laut.de-Kritik

Das vielleicht druckvollste Kiss-Album seit "Creatures Of The Night".

Review von

Drei Monate nach der satten "I Stole Your Love"-Hommage "Hell Or Hallelujah" gesellen sich endlich auch die anderen elf Starkstrom-Monsterbacken dazu und komplettieren das mittlerweile 20. Studioschaffen der nimmermüden Herren Simmons, Stanley, Thayer und Singer.

"Wall Of Sound" macht als unmittelbarer "Hell Or Hallelujah"-Anschluss den Anfang und zeigt jeder aufstrebenden jungen High Voltage-Combo, mit wie viel Karacho man auch im hohen Alter noch durch die Boxen schießen kann. Man glaubt es eigentlich kaum, dass der Herr am Mikrofon in diesem Sommer sage und schreibe 63 (!) Kerzen auf seinem Geburtstagskuchen auspusten musste.

Natürlich hat das diabolische Timbre von Gene Simmons im Laufe der Jahre gelitten. 40 Jahre exzessive Bühnenpräsenz inklusive unzähliger Feuer- und Blutspuckszenarien haben ihre Spuren hinterlassen. Und dennoch ist es beeindruckend, zu welch dämonischen Gesangseinlagen der Bassist noch in der Lage ist.

Keine fünf Minuten später rennt der Mann, der sich im Jahr 1976 zum "God Of Thunder" erklärte und sechs Jahre später zur "War Machine" mutierte, wutschnaubend mit Faustkeil und Mammutfell durchs Studio ("Back To The Stone Age"). Mal abgesehen von hohlen Steinzeit-Senior-Phrasen macht der Song dem Albumtitel wahrlich alle Ehre. Donnernd und grollend verabschieden sich die vier Maskierten von der Neuzeit und hinterlassen dabei reichlich wackelnde Wände. In punkto Inhalt sollte man sich zudem schützend vor Herrn Simmons stellen - denn dass jemand, der seit Jahrzehnten wahlweise im Fledermauskostüm oder mit tonnenschwerem Brustpanzer auf die Bühne stampft nicht mit Tiefgang-Lyrik hausieren geht, ist nur allzu verständlich.

Auch die anderen beiden Demon-Ergüsse - der groovige Cowbell-Rocker "Eat Your Heart Out" und das treibende "The Devil Is Me" - drücken dem Album ihren Stempel auf. Dagegen fallen die Beiträge des zweiten Band-Aushängeschilds eher ab. Zwar schreibt Paul Stanley seinem Drummer Eric Singer mit "All For The Love Of Rock & Roll" einen der wohl stimmigsten Kiss-Songs der letzten dreißig Jahre auf den Leib, doch hinken die Drei- und Vierminüter, bei denen sich das Starchild selbst am Mikro positioniert, etwas hinterher. Das fulminant instrumentierte "Long Way Down" stolziert noch mit der breitesten Brust umher, während Songs wie "Freak", "Shout Mercy" oder das abschließende "Last Chance" eher abseits des ansonsten reichhaltigen "Monster"-Potpourris parken.

Mit "OuttaThis World" darf auch Spaceman Tommy Thayer kurz vor Toresschluss seine Gesangskünste unter Beweis stellen. Unaufgeregt aber solide lädt der klassische Rocker die Damenwelt auf eine Reise in ferne Welten ein, ehe die Gemeinschaftshymne "Take Me Down Below" das Dutzend voll macht und die Combo letztlich genau dahin katapultiert, wo sie hingehört: in die Stadien dieser Welt.

Mit "Monster" legen Kiss ihr vielleicht druckvollstes Album seit "Creatures Of The Night" vor. Mit Großmaul-Attitüde und nicht enden wollendem Marketing-Irrsinn haben sich die vier Rock'n'Roll–Karnevalisten in den letzten zwanzig Jahren massenhaft kopfschüttelnde Kritiker an die Spanndexhosen geheftet. Doch seit dem Vorgänger "Sonic Boom" lassen Kiss großen Worten und Versprechungen auch endlich wieder Taten folgen.

Trackliste

  1. 1. Hell Or Hallelujah
  2. 2. Wall Of Sound
  3. 3. Freak
  4. 4. Back To The Stone Age
  5. 5. Shout Mercy
  6. 6. Long Way Down
  7. 7. Eat Your Heart Out
  8. 8. The Devil Is Me
  9. 9. Outta This World
  10. 10. All For The Love Of Rock & Roll
  11. 11. Take Me Down Below
  12. 12. Last Chance

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