laut.de-Kritik

Gelungenes Comeback mit Luft nach oben.

Review von

Kansas haben es in ihrer 45 jährigen Karriere auf mittlerweile 15 Alben gebracht, wobei ein Großteil der Alben inklusive der Meisterwerke "Masque" und "Leftoverture" auf die 70er und 80er datiert ist. Satte 16 Jahre mussten Fans sich gedulden, um neben den zahlreichen Live-Aktivitäten, endlich einmal neue Songs von ihren Lieblingen zu hören.

Dabei stand die Entstehung von "The Prelude Implicit" unter keinem guten Stern. Nicht nur, dass Hauptsongwriter Kerry Livgren mittlerweile von Bord gegangen ist und nicht mal mehr als Spiritus Rector fungiert. Zudem mussten Kansas Abschied von ihren langjährigen Sänger und Keyboarder Steve Walsh nehmen, der zudem für zahlreiche Kompositionen verantwortlich zeichnete.

Jeder Neuanfang birgt die Gefahr, dass
sich der anfängliche Zauber als ein fauler entpuppt. Und doch muss man den verbliebenen Gründungsmitgliedern Philipp Ehart (Drums) und Rich Williams (Gitarre) attestieren, die vakanten Positionen adäquat besetzt zu haben. Allen voran Sänger Ronnie Platt, der Steve Walsh einfach ersetzt, indem er ähnlich klingt, aber einfach besser singt, als es der Ex-Sänger in den
letzten, etwas lustlosen Jahren seiner Bandzugehörigkeit vermochte. David Manion übernimmt fortan die Keyboardparts. Violinen-Derwisch David Ragsdale und Bassist Billy Greer gehören mittlerweile auch schon über 25 Jahre zur Band und damit zur Stammbelegschaft.

All dies beantwortet jedoch noch nicht die Frage, wer das Songwriting übernimmt. Zwar insistieren alle Bandmitglieder darauf, Teamarbeit geleistet zu haben in ihrer urtypischen Mischung aus Prog, AOR und Classic-Rock. Doch gab der eigentlich nur als Produzent vorgesehene Zak Rizvi wichtige Impulse was das Songwriting angeht und hatte einige coole Gitarrenparts auf Lager, so dass man ihn kurzerhand als neues Bandmitglied verpflichtete. So gehen Original und Fälschung wunderbar Hand in Hand.

Das Album startet furios mit zwei kürzeren Tracks, die die Mainstreamtauglichkeit der Band unter Beweis stellen. Dabei weiß vor allem "Visibility Zero" zu überzeugen, mit einen gnadenlosen guten Refrain, vertrackten Passagen sowie dem Violinisten Ragsdale in Höchstform. Textlich kommt der aktuelle Politikbetrieb nicht gut weg. Sowieso
befassen sich die Grand Segnieurs des amerikanischen Prog mit einigen weiteren heißen Eisen. Dem Thema Social Media widmet die Band einen eigenen Track ("Crowded Isolation")
oder nimmt Bezug auf die Heimatlosigkeit und Unsicherheit, die viele Menschen, die sich auf der Flucht befinden, befällt ("Refugee"). Letzterer Track steht in der Tradition einer Megaballade wie "Dust In The Wind", das seinerseits mit seinem
existentialistischen Thema vielen Hörern eine Heimat bot.

Am stärksten sind Kansas immer dann, wenn sie ihre progressiven Wurzeln und Muskeln spielen lassen wie in "Rhyhthm In The Spirit", "The Voyage Of Eight Eighteen" und "Camouflage". Das in einem biederen Schunkel-Takt daherkommende "The Unsung Heroes" und der Gute-Laune-Rocker "Summer" gehören nicht zu Glanzpunkten und dem Abschluss mit "Crowded Isolation" und "Section 60" fehlt der Drive, die Vielseitigkeit und die Catchiness der
großen Momente dieses Albums.

Wie ein Phönix entsteigen Kansas sicherlich nicht aus der Asche, auch wenn dieses Motiv publikumswirksam als Albumcover gewählt wurde. In diesem Zusammenhang trifft es der Albumtitel wesentlich besser, der in etwa den Umbruch und Neuanfang der Band zur Sprache bringt. Wenn auch noch ein wenig Luft nach oben vorhanden ist.

Trackliste

  1. 1. With This Heart
  2. 2. Visibility Zero
  3. 3. The Unsung Heroes
  4. 4. Rhythm In The Spirit
  5. 5. Refugee
  6. 6. The Voyage Of Eight Eighteen
  7. 7. Camouflage
  8. 8. Summer
  9. 9. Crowded Isolation
  10. 10. Section 60

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