laut.de-Kritik
All That Jazz: Hip Hop-Breaks und Schellack-Trompete.
Review von Artur SchulzJuliano Rossi - wer hinter diesem Namen herztriefenden Italo-Schlager-Muckefuck vermutet, kann verkehrter nicht liegen. "Free Runner" bietet eine vorzügliche Mischung zeitgenössischen Swings und Jazz-Komponenten, die kilometerweit entfernt sind von so manch müdem Neuaufguss. Rossis Songs bestechen durchs gepflegte Brechen althergebrachter Hörgewohnheiten, ohne dabei die Pfade klassischer Songwriting-Tugenden aus den Augen zu verlieren.
Die Zuordnungen "Ohrwurm" und "Gassenhauer der allerfeinsten Sorte" treffen uneingeschränkt auf den Opener "I Want My Money Back" zu. Neben Handclaps, quirligem Beat und catchy Hook lädt Rossi - hier dezent auch Edelpop vereinnahmend - zu einer kurzweiligen Bestandsaufnahme zum Thema Finanzkrise ein. Das einzige Alben-Cover "I Wake Up Crying" (Burt Bacharach) lotet orgelschwellend statt Swing und Jazz den Sixties-Soul aus. "All In Good Time" startet mit federnder Coolness, bevor Breakbeats hineinpreschen und mit einem jazzigen Saxophon flirten.
Ein Hauch von Dean Martin-Grandezza liegt in Juliano Rossis Stimme, wenn er mit Martini-Glas in der Hand am Strand sommersonnenuntergangselig "I Love The Ocean" intoniert. Der Charleston feiert in "Is There A Function In This World For Me?" seine Rückkehr - und verträgt sich bestens mit gut gelaunten, kleinen E-Gitarren-Licks. Ein paar Hip Hop-Einschübe machen den Song-Kohl dann endgültig richtig fett.
Witz und Originalität durchziehen jede Nummer. Amüsant die Ausführung des knapp zwei Minuten kurzen Instrumentals "Kicker", denn hier ist der Name Programm: Neben kräftigen Beats sind hier die typischen Spielgeräusche des guten alten Tischkickers rhythmisch integriert. Von allzu puristischen und womöglich ausgelutschten Classic-Spurläufen nehmen die Arrangements Abstand: Rossi scheut sich nicht, den Swingband-Leitwölfen Samples, Loops, Electronic-Fetzen und Hip Hop-Breaks als gleichberechtigte Begleiter hinzuzustellen. Auch das beliebte Vinylknistern findet hie und da sein Plätzchen.
Auf dem smarten "This Is The Best Time Of My Life" zwinkert der Geist von Fred Astaire, der seinen Mahagoni-Spazierstock schwingt, bevor es zur Easter Parade mit Judy Garland geht. Zur "Glamorous Music" wiegt sich das Samba-tanzende Girl From Ipanema in elegantem Uptempo. Rossis Stimme klingt nie aalglatt und schwiegermutterkompatibel wie etwa bei Kollegen des Schlages Michael Bublé. Hier schnurrt eben kein schnöseliger, lebensunerfahrener Jungspund, sondern eben jemand, der weiß, in welchem Verhältnis ein ordentlicher Whisky-Cola gemixt wird.
Leicht versponnen, garniert durch fünf-Uhr-früh-Bar-Attitüde und Schellack-Vogelgezwitscher, klimpert der Alben-Rausschmeißer "I Wish That I Could Play Piano" stilgerecht aus einem in allen Belangen höchst unterhaltsamen und durchweg inspiriert eingespielten Album.
Leichtfüßig, aber nie oberflächlich; wohlkalkuliert, doch nie kühl berechnend - der "Free Runner" joggt vital sowie fernab jeglicher Studio-Sterilität durch Stil-Windbrisen. Juliano Rossi zeigt, wie klassisches Soundgut durch gezielte Neuerungen nicht nur vordergründig aufgepeppt, sondern mit viel Originalität und Frische spannend umgestaltet werden kann.
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