laut.de-Kritik
Zwischen düsteren Gitarren und wombeligen Keyboardflächen.
Review von Sven KabelitzManch einer mag schelmisch grinsen, wenn er das alte Jules Vernes-Buch "In 80 Tagen Um Die Welt" in der Hand hält. Heutzutage schaffen wir das doch mit links und können dabei noch ausgedehnte Trips durch London, Tunis, Mexiko-Stadt und Wellington einplanen. Denkste!
Kendra Morris' Debüt-Album "Banshee" hat 521 Tage gebraucht, um den weiten Weg von Amerika nach Deutschland zurück zu legen. In der Zwischenzeit veröffentlichte die Sängerin in ihrer Heimat bereits mit "Mockingbird" einen weiteren Longplayer mit gelungenen Cover-Versionen. In Zeiten, in denen sich Musikdateien in Sekundenschnelle wie eine Pandemie über die ganze Welt verteilen, nimmt "Banshee" den Bummelzug.
Die in Florida geborene Sängerin verbindet klassischen Blue Eyed Soul, Funk und R'n'B mit einem Quäntchen Rock, ohne dabei im momentan zweimal zu oft strapazierten Motown-Brei unterzugehen. Jederzeit bleibt Kendra Morris eine Künstlerin mit eigener erfrischender Identität. Die glasklare Jeremy Page-Produktion hält die schnurrenden Gitarren, das unbeschwert verschleppte Schlagzeug und die exzellenten Bassläufe zusammen.
In "If You Didn't Go" erblüht "Banshee" in all seiner Pracht. Ein in Easy Listening-Soul verpackter Lichtreflex, in dem Morris federleicht wie einst Minnie Riperton mit der Traurigkeit einer vergangenen Beziehung umgeht. "Now that you're a stranger two thousand miles from here / I imagine you the blanket, my atmosphere / Even though the girl you got is a nice one it's true / She'll never be what I have to give if I still had you."
Durch düstere Gitarren, friedlosem Schlagzeugspiel und wombeligen Keyboardflächen kämpft sich der abenteuerliche Opener "Waiting" empor. In den Strophen von "Spitting Teeth" wandelt Morris über einen schrulligen Basslauf auf den in diesem Umfeld ungewohnten Spuren von Moloko und Róisín Murphy, bis im Refrain der Soul durchbricht. Mit dem Einstieg in "Old Photos", in dem sich die Farben wie in den Diamanten eines edlen Kronleuchters brechen, bewirbt sich Morris endgültig für den Titelsong des nächsten James Bond-Films.
"Banshee" endet mit dem Bonus-Track, dem Pink Floyd-Klassiker "Shine On You Crazy Diamond". Eigentlich findet sich dieser auf dem eingangs erwähnten zweiten Longplayer. In nicht einmal fünf Minuten gepresst, zeigt die Morris-Version Respekt vor dem Original, ohne mit seinem Pathos in Ehrfurcht zu erstarren. Ohne peinlich über die scheinbar viel zu hoch angelegte Latte zu stürzen, verbinden sich Soul mit den altbekannten Gitarrensoli und dem angedeuteten Wahn aus "The Great Gig In The Sky".
Kenda Morris gelingt mit "Banshee" ein eindrucksvoller, vielseitiger und ebenso leichter Erstling aus einem Guss. Mal schauen, wie viele Tage es noch dauern mag, bis uns die Bimmelbahn "Mockingbird" vorbei bringt.
2 Kommentare mit 2 Antworten
*düsteren (!)
Besten Dank an Chris was gebacken für diesen Tipp, lief gestern rauf und runter, ich bin wahrlich begeistert! Wie kann so ein Album so lange unentdeckt bleiben, wtf?
Werde mich als nächstes ihrem Cover-Album annehmen. Und vor ein paar Tagen erst gab es ja schon eine weitere neue Single, nice!
Da nich für Freut mich. Hätte aber auch nen Besen gefressen, wenn dir das nicht gefallen hätte
Bin aber selbst auch noch dabei, mich durch ihre Diskografie zu hören