laut.de-Kritik
Wahrhaft großes Songwriting und gekonnt verspielte Details.
Review von Alexander CordasIron Maiden können mittlerweile eigentlich nichts mehr falsch machen. Nagte zu Beginn der Neunziger der Zahn der Zeit oder der Zweifel an den Engländern, so hat spätestens der zwischenzeitliche Aus- und Wiedereinstieg von Bruce Dickinson für frischen Wind im Hause der Jungfrauen gesorgt. Über das kreative Potenzial der Blaze-Ära decken wir brav das Mäntelchen des Schweigens, denn das war vielleicht 'ne Heavy-Band, aber sicher nicht Maiden.
Im Vergleich zu "Brave New World" klingt der Verbund der sechs erheblich druckvoller, und endlich ist auch die dritte Gitarre auszumachen. Verdammt tight riffen sie sich durch die Songs. Nicht unbedingt nachvollziehbar ist, wie es ein eher mittelmäßiger Track wie "Wildest Dreams" auf die Platte geschafft hat, der zu allem Überfluss auch noch als erste Single-Auskopplung und Opener herhalten muss, das ist eine viel zu große Bürde für den Kleinen. Sein größerer Bruder "Rainmaker" schiebt aber ordentlich an und macht seine Sache in 3:48 Minuten sehr gut.
Bruce Dickinsons Gesangsarbeit hört sich genau so an, wie die komplette Band spielt, nämlich, als ob sie bei "Seventh Son Of A Seventh Son" anknüpften, als habe es die zwischenzeitlichen Fehlschläge nicht gegeben. Mit Steve Harris' Komposition "No More Lies" beginnt ein Reigen wahrhaft großen Songwritings und gekonnt verspielter Details. Der sanfte Beginn mit klasse Melodieführung leitet mit einem gut zweiminütigen Intro in einen Uptempo-Brecher über, der so auch auf "Piece Of Mind" oder "The Number Of The Beast" hätte vertreten sein können.
Zweimal tauchen Maiden wieder in die Abgründe und Perversionen der Geschichte ein. "Montségur" behandelt die Geschichte der Gralsburg der Katharer in den südfranzösischen Pyrenäen, wo im Jahr 1244 ein Massaker mit Billigung der katholischen Kirche stattfand. "Paschendale" hingegen ist ein Ort in Flandern, wo über die gesamte Dauer des ersten Weltkrieges hinweg grauenhafte Kämpfe wüteten, und wo noch heute Leichenteile beim Pflügen der Felder ans Tageslicht kommen. Während das Mittelalter-Thema eher bretternd daher kommt und in etwas zu bewährten Songstrukturen und Gesang verharrt, schwingt sich "Paschendale" zu einer apokalyptischen Hymne empor. Dezente (jetzt aber mal wirklich dezente) Streicher unterstützen diese Stimmung.
Was die Eisernen aber mit "Journeyman" abliefern, wird wohl nicht nur eingefleischte Fans erweichen. Was für eine Ballade! Genauso muss sich ein rührendes Stück Musike anhören. Meine Güte, da muss die Band so alt werden, um ein Ding von diesem Karat aus dem Hut zaubern. Akustik-Gitarre mit Lagerfeuer-Flair durfte man auch nicht unbedingt von einem Metal-Flaggschiff erwarten. Aber im Gegensatz zu Bands, die damit in seichte Gefilde abdriften, setzen Harris, Dickinson und co. damit einen würdigen und schönen Abschluss an das Ende einer ebensolchen Platte.
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