laut.de-Kritik
Wackelkandidaten auf dem Drahtseilakt der Karikatur.
Review von Christoph DornerEtwas verwundert durfte man schon sein, dass ausgerechnet das Berliner Pop-Beat-Duo Kissogram die Herren von Franz Ferdinand auf ihrer Europa-Tour begleiten. Dabei ist es wie oft im Leben: Hinterher, und zwar nach den zwölf Songs ihres dritten Albums "Rubber & Meat", ist man wie immer schlauer. Oder wie man's nimmt.
Denn Kissogram spielen letztlich die Musik, die den Schotten auf "Tonight" in letzter Konsequenz zum Glück verboten worden ist. Schließlich gibt es da draußen jede Menge Fans, die man mit der falschen Formel – zu viel Disco, zu wenig Rock, bloß keine Ironie - schnell verprellen kann. Die Berliner haben dieses - zugegeben – luxuriöse Problem nicht.
Dabei speist sich der Sound von Kissogram, die durch den Einstieg von Ex-Stereolab-Schlagzeuger Joe Dilworth mittlerweile zum Trio angewachsen sind, aus den besten Ingridenzien von Franz Ferdinand: dem näselnden Gesang, den Jonas Poppe genauso nonchalant hinbekommt wie Alex Kapranos, und einer mitunter zackig-nervösen Post-Wave-Struktur.
Nur beruht diese Struktur nicht allein auf schneidenen Gitarren, die liefern hier lediglich ein paar Texturen. Stattdessen baut man auf einen diffusen Zirkus aus pumpenden Dance-Beats, simpler Homerecording-Klimperei und trashigem Sample-Kitsch. Die Songs verkommen zu Karikaturen diverser Genres, sei es nun Indierock oder Electro-Pop - bisweilen von schnippischer Virtuosität, in Gänze allerdings von einer enervierenden Penetranz, über die sonst nur Bonaparte verfügt.
Immerhin sind "The Deserter", "Rubber & Meat" und "Lucy", dessen Melodie aufreizend offensichtlich "I Was Made For Lovin' You" von Kiss zitiert, humorvolle und absolut catchy Songs für den Dancefloor. Wer danach allerdings "Bucharest" mit seinem grausigen Orient-Sample und dem lyrischen Gaga-Stakkato hört, dem schmeckt das Mittagessen nicht mehr.
Freunde des musikalischen Ansatzes von WhoMadeWho, Jeans Team oder besagter Bonaparte mag, kann mit Kissogram sicherlich etwas anfangen. Und Franz Ferdinand? Die sind mit einem Support, der sie – wohlgemerkt vom Songwriting-Potenzial her - nicht jeden Abend an die Wand spielt, sicherlich auch ganz gut bedient.
Noch keine Kommentare