laut.de-Kritik

Im Synthiepop geht nichts mehr? Von wegen!

Review von

Wenn Depeche Mode ein neues Album ankündigen und die Öffentlichkeit das als frischen Wind wahrnimmt, kann es um die Kreativität der Elektromucke von Synthiepop bis Darkwave nicht gerade gut bestellt sein. Entsprechend enttäuschend geriet 2012 auch die eine Spur zu routinierte Konfektionsware deutscher Aushängeschilder wie etwa De/Vision oder Heppner.

Ausgerechnet aus der zweiten Reihe der Szene kommt mit Janosch Moldaus "Lovestar" jetzt eine Scheibe, die man zum ausklingenden Jahr getrost als Ehrenrettung dieser wenig fortschrittsfreudigen Musikrichtung bezeichnen darf. Trotz manch kleiner Schwächen: Für Genrefans und Freunde entspannt herbstlichen Pops sicherlich ein Sahnestück.

Der "Lovestar" ist nämlich genau das, was der Volksmund gerne als 'Grower' bezeichnet. Der Begriff ist zwar großer Humbug, denn in Wahrheit wächst ja die Wahrnehmungsfähigkeit des Hörers und nicht die Mucke. Doch genau hier liegt Moldaus Teufel im Detail begraben. Wer die CD lediglich als seichtes Bächlein im Hintergrund laufen lässt, erhält einen schmeichlerischen Elektrokokon für jede Gelegenheit. So weit, so gut. So unspektakulär.

Nimmt man sich jedoch die Zeit, der Scheibe einen bewussten Hördurchgang zu gönnen, entpuppt sie sich schnell als sehr amüsante Sammlung leicht melancholischer Pop-Perlen, deren Arrangements mit jedem Hören detailfreudiger klingen. Überladen indes nicht, an so mancher Stelle hätte das rhythmische Weltschmerzkorsett sogar noch eine Schippe vertragen, wäre der Mann im Besitz des Soundparks von DM oder zuletzt Muse.

Schon das für einen Opener ungewöhnlich langsame wie dramatische Titelstück birgt einen emotionalen Höhepunkt. Moldaus charismatischer Gesang vermeidet wohltuend jede übertriebene Anbiederung an große Vorbilder. Die beschwörend hypnotische Kraft seiner voluminösen Vocals, gepaart mit der Vorliebe für gelegentliche Drama Queen-Melodieführung ist bei einem derartig hoch angelegten Timbre alles andere als selbstverständlich.

Auch der Rest seines Liebessterns wartet mit schönen Gimmicks auf, die sich von der Schlichtheit vieler Kollegen unterscheidet. Die charmant prähistorischen Synthielinien auf "My Love", "The Final Show" oder "Second Best" sind solche Momente. Zumindest im Ansatz mehr Eberhard Schoener anno Sting 1976 als Wolfsheim und Co-Copycats. Bravo. Was der unpassend furchterregende Percussioneffekt jedoch in Letzterem zu suchen hat, wird wohl das Geheimnis der Moldau bleiben.

Das recht moderne Instrumental "No Gender" macht mit seinem smooth angeclashten Dancefunk dem angrogynen Namen alle Ehre. Aus der Sicht altgedienter EBM-Kempen und Synthiepopfreaks ist das ja fast schon Dubstep. Weiter kann man innerhalb der strukturkonservativen Genregrenzen kaum gehen, so es von Fans goutiert werden soll.

Sehr angenehm auch, wie der Ulmer organische Elemente integriert. Man höre nur die tragende Pianospur in "Empty". Kein kitschiger Tapetenmusikeinsatz, sondern songdienlich eingebautes Extrathema zur Verfeinerung der ansonsten fast zu eingängigen Melodie. Gelungen schwermütiger Kontrapunkt. Auch die schnelleren Tracks für den Floor gelingen. "In Another World" überzeugt hier dank spät einsetzendem, analogen Elektrozaun-Synthie und etwas zu schüchternem Rocktouch.

Insgesamt ein songwriterisch erfreuliches Album, dem man noch ein paar kleinere, aber deutliche Schwächen beim Finden eines eigenständigen Sounds anhört. Diese abzustellen, sollte dem Künstler Moldau ein Leichtes sein. Schafft er es, lockt beim nächsten Mal die Herbstmeisterschaft gegen die ehemaligen Vorbilder mit fettem KO-Sieg und nicht nur nach Punkten.

Trackliste

  1. 1. Lovestar
  2. 2. My Love
  3. 3. Into This Life
  4. 4. Satellite
  5. 5. Second Best
  6. 6. Enough
  7. 7. The Final Show
  8. 8. Empty
  9. 9. The Lovers' Song
  10. 10. In Another World
  11. 11. Open Wounds
  12. 12. No Gender
  13. 13. Abraham
  14. 14. Devadasis

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Janosch Moldau

Vom Tellerwäscher zum Millionär, vom Roadie zum Rockstar oder eben der schwäbische Traum: vom Sounddesigner zum Songwriter & Bühnendarsteller.

7 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    heppner bekäme von mir einen punkt.
    mit dem, was er abliefert.
    was andere schreiben ist ja nicht mein maßstab und umgekehrt.
    das muss ich d i r doch eigentlich so gar nicht erzählen.

  • Vor 12 Jahren

    verstehe nachwievor deine momentane abneigung gegenüber heppner nicht

  • Vor 12 Jahren

    es ist keine abneigung; eher das gegenteil. er macht nix mehr aus seinem talent....wolfsheim fand ich super mit den ersten scheiben....heppner hat eine absolute charakterstimme und fette bühnenpräsenz.
    der könnte so etwas wie der deutsche peter murphy sein. doch sein wechsel von peron (produzent) und schickem songwriting zur töffeligen zweitliga tapetenmusikindustrie....dieses fehlewn eigener ideen und dann noch die mutlose allerweltsmucke seit 10 jahren.....wer das seit 1989 (sparrows+nightingales) mitbekommt, dem bleibt die ehemalige zuneigung zum ehemals prägenden künstler leider im halse stecken....und wenn jene, die es besser könnten, nicht mehr tun.....ja wer soll es denn dann noch machen?