laut.de-Kritik
Die einstige Teenie-Ikone unterwirft sich dem Zeitgeist.
Review von Philipp KauseNicht jeder hat mit 25 sein fünftes Album am Start. Justin Bieber hat das entsprechende Stardom Level bereits erklommen. Für "Changes" ließ er sich lange Zeit. Dieser Longplayer hat einen großen Vorteil, der sich postwendend zum großen Nachteil umkehrt: Die ganzen 17 Songs stehen einander textlich, gestalterisch, in Tempo, Dynamik und Stil so nahe, wie es nur irgendwie geht. Damit gerät die Platte stimmig, das ist gut. Fast ließe sich von Mixtape-Charakter sprechen. In "Take It Out On Me" peitschen die Beats mal schneidender, aber ansonsten fließt alles im gleichen Urban Pop-Strom.
Andererseits kippt das Ganze in einen klanglichen Breizustand, und als Hörempfinden setzt sich Monotonie durch. Derweil soll sich Bieber, "busy focussing on being by myself", so ein Zitat aus "Forever (feat. Post Malone + Clever)", verändert haben - so legt es der Albumtitel nahe. Aber vor allem unterwirft die einstige Teenie-Ikone sich dem Zeitgeist. Und der hat schon vor seinem letzten Album genau solche Musik ausgespuckt. Zugleich nutzt der Kanadier auch nicht die Akzente seiner angesagten Gäste. Post Malone und Travis Scott gehen im seifigen Sound einfach unter.
Als ganz große Entdeckung entpuppt sich dagegen, wie perfekt die helle, androgyne und kristallklare Stimme von Justin mit derjenigen von Kehlani Parrish im Duett zusammen passt, in "Get Me (feat. Kehlani)". Über diese Vorab-Single hinaus reichen die Überraschungen aber nicht weiter.
Das Wort 'unconditional' fällt am Anfang der CD recht oft. Die Liebe soll nach dem Modell Klammerbeziehung breitesten Raum bekommen. "Ich brauch dich ständig um mich herum", erörtert Bieber schon in "All Around Me". Stutzig macht hier nur noch, wie unerwartet kurz der Opener gerät, der mit ein bisschen Stimmüberschlag auf "yeah-hi-yeah-he" zum Ende hin ausrinnt. Da gab es anscheinend nichts mehr zu sagen.
Wir erfahren in "Habitual", dass die Unbedingtheit genau das ist, was beide Partner wollen, "that's how we both want it", während eine Drum Machine sich mit dezentem Lounge-Sphären-Keyboard-Gewaber abwechselt. Die Schlafzimmer-Musik nimmt ihren Fortgang mit Geschichten wie "Come Around Me". Die Frauenzeitschrift Elle will diese Nummer als autobiographisches Lied über Justins Ehe mit Hailey entschlüsselt haben. "Wenn du in meiner Nähe bist / behandle mich, als ob du mich vermisst / selbst wenn du mit mir abhängst", lautet die Core Message des Songs.
Noch ein pluckerndes Neo-Soul-Liedchen über Beziehungssymmetrie, in dem der Rap-Kollege mal so ganz kurz ran darf, "Intentions (feat. Quavo)", führt in lyrisch wie musikalisch gleichbleibende Gefilde. Auf DJ Khaleds "Father Of Asahd" lässt sich nachhören, wie die Kombination Bieber/Quavo auch viel schlechter klingen kann; somit sind wir hier gut bedient. Der Innovationsgrad rutscht derweil auf Tiefststand.
'Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute' - an solche Märchensätze lässt sich leicht mal denken, wenn Justin in "Confirmation" mantraartig für ewige Treue eintritt und immerzu "the rest of our lives", wiederholt. So plätschert es stetig voran, behauptet sich dabei als handwerklich gut gemacht, und langweilt doch, denn "Changes" ist nicht die Bohne originell oder wenigstens einfallsreich instrumentiert.
Immerhin, "E.T.A." und der Titelsong enthalten Gitarren-Intros, "That's What Love Is" trumpft mit akustischen Zupfen auf. So emanzipiert sich das Album nach hinten hinaus etwas von der anfangs digitalen Klangfarbe. Jedoch ereignet sich emotional und in puncto Melodien nicht mehr viel Greifbares. Die letzten beiden Tracks inklusive Remix taugen nur mehr für die Shopping Mall.
Als Ohrwurm säuselt das unwiderstehlich fluffige "Available" am eindrucksvollsten und sticht aus der Song-Masse heraus. Die R'n'B-Beats mit vorsichtigem 2Step-Einschlag versetzen zwar nicht gerade in Erstaunen. Erstaunlich aber wie man 32 Co-Songwriter für eine so vorhersehbare und uniforme Platte beschäftigen kann. Selbst den Fakt mitgezählt, dass fast jeder, der hier ein Instrument in die Hand nimmt, Autoren-Credits bekommt, erscheint der Aufwand immens für das doch recht konventionelle Ergebnis.
9 Kommentare mit 18 Antworten
Gezüchtete Schrottmusik für Menschen, die innerlich gestorben sind. Da helfen auch zwanzig Produzenten nichts.
das Traurige ist: wer von so was Fan ist, der ist nicht innerlich gestorben, der hat wahrscheinlich nie gelebt...
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Leider super enttäuschend und wie die Review schreibt eintönig und zu glatt produziert.
Leider? Gibts hier wirklich Beliebers?
Wundert dich das?
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Du hast dir tatsächlich das ganze Album angehört? Warum?
schau auf den nick (und die kommentar-historie) und dann ist das weniger überraschend.
Hinsichtlich der Kommentarhistorie lässt das sogar vermuten, dass es sich hierbei um ein gutes Album handelt, wenn Britney-Lover es negativ bewertet.
Ich reihe mich ein in die Menge der Enttäuschten.
Da ich nicht so der Kenner der Musik von Justin Bieber bin, mich aber nicht in die Reihe der "kenn ich nicht, finde ich aber doof"-Kommentatoren einreihen wollte, habe ich mir das Album mal angehört. Und weil sich die Rezension von laut.de so liest, als habe sich die Musik Biebers mit diesem Album zum Schlechteren gewandt, habe ich mir mit "Purpose" ein älteres Album im Vergleich angehört - und war verwirrt.
Beide Alben enthalten lediglich Songs aus der Dosenfabrik des aktuellen Radio-Pops. Okay, vielleicht ist dem Sound-Editor auf "Purpose" noch des öfteren der Finger auf dem Sampling-Computer ausgerutscht. Aber das ändert nichts daran, dass beide Alben völlig belanglose "tut nicht weh"-Musik enthält. Und der "Change" auf dem gleichnamigen Album geht maximal in die Richtung, dass die Lieder durchweg mehr in Richtung "ich häng hier rum und bin lässig" gehen. Insofern weiß ich auch schon, wie die Videos zu den unvermeidlichen Auskopplungen für die Charts aussehen werden.
Und was die Lyrics angeht: "Oh yeah, yeah, yeah, yeah - I need you all around me - Wouldn't wanna be in any other place" oder "You're the only reason why - Oh I don't wanna live a lie - Mark my words"... welcher Song ist von welchem Album? Eigentlich egal, oder!?
Trotzdem würde ich nicht sagen, dass die Welt untergeht, nur weil Justin Bieber ein neues Album herausgebracht hat. Aktuell sind die Amigos in den Album-Charts auf Platz 1. Und auch hier akzeptiere ich, dass es eben Leute gibt, die andere Dinge gut finden als ich. Und so betrachtet ist es vielleicht eine gute Sache, dass Justin Bieber den Zeitgeist nicht nur definieren, sondern auch ihm entsprechen kann. Eben für alle, die das mögen. Trotzdem finde ich das Album ganz neutral betrachtet einfach zu safe produziert. Das tut nicht weh, läuft irgendwo immer so oder so im Radio, bewegt mich persönlich aber auch nicht.
Illuminati Musik