laut.de-Kritik
Mixtape-Briefwechsel mit Iron & Wine und Band Of Horses.
Review von Markus BrandstetterLange Zeit schickten sich Sam Beam, besser bekannt als Iron & Wine, und Band-Of-Horses-Frontmann Ben Bridwell regelmäßig kleine Pakete zu. Immer wenn der Postmann wieder ein Päckchen ablegte, wusste der andere: Es gibt neue Musik. Genauer gesagt wieder ein neues Mixtape, auf dem der eine dem anderen seine Lieblingssongs vorspielte, ihn auf Neues und Altes aufmerksam machte. Nun liegt die logische Konsequenz aus diesem Mixtape-Briefwechsel vor: ein gemeinsames Album der beiden Freunde mit einem Querschnitt der eigenen Lieblingssongs. Und deren Auswahl ist wunderbar durchwachsen.
Es gibt auf "Sing Into My Mouth" zwei Herangehensweisen an die Stücke. Die eine: Songs auswählen, die im Kontext des eigenen Klangkosmos (beziehungsweise der Schnittmenge der beiden musikalischen Pole) ohnehin schon ohne große Adaption bestens funktionieren. "Done This Before" von Ronnie Lane beispielsweise, das zweite Stück der Platte, findet sich relativ originalgetreu wieder, auch bei Bonnie Raitts "Anyday Woman" musste man erst gar keine großen musikalischen Brücken finden.
Und es gibt diese Stücke, die Beam und Bridwell schon aufgrund der Instrumentierung des Albums (wunderschön räumlich aufgeteilte Akustikgitarren, eine mäandernde Lapsteel, ein gelegentliches Klavierfundament und sehr spärliche Schlagzeug-Untermalung) neu übersetzen müssen und hörbar viel Spaß daran haben. So fällt der Opener deutlich in die zweite Kategorie: für diesen hat man sich "This Must Be The Place (Naive Melody)" ausgesucht, ein Stück, das die Talking Heads 1983 auf ihrem Album "Speaking In Tongues" veröffentlicht haben. Beam und Bridwell machen daraus eine wundervolle, beinahe heimelige Folknummer, die nichts von David Byrnes vehementer Coolness spüren lässt, sondern die einen wie ein alter Freund, den man lange nicht gesehen hat, Willkommen heißt - so warmherzig wie es damals Neil Young bei "Good To See You" auf "Silver & Gold" tat.
Ein zweites Highlight der Platte ist Sades "Bullet Proof Soul", deren unverkennbaren Smooth-Soul-Jazz sie in eine auf das Fundament runtergebrochene Downtempo-Ballade in Moll übersetzen. Bei John Cales "You Know Me More Than I Know" geht einem dessen Stoizismus ein wenig ab. Auch Cales Namensvetter J.J. ist in der Tracklist vertreten: "Magnolia" versehen die beiden mit einer Menge an Effekten, instrumentieren opulenter als auf der restlichen Platte, steigern die Atmosphäre und Dichte immer wieder.
"God Knows (You Gotta Give To Get)" von El Perro del Mar ist dann eher wegen seiner Auswahl als ob seiner Ausführung interessant. Aus dem 2006 auf dem selbstbetitelten zweiten Album der schwedischen Sängerin Sarah Assbring erschienenen Song, im Original ein süßlich-melancholischer Anachronismus von einem Popsong, wird auf "Sing Into My Mouth" eine schwerfällige, schleppende aber nicht an die Substanz des Originals heranreichende Ballade.
Der elegante, eindringliche Soul von "Am I A Good Man" von Them Two (Hip Hop-Hörern eventuell durch Ghostface Killahs "Purified Thoughts" geläufig, für das er sich aus jenem Song bedient hat) trifft hier auf fieberhaften, getriebenen Countryrock; "No Way Out Of Here" von Unicorn bleibt relativ unverändert. Wunderschön und überkurz, wie im Original, ist "AB's Song" von der Marshall Tucker Band - und dann setzt man noch ein letztes Mal auf dichte Atmosphäre, und zwar bei Pete Seegers "Coyote, My Little Brother".
"Sing Into My Mouth" ist offensichtlich ein Herzensprojekt von Sam Beam und Ben Bridwell, ein gemeinsames Innehalten und Zurückblicken. Zwar hat der Longplayer gerade bei den relativ originalgetreu übernommenen Stücken die eine oder andere Länge - ein hörenswertes und vielerorts auch bemerkenswertes Coveralbum ist es gleichwohl.
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