laut.de-Kritik
Afriquality!
Review von Joachim GaugerGeht der schwarze Orpheus in die Unterwelt? Ist er verwandelt, wenn er ihr wieder entsteigt? Vier Jahre sind seit "Liquid Sunshine" vergangen, Zeit genug, um so manchen Schicksalsschlag zu verdauen. Zuvor war Jones' Vater gestorben, wurde sein zweites Album "African Space Craft" wegen seiner allzu bitteren Rassismus-Schelte heftig kritisiert, zerbrach während der 99er Europa-Tour seine alte Combo.
Seitdem lernte der Ausnahmemusiker Musiktheorie und Notenschreiben, suchte sich einen neuen Manager und neue Band zusammen. Vor allem aber näherte er sich - auch und gerade musikalisch - seinen Wurzeln in Lagos, Nigeria, Afrika. Noch immer schlägt er seine Gitarrenriffs wie kein anderer, doch die trockene Melancholie von früher ist einer farbenfrohen Verspieltheit gewichen.
"Afrosurrealismfortheladies" beginnt mit den Geräuschen einer in leichtem Wind sanft knarrenden Barke. Doch spätestens wenn wie Donnerschlag der Bass einsetzt, dessen eingängige Linie fortan den ganzen Track bestimmt, wird klar: hier droht keine selbst gestrickte Multikulti-Seligkeit mit Erlösungsanspruch, sondern erstklassig produzierter African-Soul/Funk auf höchstem Niveau.
"Kpafuca" treibt den Funk mit synkopierten Bläsersätzen und treibender Percussion auf die Spitze und huldigt auch in den Lyrics Keziahs musikalischem Mentor Fela Kuti, der die westafrikanisch/englische Wort-Schöpfung "kpafuca" (etwas ist zerbrochen) erstmals in einem seiner Songs verwendet hatte.
Die folgenden Stücke erinnern an den 'alten' Keziah Jones und sind stark von seinem typischen, sehr perkussiven Gitarrenstil geprägt. Kleine Anekdote am Rande: das Label meint, der Künstler zeige sich auf "Wet Questions" von "einer bis dato unbekannten erotischen Seite". Wer so was sagt, hat Keziah ganz sicher noch nie live gesehen.
Tatsächlich stellt Jones auf "Black Orpheus" die schweißtreibenden rhythmischen Elemente erstmals zugunsten melodischer und fein arrangierter Balladen zurück. Schöne Beispiele dafür sind das mit Sarah-Ann Webb im Duett eingesungene "Autumn Moon", das Yoruba-Volkslied "Orin O' Lomi" und natürlich das titelgebende "Black Orpheus". Die Wärme, die diese Stücke ausstrahlen, lässt wie die Lyrics vermuten, dass Orpheus zumindest seine Eurydike gefunden hat.
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