laut.de-Kritik
Musik am Rande des Zusammenbruchs.
Review von Connor EndtFür sein neues Album "The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith" hat Lookman Adekunle Salami, kurz L.A. Salami, auf jegliche Planungen im Vorfeld verzichtet. Im Vergleich zum Vorgänger "The City Of Bootmakers" hat er Ordnung und Struktur über Bord geworfen zugunsten von Multitrack-Aufnahmen und Sound-Basteleien.
Der titelgebende Opener ist eine elfminütige Collage aus spoken words, bedächtigem Gitarrenspiel und einem aufgezeichneten Dialog. Die anfänglichen Akkorde versinken nach einer halben Minute Spielzeit in einem Morast aus Jazz- und Ambient-Klängen und erinnern damit zuweilen an den Output eines King Krule. Nach weiteren drei Minuten kommt der Song beinahe komplett zum Erliegen, um urplötzlich mit E-Gitarren und gerappten Versen neu aufzutrumpfen. Man könnte ganze Seiten füllen mit der Beschreibung des ersten Stücks und trotzdem bleibt Salamis Musik irgenwie ungreifbar.
"When You Play God" ist eine scharfsinnige Analyse der aktuellen politischen Lage: "I recall the Soviet Union, when a thug took the wheel in the confusion. The crowd lashed out - misread Rasputin. Now the chaos is reigned in by the one called Putin." Untermalt wird das Ganze mit schnarrenden Akustik-Gitarren, Synthesizern und rumpelnden Drum Beats. Die Songs sind immer kurz davor, im Chaos zu versinken, aber Salami gelingt die Gratwanderung zwischen atmosphärischen Flächen und einer unleugbaren Eingängigkeit. Stücke wie "Jessica Rabbit" bekommen ihren eigentümlichen Charme auch durch die Anreicherung mit Schreibmaschinen-Geklapper oder durch das Schnarren der einzelnen Gitarren-Saiten.
Besonders gelungen ist "The Cage", in dem sich Salami vom geschichtenerzählendem Songwriter zum MC wandelt und eine der coolsten Nummern seiner bisherigen Karriere zaubert. Die Mischung aus jazzigem Instrumental und Hip Hop-Vocals beherrscht der Brite absolut mühelos. Generell sprengt L.A. Salami mit seinem neuesten Werk die Genregrenzen und fühlt sich im Folk der Anfangstage genau so wohl, wie in Hip Hop, Blues oder Jangle-Pop.
"The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith" endet mit einer aufpolierten Version von "The Talis-Man On The Age Of Glass", das bereits auf dem Vorgänger-Album vertreten war. Die Redux-Version wurde mit zahlreichen Gitarren- und Pianospuren angereichert und reiht sich so mühelos in die restlichen Produktionen ein.
"I listen to a lot of polished music out there... I get it, but that's not my style. I like the idea of thoughtfully putting music together, but I also like the honesty of things almost falling apart", ließ Salami im Vorfeld zum Release verlauten. Mit "The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith" ist ihm der perfekte Soundtrack für 2020 gelungen.
3 Kommentare
der name hat definitiv was
Bislang eines meiner Highlights dies mauen Jahres
Sehr schönes Album. Derart breit aufgefächerte Vielseitigkeit habe ich selten so mühelos schlüssig verwoben gehört, sowohl nebenher als auch bewusst total angenehm. Letzteres zumal er ziemlich gute Texte am Start hat, die auch dann noch faszinieren/Spaß machen können, wenn man mit (Teilen der) Message dahinter eher nicht übereinstimmt (When you play god, siehe auch seine grundsätzliche Haltung zu cancel culture u.a. im laut.de-Interview).
Tendiere eher zu 4/5, weil der ganz große Über-Songs nicht mit drauf ist. Sind andererseits schwächere Nummern auch nicht. So oder so aus meiner Sicht ein Fall für die Jahres-Highlights.