laut.de-Kritik

Eine ungewöhnliche Rap-Symphonie.

Review von

Für den 'King Of Rap' ist diese Zusammenarbeit ein großer Moment. Schon seit einiger Zeit hegt Kool Savas den Wunsch, mit einem Orchester aufzutreten. Dieser Traum ist nun erfüllt, dank der Zusammenarbeit mit Red Bull Symphonic brüllt Kool Savas seine Texte über die klassische Musik des Residenz-Orchesters Baden-Württemberg. Unterstützt wird er dabei vom musikalischen Direktor Lillo Scrimali, der bereits für den Symphonic-Auftritt von Loredana verantwortlich war, und einen epischen, dramatischen und dämonischen Klang komponiert. Die Songauswahl für dieses Wunderwerk ist jedenfalls interessant, denn darunter befinden sich brachiale Rap-Parts wie "Brachland", aber auch persönliche und emotionale Stücke wie "Der stärkste Mann" oder "Krieg und Frieden".

Der Liveauftritt dieser eigentlich gegensätzlichen Fusion aus Rap und Klassik erschien am 6. Oktober auf YouTube. Im Beethoven-Saal in der Liederhalle Stuttgart sahen 2000 Fans das ungewöhnliche Spektakel und bekamen neben dem Rapschwergewicht Savas und seinen zahlreichen Gästen wie Badmómzjay oder SDP auch etwas meisterhafte klassische Musik untergejubelt. Somit gibt es nicht nur banale und böse Hip Hop-Floskeln, sondern auch Bildung und kulturelle Vielfalt. Es ist abermals ein ungewöhnlicher Anblick, wenn das Publikum im Beethoven-Saal in weißen Hemden brav auf ihren Plätzen sitzt und im Takt mit den Armen hoch und runter wippt, als wären sie Zeugen eines unbarmherzigen Rap-Battles.

Das "Intro" beginnt mit enthusiastischem Lob und Beifall für den "einzig wahren King of Rap", der dann in einen mysteriösen und gemächlichen Einstieg des Orchesters übergeht. Vögel zwitschern und die Streichinstrumente setzen ein. Eine ruhige Klangatmosphäre entsteht, bevor plötzlich Sample-Scratches die friedliche Stille durchbrechen und einen Vorgeschmack auf die Verschmelzung von Klassik und Rap bieten.

Der brachiale Song "Brachland" leitet die eigentliche Show ein und macht sofort deutlich, dass es sich um eine Live-Version handelt. Kool Savas' Stimme steht im Vordergrund, und man bemerkt einige Nuancen, die in Live-Auftritten normalerweise durch Playback und wummernde Bässe überdeckt werden. Gelegentlich stören die Background-Sänger, die wie übermütige Fans klingen, die den Text nicht ganz auswendig können. Man hört auch, dass Kool Savas bei den schnelleren Rap-Passagen mal die Puste ausgeht oder er ein paar Wörter verschluckt. Das kann man ihm aber nicht allzu übel nehmen, denn das gehört einfach zu einer Performance dazu. Und an anderen Stellen wie bei "Tribut" gelingen ihm die schnellen Passagen dann doch.

Das Orchester verleiht der Performance viele bedeutende Akzente, die das Sammelsurium aus alten Songs ein wenig auffrischen. Bei "Futurama" fällt besonders der nervenaufreibende Klang der Streichinstrumente auf, und "Rapkiller" oder "Tribut" gibt das Orchester einen imposanten und majestätischen Touch. Mit "Antonin Dvorak: Slavonic Dances, Op. 72 No. 7" und "Vittorio Monti: Csárdás René Kubelík - Violine" steuert das Orchester eigene Beiträge zum Album und einen Exkurs in die Welt der klassischen Musik bei. Ersteres wirkt etwas zusammenhangslos im Vergleich zum restlichen Klang, erinnert fast an eine Szene aus einem wilden Tom-und-Jerry-Cartoon. Doch das Violinstück klingt dafür wunderschön und bringt eine nette Abwechslung mit seinen langsamen und schnellen Passagen sowie den Klängen der Harfe.

Wenn man die Originalversionen der Studioaufnahmen und die Neuinterpretation des Orchesters vergleicht, fällt es aber auch auf, dass da nicht sonderlich viel Neues eingebracht wird. Selbst wenn es wie bei "Tribut" oder "AMG" schön klingt, bietet das Orchester an vielen Stellen nicht wirklich viel mehr als die Instrumentals des Originals. Das könnte daran liegen, dass sich Kool Savas und der musikalische Direktor eine Auswahl von langsameren Songs mit melodischen Produktionen aussuchten, wodurch die Welten von Rap und Klassik nicht wirklich stark aufeinander prallen, sondern sich vorher schon die Hand gegeben haben. So wie der Dirigent bereits in der Vorbereitung zum Auftritt treffend feststellte: "Grenzen sind da. Aber die Grenzen gibt es überhaupt nicht".

Besonders positiv fällt aber die Neuinterpretation von Kool Savas' Seite auf. Er legt sich wahrhaftig ins Zeug, wodurch einige Songs viel besser klingen als im Original. Bei "Tribut", "Mona Lisa" und "Der stärkste Mann" bringt Kool Savas so viel Energie mit, dass seine Darbietung viel authentischer, emotionaler, und ausgereifter klingt. Insbesondere bei "Nichts bleibt mehr" mit den mitreißenden Saltatio Mortis und dem Chor hört man die Betroffenheit und das Beben in Savas Stimme. An einigen Stellen sind es jedoch die Interaktionen mit dem Publikum und die Elemente eines Live-Auftritts, die das Hörerlebnis beeinträchtigen. So nutzt Kool Savas etwa öfter die Momente, in denen das Orchester einen erstaunlichen Übergang in einen Song komponiert, um das Publikum im Beethovensaal zum Mitsingen zu animieren. Vor allem beim Übergang zu "Aura", wenn das Orchester in Höchstform spielt und Savas und 1986zig nur daran denken, sich schmeichelnd die Aura des andere Spüren zu lassen. Die Gastbeiträge von Badmómzjay, Alies oder SDP überzeugen jedenfalls und bringen eine willkommene musikalische Vielfalt in die etwas chaotische Rapsymphonie.

Mit "Red Bull Symphonic" erfindet sich Kool Savas nicht unbedingt neu, überzeugt aber mit seinem eifrigen und authentischem Einsatz. Auch spielt die etwas unspektakuläre und zurückhaltende Songauswahl dem Orchester in die Hände. Wenn das Orchester jedoch mal wirklich zum Einsatz kommt, entstehen die Höhepunkte des Albums, die in Kombination mit dem Elan und der Dynamik aller Beteiligten mitreißende Momente hervorrufen. Ob es nun notwendig war, diese Live-Performance als eigenes Album zu veröffentlichen, bleit jedoch fraglich, da die Qualität der Soundkulisse oft unter den störenden Aspekten des Live-Auftritts leidet. Dafür hätte das Konzertvideo völlig ausgereicht.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Brachland
  3. 3. Futurama
  4. 4. Zeiten ändern nichts / Aura (feat. 1986zig)
  5. 5. Tribut
  6. 6. Mona Lisa
  7. 7. Der Stärkste Mann
  8. 8. Antonin Dvorak: Slavonic Dances, Op. 72 No. 7
  9. 9. Krieg Und Frieden (feat. SDP)
  10. 10. Deine Mutter (feat. Badmómzjay)
  11. 11. Vittorio Monti: Csárdás René Kubelík - Violine
  12. 12. Nichts bleibt mehr (feat. Saltatio Mortis, Scala, Kolacny Brothers)
  13. 13. AMG
  14. 14. Rapkiller (feat. Alies)
  15. 15. Was du nicht siehst (feat. Ela.)
  16. 16. Und Dann Kam Essah

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10 Kommentare mit 38 Antworten

  • Vor 6 Monaten

    "Ich habe die Möglichkeit mit dem Red Bull Symphonic Orchester ein Live Dings aufzunehmen. Geil! Da nehme ich mit doch gleich meine beschissensten Tracks! Die anderen sind ja auch so gut!"

  • Vor 6 Monaten

    Dass Savas Ende der 90er bis Anfang der 2000er in der MTV-TRL-Ära Hip-Hop mit auf die deutsche Landkarte gebracht hat, sei ihm anzurechnen. Dafür hat er die Anerkennung verdient. Aber künsterlisch, musikalisch ist er aufgrund seiner Versessenheit auf das Handwerk für mich einer der bedeutungslosesten und vergessenswertesten Künstler gewesen. Er klingt gut, er fuhr auch immer einen bestimmten, eigenen Stil, aber nichts bleibt wirklich hängen. Irgendwann kamen mit Bushido und Fler Personen in den Mainstream, die in puncto Bad Boy-Attitüde einfach mehr zu bieten hatte (bzw. es auf die Spitze trieben). Sido war aufgrund seiner einfach gehaltenen Vorträge für viele zugänglicher als er. Und danach erschien mit Kollegah jemand, der das technische Rappen ebenfalls besser hinbekam und dazu noch eine Humor-Note mit beifügte, die Savas immer irgendwo fehlte. Er versuchte es ja bei einigen Songs auch mit Pop-Elementen wie catchy Hooks, aber irgendwann wurde er auch dort von Pop-Rappern wie Cro übertrumpft.

    Dieses Album hier ist eigentlich die reine Symptomatik von Kool Savas' Künstler-Existenz: Große Inszenierung, Pomp, Masse, Selbsterhöhung mit einem großen Orchester auf der einen Seite, auf der anderen Seite belanglose Lieder und Texte, wo eigentlich nur die Teile rezitierbar sind, die nicht von ihm selbst kommen bzw. performt werden. Interessant ist auch bei all der ernsten Inszenierung mit dem Orchester, dass fast nur Representer-Songs dabei sind, wo es darum geht, dass er voll wichtig für Hip-Hop ist. Und wenn es nicht darum geht, dann sind es halt Motivationssongs, wo er sich als starker Mann inszeniert. Keine Dramatik, keine Tiefe, keine Schwäche, sehr homogen.

    Das ganze Album erinnert mich an ein Zitat aus dem 3Plusss-Song "Ich habe Hip-Hop nicht verstanden":

    Tracks über Rap sind wie Gemälde über Kunst
    Ja cool... doch was erzählt das über uns?

    • Vor 6 Monaten

      "Und danach erschien mit Kollegah jemand, der das technische Rappen ebenfalls besser hinbekam"

      Quatsch. Kolle war, gerade zu Anfang, aber auch heute noch, technisch eher Mittelmaß. Das der ein gutervRapper sei ist halt so ein juliensohnbehauptung, die sich im kollektiven Bewusstsein eingebrannt hat, weil auch die meisten menschen nicht verstehen, was technisch gut Rappen ist. Da war Savas weit voraus, so sterbenslangweilig seine Werke nach 2001 auch waren.

    • Vor 6 Monaten

      Ansichtssache. Wenn man Übung mit Metronom für maschinelles Rappen und vielsilbige Reime als technisch überlegen ansieht, war Kolle besser. Wenn man organischere, experimentellere und variablere Flows plus Betonung als besser ansieht, war Savas besser. Wenn man Inhalt sucht, kacken beide seit jeher ab. Mehr als paar lustige Zeilen waren da nicht zu holen.

      Insgesamt glaube ich auch, dass Savas bei uns bedient hat, wofür wir bei Kolle schon zu alt waren, Caps. Tbh.

    • Vor 6 Monaten

      Ach, ich weiß gar nicht, ob man da irgendwelche Bushidos, Sidos oder Kollegahs erwähnen muss. Die haben Savas gewiss nicht den Rang abgelaufen, sondern Deutschrap um neue Facetten erweitert. SAV ist irgendwann um Tot Oder Lebendig herum halt die Freshness abhandengekommen. Vor 2007/08 klang alles "cool", was er gerappt hat. Die verschiedenen Flows, die Timings, die Attitude - war einfach geil. Ende der 90er, zu WBM-Zeiten, war es auch textlich sehr hart und unique, etwas später dann eher auf Technik fixiert, aber immer noch ignorant und locker genug.

    • Vor 6 Monaten

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Monaten durch den Autor entfernt.

    • Vor 6 Monaten

      Und dass Kollegah ein Paradebeispiel für Rappen mit Metronom ist, wage ich mal zu bezweifeln, so offbeat wie der gute Herr rappt. Bei ihm war das Gesamtpaket doch immer so überzeugend: Der ach so harte Zuhälterrapper mit Babyface und absurd-lustigen Vergleichen und Übertreibungen, stümper- und amateurhaft von Rizbo und Co. in Szene gesetzt. Eine Art Trash-Unterhaltung. Als das alles ab King verschwunden ist, abgesehen von den Vergleichen natürlich, war die Luft doch mal sowas von raus bei Kolle.

    • Vor 6 Monaten

      Kollegah hatte damals (ZHT1&2) eine hörbar schlechte Atemtechnik, ma sagen. Das würde ich schon als technischen Makel anfügen.

    • Vor 6 Monaten

      Da wurde durch viele Cuts einiges übertüncht, aber man hört es trotzdem.

    • Vor 6 Monaten

      Für mich sind schreiben und rappen zwei verschiedene skills. Guter Schreiber gestehe ich Kolle zu. Guter Rapper nicht. Bei Savas isses genau anders herum. Der war ein guter Rapper aber nie ein sonderlich guter Schreiber.

    • Vor 6 Monaten

      Okay, signed. Das mit dem Metronom hat er selbst mal erzählt, meine ich. Generell nutzen das meines Wissens nutzten das einige Rapper für diese generischen Doubletimes. Dadurch klingt das halt so maschinell und emotionslos.

    • Vor 6 Monaten

      Ich glaube dennoch, dass wir Savas kacke gefunden hätten wie Kollegah, oder ich zumindest, wenn er mir nicht genau in der Phase Teen/Anfang Twen begegnet wäre.

  • Vor 6 Monaten

    Das Konzertvideo war nice. Menschlich gereift, kümmert sich um seine Fam und seinen Sohn und ist grundsätzlich auf positiven Vibes unterwegs. Viele Deutschrapper sind immer noch auf unsympathischen Disstracks unterwegs, wo man sich fragt, ob die hängengeblieben sind.

    Beef ist eh langweilig, wenn es unkreativ und unamüsant ist.