laut.de-Kritik
Gelungene Ausgabe mit Original-CD, Bonustracks und DVD.
Review von Giuliano BenassiAls Jeff Buckley 1994 die internationale Bühne betrat, verursachte er allein durch seinen Namen ein großes Aufsehen: Er war der Sohn des Singer/Songwriters Tim Buckley, der 1975 an einer Überdosis Heroin gestorben war. Eine dramatische Vorgeschichte, die angesichts der Intensität der Darbietung des jungen Jeffs aber schnell in den Hintergrund geriet.
Seine Deutschlandtour 1995 ließ erahnen, welches Potenzial in ihm steckte. Begleitet von einer eingeschworenen Band, vermochte er mit seiner Gitarre und Stimme das Publikum zu verzaubern und in eine Welt zu entführen, die weit entfernt von der Realität zwischen Melancholie, Freude und Erwartung schwebte. Seine Reise fand in einer Coverversion von Leonard Cohens "Hallelujah" ihre erste Vollendung.
Leider handelte es sich auch um die Endstation, denn Buckley ertrank 1997 im Mississippi. Geblieben sind neben zahlreichen posthumen und mehr oder weniger unnötigen Veröffentlichungen seine Debüt-EP "Live At The Sin-é" und sein erstes Album, "Grace". Beide bringt das Label Columbia nun mit üppigem Bonusmaterial, schöner Gestaltung und annehmbaren Preisen wieder auf den Markt.
2004 hat "Grace" nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Die Riffs der schnellen "Mojo Pin", "Grace" "So Real" oder "Eternal Life", die Zärtlichkeit von "Hallelujah" und "Lilac Wine", die Melancholie von "Lover, You Should Have Come Over" – sie alle haben den Test der Zeit bestanden und gehen heute noch genauso unter die Haut wie damals. Produzent Andy Wallace schaffte es, die unbändige Kreativität Buckleys in ein handliches Format zu packen, ohne seine Flügel zu stutzen. Eine Leistung, die nicht hoch genug einzuschätzen ist – bedenkt man etwa, was Chas Chandler an Jimi Hendrix verbrochen hat.
Zum klanglich überarbeiteten Album gesellen sich ein aufwändiges Booklet, eine zweite CD mit zusätzlichen Stücken und eine DVD. Auch wenn der zugehörige Text mit großen Versprechungen aufwartet, lassen sich auf der zweiten Scheibe kaum Schätze finden. Die besten Stücke kommen gleich zu Beginn. "Forget Her" entstand bei den Aufnahmen zum Album, wurde aber zugunsten von "So Real" liegen gelassen. "Dream Brother" klingt nicht wesentlich anders als die endgültige Version, hat aber einen anderen Text.
Spätestens mit "Alligator Wine" wird die Angelegenheit ziemlich anstrengend; der Blues mit einer Gitarre am Rande des Feedbacks und Buckleys Stimme am Anschlag hört sich eher an wie eine Improvisation als wie eine ausgearbeitete Idee. Das Gleiche gilt für "Parchman Farm Blues" und das vierzehnminütige "Kanga-Roo". Die Studio-Live-Versionen von "Eternal Life" und "Kick Out The Jams" klingen grungig, am gelungensten sind die zwei langsamen "Mama, You Been On My Mind" und "The Other Woman".
Ganz anders die DVD, die neben einer kompletten Diskografie und Untertiteln in verschiedenen Sprachen eine Dokumentation und fünf Videos anbietet. Im knapp halbstündigen Film kommen alle Beteiligten an den Aufnahmen zu Wort – inklusive Buckley, der sich und einige Stücke in einem für den Vertrieb entstandenen Promovideo vorstellt. Überwiegend in Brauntönen gehalten, liegt ein nostalgischer, aber nicht verwester Geruch in der Luft. Recht lebendig sind auch die Videos, die zwar kaum MTV-Award-würdig ausfallen, ab und an – wie etwa bei "So Real" – aber nette Idden vorweisen.
"Kaum zu glauben, dass 'Grace' bei seinem Erscheinen eine kleine Enttäuschung darstellte", schreibt der Journalist Bill Flanagan im Booklet; zu diesem Zeitpunkt waren es Nirvana, Nine Inch Nails oder Smashing Pumpkins, die musikalisch die Richtung wiesen. "Dadurch, dass es sich nicht in den dominierenden Stil seiner Zeit einreihte, machte Buckley 'Grace' zu einem zeitlosen Album. Wer hätte damals gedacht, dass es zu einem der einflussreichsten der 90er werden würde?"
Bemerkungen, die durchaus Sinn machen. Das Bonusmaterial und der Preis machen die "Legacy Edition" nicht nur für Buckley-Neulinge interessant: Die DVD lädt geradezu ein, ihn wieder zu entdecken. Ein Unterfangen, das sich lohnt.
2 Kommentare mit einer Antwort
Ob das Album auch ohne Hallelujah so bekannt geworden waere ?
Eines der 5 besten Alben der 90er Jahre und eines der wegweisenden Alben des Alternative Rock.
Jeffs Version von “Hallelujah“ ist dabei nur einer von vielen Meilensteinen auf der Platte.
Ob er ohne “Hallelujah“ auch so bekannt geworden wäre? Vielleicht nicht aber was sagt das aus?
So traurig, dass er viel zu früh gehen musste. Es ist nur zu erahnen, was sein musikalisches Genius der Welt noch geschenkt hätte.
du meinst wohl: Ob das Album ohne Hallelujah noch unbekannter geworden waere ?