laut.de-Kritik
Viel Herz, aber wenig Innovation.
Review von Karina SadkovJelly Roll etablierte sich als facettenreicher Künstler, der die Grenzen zwischen Rap, Country und Southern Rock verwischt. Geprägt von einem Leben voller Sucht, Armut und Gefängnisaufenthalten, verarbeitet der gebürtige Jason DeFord seine düsteren Erfahrungen seit über zehn Jahren in einer Musik. Sein Glaube spiegelt sich wiederum in den Texten wider. "Beautifully Broken" bleibt jedoch hinter den Erwartungen zurück.
Auf dem letzten Album "Whitsitt Chapel" erzählte er bereits von seiner Reise durch Schmerz und Erlösung, von seinen inneren Kämpfen. Offenbar reichte ein Album dafür nicht aus, auch auf "Beautifully Broken" berichtet er, wie stark Drogen und Kriminalität sein Leben beeinflusst haben. Die Melodien wirken austauschbar, und die Texte wiederholen zu oft die bekannten Muster. Dabei wirkt die lyrische Tiefe klischeehaft und vorhersehbar, ohne wirklich neue Einblicke zu bieten. Es fällt schwer, einzelne Stücke auseinander zu halten.
Schnulzig und klischeehaft sind auf jeden Fall die Lyrics des Tracks "Guilty". Der Rapper-turned-Country-Sänger beginnt die Ballade direkt mit dem Refrain: "If lovin' you's a crime / Baby, I would be guilty." Schuldig ist er auch für die Existenz dieses Liedes. Es ist ein generischer, lyrisch schwacher Song, der absolut keine Glücksgefühle auslöst. Die Melodie wurde ebenfalls schon mehrfach in der Industrie verwendet und ist genauso einfallsreich wie die Lyrics: gar nicht. Dazu ist der Song klar auf den Mainstream hin produziert, erklärtes Ziel: ein Radiohit.
Das gelingt Jelly Roll auch längst: "I Am Not Okay" erreichte Platz 15 der US-Charts. Beginnend mit der Begleitung eines Banjos kommt Jelly Roll direkt auf den Punkt: Er ist mental nicht okay. Wieder einmal fehlt es dem Text an Einfallsreichtum und emotionaler Tiefe. Die Leadsingle des Albums befasst sich mit der Schwere von Depression, der mentalen Anstrengung, die notwendig ist, um sie zu bewältigen, und letztlich der Entscheidung, irgendwie durch den Tag zu kommen. Trotz Jelly Rolls rauer Ehrlichkeit und kraftvoller Stimme berührt mich der Song emotional nicht.
Stücke wie "Grace" und "What It Takes" bieten zwar Anflüge von Tiefgang, bleiben jedoch im Songwriting weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Instrumentals tragen kaum dazu bei, die gewünschte Emotionalität oder Dramatik zu untermalen. Selbst die ruhigeren Nummern wie "Hey Mama" oder "Unpretty" wirken zu glatt poliert und folgen allzu offensichtlich einer Formel, um wirklich im Gedächtnis zu bleiben. Der Funke will einfach nicht überspringen, was letztlich dazu führt, dass auch diese Tracks eher belanglos im Hintergrund verhallen.
Jedoch überzeugt der rockige Country-Song "Liar" mit intensiven Gitarrenriffs, prägnanten Trommelschlägen und einer Akkustikgitarre. Jelly Rolls kratzige Stimme harmoniert hervorragend mit den Instrumentals und verstärkt die rohe Energie des Tracks. Dabei ertappe ich mich selber mit einem wippenden Fuß. Ein klares Indiz dafür, dass "Liar" genau diesen seltenen Moment einfängt, in dem die Musik unmittelbar wirkt.
Der Song "Time Of Day" mit Machine Gun Kelly ist eine spannende Kombination aus Jellys Stiumme und MGKs markanter Attitüde. Ein weiterer Lichtblick ist "Woman", der starke Vocals und einen mitreißenden Rhythmus auffährt. Der Anfang des Tracks fällt direkt mit einer verführerischen Melodie auf, die die Lyrics unterstützt.
"My Cross" liefert einen authentischen Moment, in dem sich Jelly Roll auf die Hoffnungen und Träume seines Vaterseins konzentriert. In dem emotinalen Song singt er: "I hope the apple falls far from the tree / And the sins of the father stop right here with me". Damit vedeutlicht er, dass er seine eigenen Fehler, Belastungen, Süchte und Gewohnheiten nicht auf seine Tochter übertragen möchte.
So bleibt das Album zwar hörbar, hinterlässt jedoch keinen bleibenden Eindruck. Jelly Roll zeigt auf "Beautifully Broken" viel Herzblut, doch die Ideen wirken aufgewärmt. Das Problem des Albums liegt darin, dass der Sänger zwar emotional aufgeladenes Storytelling versucht, aber nicht in der Lage ist, die Geschichten auf frische und originelle Weise zu erzählen. Unglaubliche 22 Songs befinden sich auf dem Album, das somit eindeutig zu lang geraten ist. Seine Fans stört es nicht: In den USA ist "Beautifully Broken" Jelly Rolls erstes Nummer-eins-Album in den Billboard-Charts.
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