthropie stecken. Dystopisch und kritisch verpackt - angesichts gesellschaftlicher Verwerfungen - weiß Ihsahn das Leben durchaus zu schätzen. Wo Licht scheint, mischt die Dunkelheit aber immer mit, wovon die erste Single "Arcana Imperii" frohlockt: "This is the black / This is the night / This is your dawn".
Die Produktion klingt als hätte der Norweger die dritte Dimension ausgehebelt und seine Musik auf eine zweidimensionale Fläche projiziert. Der Sound wirkt komprimiert und kommt mit wenig Hall aus. Diese Ästhetik mag sicherlich dem Wunsch geschuldet sein, eine Sci-Fi-Atmosphäre mit analogen Synthies zu kreieren und die Drums mit einem urbanen Disco-Touch zu versehen. Sind das des Emperors neue Kleider?
Das Songwriting folgt dem auf "Arktis" eingeschlagenen Weg von Melodie meets Beat meets künstlerische Freiheit. Insgesamt fallen die Stücke weniger bombastisch und nicht so kohärent aus wie auf dem durchkonzipierten Vorgänger. In den Spitzen lotet "Ámr" die Extreme weiter aus. So knattern die Riffs und die Blasts im Opener "Lend Me The Eyes Of Millenia" und im Closer "Wake" wie es der trueste Pandabär gerne hätte. Daneben kredenzt der 42-Jährige einige der eingängigsten Refrains seiner Karriere und das teilweise im selben Stück wie "Wake" mit seiner zwischen Moll und Dur pendelnden Hammerhook beweist.
Daneben wartet der überzeugte Bartträger mit introvertierten, balladesken Parts auf, die die schwarz-weiße Schminke in Tränen auflösen dürfte. Der Quasi-Titeltrack "Sámr", "Where You Are Lost And I Belong" sowie "Twin Black Angels" sind lichtdurchwirkte Oden an die Dunkelheit und in ihrer Fragilität ein Abbild der unsteten Seite der Conditio Humana. Smasher wie "Marble Soul", "In Rites Of Passages" oder "One Less Enemy" dürften mit ihrer Soilwork-Kante für Begeisterung bei den raren Livegigs oder der Metal-Disco sorgen.
Somit kommt der Schwager von Leprous-Sänger Einar Solberg innovativer daher als es das Gros der Prog-Szene gerne wäre und wartet trotz des gewöhnungsbedürftigen Sounds mit einer eigenen Vision des Black'n'Rock'n'Prog'n'Jazz'n'Pop auf.
3 Kommentare
Album find ich wohl auch gut, aber das mixing und die production? In wessen Ohren klingt das denn bitte richtig und angenehm? Ich kann da so manche Trends der letzten Jahre nicht nachvollziehen, das klingt einfach scheiße...
Geht so. Ihsahn braucht aml wieder nen künstlerischen Befreiungsschlag a la Seelenbrechen oder After.
Ach ja, und schon von Dildo erwähnt, Produktion ist zuviel des Guten.
"Ihsahn braucht aml wieder nen künstlerischen Befreiungsschlag a la Seelenbrechen oder After."
Halte gerade AMR nach der für mich etwas schwächeren Arktis für einen weiteren Befreiungsschlag, sehr viel minimalistischer und viel treffsicherer, gleichzeitig mit vielen neuen Aspekten und auch einer tendenz, die sich nach Arktis angekündigt hat: Mehr Synthies. Finde AMR richtig gut.
Die Abmischung geht schon iO, allerdings finde ich Soundentscheidungen des Schlagzeuges hin und wieder ein bisschen fragwürdig.