laut.de-Kritik

Ein Blick hinauf in die Ewigkeit.

Review von

Das Licht legt 299.792.458 Meter pro Sekunde zurück. Wenn wir zu den Sternen hinauf blicken, folgen wir zum Teil nur der Erinnerungen verstorbener Sterne, deren Glanz erst nach unzähligen Jahrzehnten im Weltall unser Auge streift. Ebenso leben die verstorbenen Stars des Jazz, lange nachdem ihr Lebenslicht erloschen ist, in uns und ihren Erben weiter. In beiden Fällen erstrahlt "Light From Old Stars".

Kit Downes, dessen Trio nach "Quiet Tiger" zu einem Quintett heranwuchs, widmet "Jan Johansson" einen ganzen Track einem erloschenen Jazz-Himmelskörper. Der schwedische Pianist prägte zu Lebzeiten den skandivavischen Jazz, doch seine wohl bekannteste Komposition "Här kommer Pippi Långstrump" verbindet noch heute durch die Macht von Noten und Nostalgie die Herzen ganzer Generationen.

Begleitet von Lucy Railtons Cello kreuzt Downes unterkühlte Einfachheit und Stärke zu einer frei im All schwebenden Melodie. James Maddrens Schlagzeugspiel gleitet wie ein niemals endenwollender Brian Eno-Loop ins Nirvana hinfort.

Die Origami-Komposition "Wander And Collossus" wechselt mit jedem Knick, jedem Falten, jedem Rythmuswechsel ihr Gesicht. Mal Papierhase, der unruhig seine Haken schlägt, dann wieder ein prunkvoll beflaggtes Schiff, das sanft über die Wellen aus Cello, Schlagzeug und Kontrabass gleitet. Ein Ozeanriese, der nur wenig später an "Bleydays" zerklüfteten Klippen zerschellt.

Der inspirierende Glanz des zum Glück noch ziemlich lebendigen Pianisten Paul Bley, der leise Genius des Free Jazz, glüht hinter jeder Ecke des Songs. Freistehend bietet der auf einer eingängigen Hookline aufbauende Post-Bop Raum für Soli. Das beeindruckende Tenorsaxophon von James Allsopp sticht wirr und verschmitzt hervor.

Eine vogelfreie Melodie ringt sich um den entspannten Blues "Outlawed", in dem Calum Gourlay mit einem Kontrabass-Solo brilliert. Trotz des Jazz-Gewands findet der staubtrockene und doch lässige Shuffle seine Inspiration in Howlin' Wolf, Blind Willie McTell und Skip James.

"Die Eulen sind nicht das, was sie scheinen." Ebenso wie "What's The Rumpus?", das sich auf einen Dialog des Coen-Brüder-Films "Miller's Crossing" bezieht, findet "Owls" seinen Titel und Ursprung in den bewegten Bildern der frühen 1990er. Beschwingt greift der Titel die bizarre Welt von Davis Lynchs "Twin Peaks" auf, um schon bald mit schizoidem Cello und Bassklarinette in die surrealen Tiefen von Killer BOB zu entgleiten. Kit Downes selbst stellt sich als Bandleader des alten Schlags nie obszön in der Vordergrund, sondern lässt seinen Mitstreitern genug Raum, um selbst zu glühen.

Letztendlich sind wir alle nichtig und bilden in der Geschichte nicht einmal Millisekunden. Millisekunden, die man durchaus schlechter, als mit der berauschenden und mysteriösen Musik von Kit Downes füllen kann. Wie NASA-Astrobiologin Daniella Scalice in den Liner Notes nochmals feststellt, wird selbst die Sonne, der Stern der uns Wärme und Leben schenkt, einst zu einem Roten Riesen. Durch Überhitzung und der im Überfluss verbrauchten Energie vergeht sie letztendlich als Supernova.

Eine gewaltige Explosion, mit der sie ihr Material ins All schleudert um dort neue Planeten und neues Leben zu bilden. Doch irgendwo, in einer weit, weit entfernten Galaxie, schaut ein junger Jazz-Pianist in den Nachthimmel und sieht uns als "Lights From Old Stars".

Trackliste

  1. 1. Wander And Colossus
  2. 2. Bleydays
  3. 3. Outlawed
  4. 4. What's The Rumpus?
  5. 5. Two Ones
  6. 6. Falling Dancing
  7. 7. Owls
  8. 8. The Mad Wren
  9. 9. Jan Johansson

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