laut.de-Kritik
Größer als Grime? Größer als UK-Rap? Größer vielleicht als Dizzee Rascal!
Review von Alexander EngelenBei Kano daheim wird tief gestapelt:
"You see me, I ain't hard to please. Just wanna spit these bars and breeze. I just wanna sit in cars with keys. Put my mom in a place with palms and trees. 'Cause living broke that's hardly me, but being rich and legit that's hard to be. I can't live up with bars of weed. I’d rather spit 16 bars for peace. I kick down doors no one didn't let me in. I've been around but I'm far from a veteran."
Aber, zum Teufel, wieso? Schon das geniale Synthie-Intro "Home Sweet Home" verrät, dass hier etwas Großes im Anmarsch ist. Größer als Grime? Größer als UK-Rap?
Größer vielleicht sogar als Dizzee Rascal.
Knapp zwei Jahre nachdem dieser Jungspund aus dem Londoner East End der Musikwelt die Fusion aus Garage und Rap phänomenal vor den Latz geknallt hat, tritt Kano die legitime Nachfolge Rascals an. Mit mehr Gewicht auf Rap, mit mehr Skills, zugegebenermaßen aber auch auf einem bereits geebneten Weg über den schmalen Grat zwischen Elektro und Puristen-Rap.
Und weil man sich im Osten Londons bekanntlich nicht auf eine Disziplin einschießen will, produziert Kano auch wie ein Großer. Kaltschnäuzig wie es eben nur diejenigen Jungspunde können, die einen feuchten Kehricht darauf geben, was man machen darf und was nicht. Metallica-Sample? Bitte. Kano macht eine kompromisslose Kurzvorstellung seiner selbst draus und stellt eines klar: die hohe Kunst der Verwurstung von Hip Hop-Beats mit E-Gitarren steht lediglich Rick Rubin, Body Count und Briten aus East London zu ("Typical Me"). Liebeslied? Gerne. Besonders dann, wenn die Überzeugungskraft von haselnussbraunen Augen so unpeinlich dargeboten wird, wie auf "Brown Eyes": "I don't wanna fall in love. But your brown eyes they got me hypnotized. Maybe we can give it a try!" Eine Mischung aus Salsa und Rumba inklusive Beat ("Remember Me")? Kano verzeiht man bei dieser Fähigkeit für exzellentes, selbstironisches Storytelling einfach alles.
"P's & Q's", die erste Single, staubt trocken durch die Boxen und wartet mit elektronischeren Bläsersätzen auf, als eine Kreuzung aus Stefan Mross und C-3PO. Natürlich darf auf keiner UK-Veröffentlichung das Produktionstalent von Big Dadas Finest Diplo fehlen: Double-Time-Action von Kano, D Double E und Demon auf einem Galeerentreiber-Drum'n'Bass-Beat - "This is what it means when DJs reload it". Hell yeah, und spätestens jetzt steht kein Mensch mehr still. Zumindest bis zum etwas ruhiger geratenen Mittelteil, in dem Kanos Rap-Qualitäten ins Rampenlicht rücken. Höhepunkt: das The Streets-typische "Nite Nite", bei dem Mike Skinner skrupellos-genial auf die Tränendrüse drückt und Kano entwaffnend-ehrlich einem Mädchen seine Liebe gesteht.
"How We Livin" gerät schließlich zum ernstzunehmenden Appell an den Nachwuchs, der bestimmte Rap-Dogmen unter Umständen falsch verstehen könnte. Spätestens hier hat man vergessen, dass Kano blutjunge 19 Jahre alt ist und zu allem Überfluss auf dem folgenden "Nobody Don't Dance No More" anprangert, dass die Raves heutzutage auch nicht mehr das sind, was sie mal waren. Wie jetzt, 19 Jahre alt und schon auf dem Oberlehrer- und Früher-war-alles-besser-Film? Glaubt mir, Kano darf alles.
2 Kommentare
Wieder sehe ich hier Parallelen zu einigen Juice-Kritiken und das wird leider sehr beängstigend auf mich
Grandioses Album.Auf einem Level mit "Original Pirate material".