laut.de-Kritik
Zwischen gute Stücke mogelt sich ranziger Quark.
Review von Ulf KubankeNach vier Jahren ohne Studioalbum legen In Strict Confidence offensiv los. Die barbusige, lediglich mit antikem Taucherhelm bekleidete Dame sitzt als nachdenkliche Helmut Newton-Reminiszenz im Zentrum des Artworks von "The Hardest Heart". Ähnliches Grübeln ereilt den Hörer mit den zwölf neuen Nummern. Neben echte Klassetracks gesellen sich auch einige Ausfälle. Jörg Schelte und Haydee Sparks retten die Platte aber vor dem Absturz.
Was Komposition und Arrangements angeht, haben ISC nicht erst seit gestern einiges auf dem dunklen Kasten. Die Mehrheit der Lieder (plus zwei angehängte Videos) bieten deutlich mehr als durchschnittliche Darkwave-Hausmannskost.
Dies liegt an der melodischen Hochwertigkeit, verbunden mit Jörg Scheltes für Szeneverhältnisse recht einzigartigen Soundmalereien sowie Sparks dezenter Gitarre. Geschickt entziehen sie sich mit ihrem sehr atmosphärischen und recht variablem Ansatz elektrischen Schubladen wie EBM und Co.
Ihr Gespür für cleveres Entertainment offenbart sich bereits auf den ersten drei Tracks, die zum Besten ihres Gesamtkatalogs zählen. Eingängigkeit ohne Simplifizierung ist Trumpf, Lyrics ohne Peinlichkeiten runden das Bild ab. "Somebody Else's Dream" überzeugt mit sensibel angeschlagenem Rock-Riff zwischen groben Futurepop-Brocken. "Everything Must Change" glänzt mit einer dramatischen Melodieführung. Der Opener "Frozen Kisses" reitet als dämonische Nekromanze souverän ins Ziel.
Die opulente Dunkelheimer-Ballade "Time" spielt geschickt mit Laut/Leise-Kontrasten. Trotz der nicht üblen Streichersynthie-Hook im Chorus gewinnt das Lied vor allem mit gelegentlich eingestreutem und weniger vordergründigem Geklöppel. Mit dem nachfolgenden "Herz" gelingt dem Quintett ein echter Ohrwurm voller Hitpotential. Dank Haydee Sparks zum Ende aufblitzender Gitarre Marke Cassandra Complex Anno "Second Shot" hebt es sich wohltuend vom Gros typischer Genre-Clubsongs ab.
Auf der Minusseite muss man jedoch ein paar unnötige Ausreißer nach unten ertragen. "Destroy Something Beautiful" oder "Ask Your Soul" sind allerhöchstens Schwarzkittel-Dutzendware. "Letzter Wille" gibt betroffenen Rührseligkeits-Schlager als echte Melancholie aus. Vollkommen unverständlich, was solch ranziger Quark zwischen all den guten Stücken zu suchen hat.
Der Gesang Dennis Ostermanns (zehn Songs) und Nina de Lianins (zwei Lieder) ist ein Kapitel für sich. All zu oft setzt der Frontman auf die Karte des spröden Sandpapierburschen. Das klingt nie so überzeugend wie bei Cubanates unerreichtem Marc Heal ("Hate Song"), aber auch nie so aufgesetzt wie Peter Spilles Pseudomonster-Reibeisen. Zwischen beiden Stühlen sitzend, wertet seine Stimme die Lieder nicht durchgehend auf.
Sängerin, hervorragende Tänzerin und Model de Lianin inszeniert sich vorwiegend als Blickfang und Augenweide auf der Bühne. Die optischen Charisma-Punkte nutzen auf Platte allerdings wenig. Ihr recht dünnstimmlicher Vortrag gerät nämlich nicht ganz so überzeugend. Auf "Doublefaced" funktioniert der Elektrorocklady-Faktor noch einigermaßen, obwohl sie der Nummer nicht gerade ihr Brandeisen aufdrückt.
Das Finale "Coming Closer" macht hingegen deutlich, dass es ihrer durchaus angenehmen Stimme noch an Volumen mangelt. Sabine Theroni und Malgorzata Wacht zeigten unlängst bei Velvet Acid Christ, wie machtvoll man solche Songs anlegen muss, damit sie wirklich fesseln. Falls sie hier deutliche Fortschritte machte, könnte de Lianin die männlichen Leadvocals ablösen, da ihre Stimme grundsätzlich gut zu den Soundscapes passt.
2 Kommentare mit einer Antwort
Ich verneige mich vor dir Ulf, du warst der letzte gute Schreiberling auf Laut.de! Der Mann mit dem besten Musikgeschmack, hat mit dieser Review das sinkende Schiff verlassen
ist Ulf weg? ich merke es auch, dass er seit 4 Jahren nicht mehr kommentiert und schon noch länger keine Review mehr geschrieben hat??
Gibt es dazu eine Stellungsnahme?? was ist passiert?
Holt Ulf zurück bitte