laut.de-Kritik

Schmalzige Liebeslieder in erträglicher Anzahl.

Review von

Passend zum 60. Geburtstag besinnt sich eine Künstlerin auf ihren Mädchennamen. Nostalgie oder Jugendwahn? Katja Ebstein ist auf jeden Fall etabliert genug, ihrer Hörerschaft das doch eher sperrige "Witkiewicz" als Albumtitel zuzumuten. Man kann ohnehin nicht lange darüber nachdenken - viel interessanter ist die sich aufdrängende Frage, in welchem Konservierungsmittel die Dame wohl eingelegt sein mag. Es kann nicht nur an den handwerklichen Fähigkeiten eines Jim Rakete liegen, dass Katja Ebstein auf sämtlichen Coverfotografien frisch wie der junge Morgen aussieht. Man könnte glatt neidisch werden.

Theater, Theater, der Vorhang geht auf: Auch stimmlich sind bei Frau Ebstein keine Verschleißerscheinungen festzustellen. Erfreulicherweise liefert "Witkiewicz" außer "Wunder Gibt Es Immer Wieder" (in einer sehr ansprechend arrangierten Version) kaum Schlagermaterial, und auch die schmalzigen Liebeslieder sind in erträglicher Anzahl zwischen ansonsten durchaus hörbare Chansons eingestreut. Besonders in "Ungläubig" und "Funny Valentine" tönen wunderbare Bläser, als seien sie direkt aus James Lasts Orchester ausgeliehen - wer weiß? Vielleicht sind sie das sogar.

Einzig zwei Nummern stoßen wirklich übel auf: "In meinen Armen" - komponiert, getextet und angerichtet von Xavier Naidoo - ist kaum auszuhalten. Der Mann ist, wenn er nicht gerade mit Jan Delay zusammenarbeitet, einfach eine unerträgliche Heulsuse, der mich mit seiner plakativst zu Markte getragenen Religiosität von einem Würgereiz in den nächsten treibt. "Herr, Du musst das Größte sein, das auch im Kleinsten ist. Du hauchst das Leben ein. Herr, Du bist, der Du bist." Halleluja. Ich bitte um einen Eimer.

Und "Bergwerk", das mir in der von Dieter Falk arrangierten Version musikalisch wesentlich besser gefällt, als Reinhard Fendrichs Original (Zugegeben: Das ist auch nicht besonders schwer.), verliert durch die 1:1-Übertragung des Textes aus Bergsprache ins Hochdeutsche sehr. Wenn sich "weinst" auf "lehnst", und "weißt" auf "hast" reimen muss, fühlt man sich zwangsläufig an Reim-dich-oder-ich-fress-Dich-Lyrik der Kampfklasse "Kaum zu glauben, aber wahr: der Schmidthuber-Opa wird heut 97 Jahr" erinnert. Naidoo jault übrigens auch in "Was Geht's Uns An" im Refrain mit; hier allerdings nicht ganz so störend.

Insgesamt betrachtet, präsentiert "Witkiewicz" eine gute Sängerin, begleitet von hervorragenden Musikern. Dennoch: Wirklich interessant ist das nicht. Innovativ auch nicht. Aber die Revolutionierung des Musikgeschäfts hat von Katja Ebstein auch niemand erwartet.

Trackliste

  1. 1. Ungläubig
  2. 2. Unrasiert
  3. 3. In Diesem Land
  4. 4. Die Schlesischen Weber
  5. 5. Sei Nicht Alt
  6. 6. Wilde Wasser
  7. 7. Was Geht?s Uns An
  8. 8. Bergwerk
  9. 9. Funny Valentine
  10. 10. Schlaf In Meinen Armen Ein
  11. 11. Rosen Unterm Schnee
  12. 12. Flaches Land
  13. 13. Wunder Gibt Es Immer Wieder

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