laut.de-Kritik

So lieblich das Erscheinungsbild, so dunkel die besungene Welt.

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Die betörende Stimme und die indie-jazzigen Arrangements ihrer bisherigen Alben haben nicht darüber hinweg getäuscht, dass die Texanerin Jolie Holland in seelisch trüben Gewässern fischt. So lieblich das Erscheinungsbild, so dunkel die Welt, die sich dahinter verbirgt. Gut herauszuhören aus Townes Van Zandts "Rex's Blues", das ihr viertes Album "Pint Of Blood" (2011) abschloss, "alone and low as low can be".

Nun, vier Jahre später, hat sich kaum mehr Licht in Jolie Hollands Texte geschlichen. Mutig fällt ihr Schritt aus, das neue Material mit zwei Schlagzeugern und drei Gitarristen aufzunehmen, zu denen sich zwei Bassisten, Cello, Geige und ein Free Jazz-Bläser gesellen.

Gleich im Opener überrascht Holland mit einer Verzerrerkulisse, die Erinnerungen an die Velvet Underground von "White Light/White Heat" aufkommen lässt. Wie auch "Dark Days" und "I Thought It Was The Moon" dazu, wobei sich das zweite eher von einer monotonen, leicht angeschlagenen Gitarre und vereinzelten, ungeheuerlichen Klängen lebt als von Lärm. Lou Reed hätte seine Freude gehabt. Vermutlich.

Die Begleitung lässt wie gewohnt nicht unbedingt Schlüsse auf die Texte zu. "Please be gentle with my heart / Cause I'm in love with you / I'm in love with you", säuselt Holland im rauen Opener. "I've been taken outside and I've been brutalized" dagegen in Joe Tex' "The Love You Save", eine harmonische Soul-Ballade im Duett mit dem Sänger Chanticleer Tru.

Es bleibt auch Zeit für Klavierstücke mit Jazz-Anleihen ("First Sign Of Spring", "All The Love", "Palm Wine Drunkard"), schräg-fröhlichen Country ("Route 30"), fast schon zärtliche Momente ("Saint Dymphna") und Rhythm And Blues (das abschließende "Waiting For The Sun"). Ein Album ohne Längen, das sich erst beim wiederholten Anhören zu einer Einheit fügt und jedes Mal neue Facetten preisgibt.

Das ist ganz im Sinne der Künstlerin. "Ich liebe Alben, in denen ich einen Song höre, von dem ich denke 'ich weiß nicht, ob ich ihn mag' und eine Weile später ist genau das mein Lieblingssong. Ich liebe Alben, die sich mit der Zeit verändern", erklärte sie vor einigen Jahren in einem Interview. Mit "Wine Dark Sea" ist ihr das vortrefflich gelungen.

Trackliste

  1. 1. On And On
  2. 2. First Sign Of Spring
  3. 3. Dark Days
  4. 4. Route 30
  5. 5. I Thought It Was The Moon
  6. 6. The Love You Save
  7. 7. All The Love
  8. 8. Saint Dymphna
  9. 9. Palm Wine Drunkard
  10. 10. Out On The Wine Dark Sea
  11. 11. Waiting For The Sun

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2 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    Gerade kurz in 'Dark Days' reingehoert, das ist mir zu verzerrt und laut. 'Springtime Can Kill You' war ein astreiner downer und 'Nothing Left To Do (But Dream)' fuer mich eines der Stuecke des Jahrzehnts. Schade, dass die dann immer mit sowas anfangen muessen.

  • Vor 9 Jahren

    Für mich die beste Platte seit längerer Zeit. Billie Holiday trifft Tom Waits trifft Velvet Underground. Unbedingt in bester Qualität und laut genug anhören (statt irgendwelche Minischnipsel über PC-Boxen). Wenn vier Gitarren gleichzeitig unterschiedliche Texturen erschaffen, muss die Anlage den Hörer schon auch die Differenzierungen hören lassen.

    Bluesiger Indie-Folk-Country mit New Yorker Gitarrenspielfreude und Jazz-Avantgarde - eine letztlich entspannte, aber sehr anregende Angelegenheit.

    Chapeau, Jolie Holland und Mitstreiter!