laut.de-Kritik

Deutschlands bester Crooner.

Review von

"Danke für den Wahnsinn!", meint nicht nur Jesper Munks Brust-Tattoo. Das Motto ist auch Grundlage seines so wichtigen dritten Albums. "'Thanks for the Jazz!' kommt von 'jazzy', was eigentlich "crazy" heißt. Ich denke da an die unnormalen Dinge, die man im Kopf hat. Aber dort passiert eben die Magie! Es ist auch ein Tribut an all die verrückten Leute, die ich schon in meinem Leben getroffen habe."

Für verrückt würde wohl auch mancher Marketeer die stilistische Kehrtwende dieser zehn neuen Lieder halten. Wir erinnern uns: Mit seinen ersten beiden Alben - besonders "Claim" - eroberte sich der damalige Newcomer eine feste Position im krachenigen Blues-Rock-Segment. Beides ist nun Geschichte.

Ein 26-Jähriger mit Scheibe Nummer drei unter dem Arm geht schließlich nicht mehr als Frischling durch. Und seine musikalische Reise soll auch nicht dort enden, wo sie begann: als Hommage. So reißt Munk nun kurzerhand das Ruder herum und serviert Soul und Jazz-Grooves.

Diese Neuerfindung der Marke 'Dark Crooner' gelingt ihm vorzüglich. Als Klammer fungiert seine in jeder Sekunde greifbare Maskulinität, unterfüttert mit viel Melancholie. Dabei handelt es sich um jene Männlichkeit, mit der Typen wie Humphrey Bogart, Dean Martin oder Robert Mitchum ihren Liebeskummer in schummrigen Kaschemmen mit Bourbon herunterspülten: Munk wandelt auf der feinen Linie zwischen Schwermut und bittersüßem Genuss.

Gemeinsam mit Produzent Mocky (u.a. Feist, Jamie Lidell) legt Munk die Lieder angenehm vielschichtig an, ohne den roten Faden zu verlieren. So grast das spröde "Easier" auf jenen Wiesen, die auch Nick Cave, Wovenhand, Mark Lanegan oder das Duo Lydia Lunch/Cypress Grove nähren. Daneben gibt es etliche Stücke, die den Soul-Geist von Motown/Stax atmen. Besonders der letztgenannte Spirit geht Hand in Hand mit einem womöglich Mocky geschuldetem luftig-frankophonen Flair ("Happy When I'm Blue").

Konsequent hält sich der Münchener in diesem Kontext an der Gitarre eher zurück. Interessanterweise mindert dies nicht die Effektivität seines Spiels: Das Zusammenspiel von Gitarre und Piano im Titelsong kann als weltklasse bezeichnet werden. Auf Albumlänge hat Jesper den George Benson-Duktus ebenso drauf wie einen angerockten Hauch von Chris Isaak.

Neben grandiosen Nachtschattengewächsen, wie etwa den letzten vier Tracks, bietet der Ausnahmekünstler mit "Icebreaker" sogar einen Ohrwurm mit Sommerhitpotential. Seine Vocals schraubt er dabei in ungeahnte Falsett-Höhen, deren Timbre ein wenig an Bowie anno "Young Americans" erinnert.

So gelingt Jesper Munk auf "Favourite Stranger" die seltene Leistung, trotz absolutem Eklektizismus ein komplett eigenständiges Genrealbum hinzulegen, dessen Arrangements und Songwriting auf allerhöchstem Niveau stattfinden.

Trackliste

  1. 1. Easier
  2. 2. Solitary
  3. 3. Happy When I'm Blue
  4. 4. Stranger
  5. 5. Icebreaker
  6. 6. Cruel Love
  7. 7. Deeper Into Care
  8. 8. Line
  9. 9. Slow Down
  10. 10. Joy

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5 Kommentare mit 22 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    "...dessen Arrangements und Songwriting auf allererstem Niveau stattfinden"

    Auf allererstem Niveau? Darf man das so sagen? Klingt nach meinem Sprachgefühl schlicht falsch.

    • Vor 6 Jahren

      @Gleep Glorp:
      Vielleicht aufgrund der Tautologie "allererste"? Das wäre gewissermaßen noch erster als "erster".
      Gruß
      Skywise

    • Vor 6 Jahren

      Aller"höchstem". "Hohes Niveau" gibt es, "erstes Niveau" wäre mir neu.

    • Vor 6 Jahren

      Ja, ging mir tatsächlich um Zweiteres, "allererstes" für sich ist ja durchaus gängig, auch wenn's penibel betrachtet eigentlich wenig Sinn macht.

    • Vor 6 Jahren

      Sinn macht es sowieso nicht. Höchstens ergibt ... So vong Von Sprachpenibilät her ...

    • Vor 6 Jahren

      sollte "allerhöchsten" heißen. so'n büschen schwund ist ja überall. gebt euch mal die songs.

    • Vor 6 Jahren

      @Alex: Uiuiui, die Diskussion schon wieder. Finde das ehrlich gesagt durchaus diskutabel. Zumindest in der Region, aus der ich komme, habe ich mein ganzes Leben nie jemanden "das ergibt Sinn" sagen hören. Da hat sich das allererste Mal jemand beschwert, nachdem ich nach Süddeutschland gezogen bin. Letztendlich lässt sich das bei einem abstrakten Begriff wie "Sinn" auch nicht wirklich gut begründen, warum "ergibt" jetzt angemessener sein soll als "macht". Von daher läuft das so wie ich das sehe letztendlich auf Konvention hinaus und von daher finde ich persönlich "macht Sinn" vollkommen okay. Joa.

      @Anwalt: Noch nie von dem Hans gehört vorher. Klingt aber ganz interessant, was du da zusammengeschribselt hast. Wird reingehört.

    • Vor 6 Jahren

      würdet ihr alles kennen, bräuchte man uns ja nicht :)

    • Vor 6 Jahren

      Ja, ist ja auch besser so. Rund die Hälfte seiner Relevanz hat euer Berufsstand ja strenggenommen in der heutigen Zeit schon verloren. Wenn ich Wissen will ob das neue Album von einer mir bekannten Band seine Taler wert ist, kann ich ja inzwischen meist problemlos so viel ich will bei spotify etc reinhören (und es eventuell auch dabei belassen).
      Was da jetzt höchstens noch bleibt ist den Schwall an neuer, teils unbekannter Musik zu sortieren und Hilfe beim Einordnen und neue Tipps zu geben.
      Und wenn die Algorithmen dafür irgendwann auch besser werden, dann geht's ab auf's Amt mit euch. :-)

    • Vor 6 Jahren

      Nah, glaub ich jetzt nicht, dass es soweit kommt und denke dass der Musikjournalismus auch auf lange Sicht noch eine gewisse Relevanz und einen gewissen Stellenwert darstellen wird. Aber man kann ja ruhig mal den advocatus diaboli spielen.

    • Vor 6 Jahren

      Der Germanist sagt: "Sinn ergeben" ist deshalb besser als "Sinn machen", weil "Sinn" ja kein "Agent" im Sinne der Tiefenkasus ist. Ähm...normalsprachlich: "Sinn" ist kein Handelnder, also kann "Sinn" auch nichts machen, da "machen" ein transitives Verb ist (= passivfähig). Am ehesten erkennt man das dann, wenn man den Passivsatz dazu bildet: "Die Erklärung macht echt Sinn" --> "Sinn wurde durch die Erklärung gemacht." Nee, ne?

    • Vor 6 Jahren

      "Sinn machen" ist ein Import aus dem Englischen "to make sense" und nimmt der Guten deutschen Redewendung den Platz in unserer Sprache weg.

    • Vor 6 Jahren

      Mhh, joa, aber das gleiche müsste dann doch auch für "Spaß" gelten, oder nicht? Etwas "macht Spaß". Wäre das da nicht mit der Passivformulierung genauso? "Spaß wurde durch den Ausflug gemacht", sagt man ja auch nicht. Gibt es da einen bedeutenden Unterschied zu den Beispielen, dass man da eine unterschiedliche Herangehensweise rechtfertigen kann?

    • Vor 6 Jahren

      Davon einmal abgesehen ist so etwas natürlich immer irgendwo eine Gratwanderung. Natürlich ist es im Sinne der Klarheit und Verständlichkeit oft besser, wenn eine Sprache möglichst klar, logisch und in sich konsisten aufgebaut ist. In der Realität sind aber so ziemlich alle natürlichen Sprachen unsauber und brechen teilweise mit ihren eigenen Regeln. Was sprachlich akzeptiert ist und was nicht, wird ja in letzter Instanz immer von der Gemeinschaft der Sprechenden bestimmt und da bilden die Germanisten und Sprachforscher und -normierer halt auch nur ein Teilgewicht und besitzen nicht das alleinige Stimmrecht.

    • Vor 6 Jahren

      @Krypta: Immer diese gegeneinander aufwiegelnden Sprachdemagogen. Dabei ist ein friedliches Zusammenleben dieser beiden Wendungen doch absolut möglich, ja irgendwo sogar eine Bereicherung für unsere Sprachgemeinschaft.

    • Vor 6 Jahren

      @gleep glorp
      Guter Punkt. Vielleicht wäre bei "Spaß machen" der von Krypta verteufelte Englischimport gar nicht so übel. Für den Engländer gilt ja "something IS fun". Sagen wir ja auch: Es ist alles nur Spaß ;)

    • Vor 6 Jahren

      Ach Gleepi, ich weiß nicht genau, ob das was für dich wäre, aber hast du schonmal von den Känguru-Chroniken gehört?

    • Vor 6 Jahren

      "bräuchte man uns ja nicht"

      Euch (be)nutzt man! Bisschen Schwund ist immer.... :P

    • Vor 6 Jahren

      @krypta: Ne, hab ich nicht. Habe aber auch eine nicht rational rechtfertigbare Aversion gegen fast jede Art deutschsprachiger Unterhaltunf.

    • Vor 6 Jahren

      Meuri, Allah, ich grüße dich! Schön, dass du uns mal wieder mit deiner Präsenz beglückst! Ich jabe versucht in deiner Abwesenheit deinen Platz warm zu halten. Meine sprachlichen Ergüsse sind aber nur ein sehr inadäquater Ersatz für deine waschechten Meurismen.

    • Vor 6 Jahren

      +1 für Känguru-Chroniken, gerne auch als Hörbuch, auch wenn ich sonst immer lieber selbst lese. Eigentlich auch ruhig +2 oder +3. Asoziales Netzwerk 4 life.

      Was Sinn macht:
      Das Todesurteil über die Sprache als einem lebendigen Phänomen wird endgültig gefällt, sobald seitens unermüdlicher Sprachpuristen die Etymologie ins Feld geführt wird. So führt der eingangs erwähnte Publizist gegen den (vermeintlichen) Anglizismus "es macht keinen Sinn" ins Feld, das Verb "machen" könne nur mit Konkreta gebraucht werden, da es von einer germanischen Wurzel mit der Bedeutung "kneten" abstamme, und Sinn könne man nicht kneten. Allerdings sei, so Eisenberg, die Verwendung von "machen" mit Abstrakta bereits im Wörterbuch von Grimm belegt, so z.B. "das macht Freude". Ob es sich bei "es macht keinen Sinn" tatsächlich eine aus dem Englischen übernommene Lehnprägung handele, bleibe so lange eine unbeweisbare Behauptung wie das „Deutsche Textarchiv" als elektronisch erfasstes Nationalkorpus für das Deutsche (rückläufig vom 20. bis ins 16. Jahrhundert) noch nicht fertig gestellt sei, welches Aufschluss über Erstbelege liefern könne. Für einen vergleichbaren Stein des Anstoßes, nämlich "etwas erinnern" (engl. "to remember something") statt "sich an etwas erinnern" hingegen gebe es einen sehr frühen Beleg dafür, dass die Puristen den herrschenden Sprachgebrauch zu Unrecht einer übertriebenen Anglophilie bezichtigen: die erstgenannte Form sei bereits in der Lutherbibel belegt.

    • Vor 6 Jahren

      Danke CAPSI, habe schon lange etwas gesucht, was ich mir auf den Unterarm tätowieren lassen kann.

  • Vor 6 Jahren

    unglaublich, wie gut der jesper in allen verschiedenen disziplinen auftrumpft.