laut.de-Kritik
Gefühlsecht wie ein Geisterspiel beim Fußball.
Review von Toni HennigJosh Grobans neuntes Studioalbum "Harmony" erschien Ende letzten Jahres. Nun schiebt der US-Amerikaner mit der markanten Baritonstimme eine um sechs Bonustracks ergänzte Deluxe Edition der Platte nach. Auf dieser befindet sich auch ein Duett mit Helene Fischer.
Die Scheibe leitet eine Neuinterpretation der Bert Kaempfert-Komposition "The World We Knew (Over And Over)" ein. Dabei orientiert sich der 40-Jährige an der italienischsprachigen Version Fred Bongustos. Wie man dem Stück eine eigene Note verleihen kann und trotzdem die Eleganz eines Bongustos bewahrt, hatte in der Vergangenheit schon Mike Patton gezeigt. Bei Groban verkommt die Nummer zu einer einzigen Schmonzette, wenn überdramatischer Bariton-Gesang und dick aufgetragene Orchestermomente eine schauderhafte Symbiose eingehen.
Danach findet sich mit dem Cover von Robbie Williams' "Angels" gar ein Lichtblick, bewegt sich der US-Amerikaner doch gesanglich sehr nah am Original. Des Weiteren steht ihm die im Vergleich zu "The World We Knew (Over And Over)" reduziertere und erdigere Instrumentierung gut zu Gesicht. Auch die Neuinterpretation des von Bob James und Kenny Loggins geschriebenen Songs "Celebrate Me Home" lässt aufhorchen, legen doch die eleganten Orchesterarrangements und die warmen Soul-Chöre seine Crooner-Qualitäten offen.
Danach verflacht die Qualität zusehends. Stings "Shape Of My Heart" funktioniert Groban zu einem harmlosen Poprock-Duett mit Leslie Odom Jr. um, gähnend langweilig. "Your Face", eine von zwei Nummern, die er für das Album geschrieben hat, verleitet ebenfalls nur zu einem kalten Schulterzucken, verläuft doch die große Geste ins Leere, wenn Dudelfunkklänge dem Stück jegliche musikalische Substanz nehmen.
Der Tiefpunkt der Platte folgt aber, wenn er Joni Mitchells "Both Sides Now" mit Sara Bareilles im Duett singt. Zunächst setzt Groban einen weinerlichen Akzent. Bareilles fügt dann eine Art aufgesetzten Optimismus hinzu, der mit der Reflektiertheit des Originals rein gar nichts mehr zu tun hat. Das Stück ersäuft letzten Endes im Schmalz, der genauso gefühlsecht wie ein Geisterspiel beim Fußball anmutet. Das hat Joni definitiv nicht verdient.
Groban tischt im Anschluss noch mehr musikalische Randnotizen auf. Charles Aznavours "She" hört sich in der Neuinterpretation des Amerikaners wie Rondò Veneziano mit Stimme an, und Mitch Leighs "The Impossible Dream" erstickt in einem Meer aus süßlichen Broadway-Streichern. Noch schlimmer fällt Joshs Version des von Ewan MacColl und Peggy Seeger geschriebenen Folk-Songs "The First Time I Ever Saw Your Face" aus, den Roberta Flack weltberühmt machte, reiht der Sänger doch eine grausige Sentimentalität an die nächste.
Erst "I Can't Make You Love Me", im Original von Bonnie Raitt, zeigt gegen Ende wieder, dass man aus den Songs deutlich mehr hätte herauskitzeln können, wenn man mehr auf ruhige, begleitende Töne gesetzt hätte, in die sich Groban gefühlvoll hineinfallen lassen kann, anstatt auf möglichst viel Kitsch und Bombast. Immer dann, wenn der Sänger sein Bariton in die höchsten Höhen schraubt, driftet die Instrumentierung ins Pathetische ab. Das abschließende "The Fullest", ein Duett mit Kirk Franklin und zugleich der zweite Song aus seiner Feder, erweist sich mit lieblicher Pianobegleitung und engelsgleichen Chören als musikalisch genauso belanglos wie "Your Face".
Die Bonustracks fallen allesamt so überflüssig wie Telenovelas in den Öffentlich-Rechtlichen aus. Sie pendeln irgendwo zwischen Hollywood- und Broadway-Streichern ("Nature Boy", "Solitaire") sowie ödem Pop-Rock ("April Come She Will", "I Can See Clearly Now"). In der Neuinterpretation von Gloria Estefans "Con Los Años Que Me Quedan" kommt noch schwülstiges Bolero-Feeling hinzu, wenn eine sommerliche Gitarre und spanischer Gesang ertönen.
Ein paar Tracks zuvor interpretiert der US-Amerikaner gemeinsam mit Helene Fischer "I'll Stand By You" von den Pretenders neu. Das Cover entpuppt sich als so voraussehbar wie vermutet: Immer, wenn Helene Fischer am Werk ist, kommt gefühlsduseliger Käse fürs ZDF-Abendprogramm heraus. Seichte Unterhaltung, mehr nicht.
2 Kommentare mit einer Antwort
1/5 zu vergeben sind denunzierende NaZiMeThOdEn!!
https://youtu.be/0cqtqxGigAQ
https://youtu.be/nxRLEegfZ_k